Tempus fugit – Mal wieder ist ein Jahr vergangen und so möchten wir euch einmal mehr unsere Medienhighlights der vergangenen 365 Tage vorstellen. Wir wünschen erholsame Feiertage und eine freudige Lektüre!
Five Nights at Freddy’s – Eric
O cholera, czy to Freddy Fazbear!
Wenn man mir 2015 gesagt hätte, dass Mitte 2023 meine Freund*innen an der Uni den ersten Five Nights at Freddy’s Song von The Living Tombstone singen und mir von der FNaF Lore erzählen würden – ohne, dass ich jemals vorher darüber geredet habe – hätte ich wahrscheinlich alle meine Lebensentscheidungen angezweifelt. Aber wer dieses Jahr auch nur drei Minuten auf irgendeiner Social Media- Plattform verbracht hat, wird es mitbekommen haben: 2023 wird in die Geschichte eingehen als das glorreichste Jahr der Kinogeschichte: Die Filmadaption des Videospiels Five Nights at Freddy’s hat es tatsächlich auf die große Leinwand geschafft und damit wohl mehr kulturelle Relevanz denn je erreicht.
Die Idee eines Kinofilms hatte Scott Cawthon, einziger Entwickler der Videospielreihe mit mittlerweile unglaublichen 21 Ablegern, schon 2015, nachdem er die ersten vier Teile der Main Serie (FNaF 1,2,3,4) innerhalb nur eines Jahres auf die Welt losgelassen hatte. Zum damaligen Zeitpunkt war ich natürlich absolut involviert, saß My Chemical Romance hörend auf dem Schulhof und spielte FNaF 3 (das objektiv beste FNaF) auf meinem viel zu kaputten HTC Desire C. Wenn Markiplier oder Corrupted ein neues, immer demselben Prinzip folgendes Let’s Play auf YouTube hochluden, war das wie Weihnachten in 720p für mich. Die Ankündigung eines Kinofilms, geschrieben von Scott persönlich, sprengte meinen Kopf aber dann endgültig weg. Acht Jahre später von allen Seiten wieder über FNaF bombardiert zu werden, war (oder ist) wie ein Fiebertraum.
Die große Frage ist aber: Wie war der Film? Haben sich acht ganze Jahre warten gelohnt? So halb. Besonders von Kritiker*innen wird Five Nights at Freddy’s auseinandergenommen, wie es Money Boy nicht besser könnte, was ich auch zu gewissen Teilen berechtigt finde. Gerade die Dialoge klingen oftmals so lust- und leblos, dass sie auch ein (lilaner, Whistle pfeifender) Josh Hutcherson in der Hauptrolle nicht retten konnte. Dann wiederum: Na und? Es ist halt ein Five Nights at Freddy’s Film. Ein Franchise weit vorbei an seinem Zenit, geschrieben von einem Developer, der eigentlich nie über den ersten Teil aus 2014 hinausgehen wollte.
Aber auch hier: Na und? Ich und der edgy Teenager in mir hatten riesigen Spaß daran, Five Nights at Freddy‘s auf der großen Bühne zu sehen. Besonders die vielen kleinen Easter Eggs in der Pizzeria und die Tatsache, dass die Animatronics Freddy, Bonnie, Chica und Foxy nicht nur animiert, sondern als tatsächliche Anzüge gebaut wurden.
FNaF hat mir alles gegeben, was ich davon erwartet habe. Ich weiß noch nicht ganz, ob der direkte Teaser zu einem zweiten Teil dabei dazugehört, aber davon können mich Blumhouse gerne nächstes Jahr überzeugen.
Deutschpunk lebt! – Lorenz
Punk is not dead! Ich zumindest habe dieses Jahr sehr viel Zeit mit Punkmusik aus deutschen Landen verbracht. Drei Bands haben mir dabei besonders gut gefallen, weshalb ich sie euch im Folgenden vorstellen möchte:
Burnout OstWest – Würzburg stärkt die Szene
Die Bremer Punkband Burnout OstWest hat dieses Jahr mit Würzburg stärkt die Szene ein Album abgeliefert, das ich vor allem aufgrund seiner vor Ironie triefenden Texten und seinem rotzigen, elektronischen Sound gemocht habe. Die Band karikiert in ihren Texten bestimmte Typen des deutschen Spießbürgertums (besonders jene, die sich nicht als Teil desselben erkennen) und zieht in Dialogen und Songzitaten unangenehm treffend über den konservativen Mainstream her. Die teils wilde Instrumentalisierung und die rotzigen, grölbaren Refrains machen Würzburg stärkt die Szene zu einem meiner Favoriten dieses Jahres.
AUGN – Grauer Star/Du wirst sehen
Mit einem Doppelalbum hat das bitterböse, verstörende und rätselhafte Punkduo AUGN dieses Jahr mein Herz erobert. Die beiden mit Strumpfhosen maskierten Musiker erzählen in ihrem Sprechgesang mit Post-Punk-Einflüssen von Alltagssituationen und porträtieren spießbürgerlichen Lifestyle-Konservatismus in einer so zynischen Weise, dass einem doch teilweise die Spucke wegbleibt. AUGN sind etwas sehr Besonderes, und sicherlich wird nicht jede*r etwas mit der Band anfangen können, doch kaum ein Artist hat mich dieses Jahr so beeindruckt.
Team Scheisse – 042124192799
Die MVPs des Deutschpunk sind zurück: Team Scheisse aus Deutschlands Punkzentrale Bremen haben nach ihrem großartigen Durchbruch mit Ich habe dir Blumen von der Tanke mitgebracht (jetzt wird geküsst) auch dieses Jahr abgeliefert. Die Band macht Punkrock über Alltags-, Liebes-, Arbeits- und Saufgeschichten, der einfach Spaß macht. Doch auf ihrem neuen Album 042124192799 schlagen sie nicht nur musikalisch, sondern auch thematisch einen härteren Ton an: In ihrem Song FA spricht die Band explizit politische Themen an. Ihren Titel als populärste deutsche Punkband konnte Team Scheisse mit 042124192799 jedenfalls zu Recht verteidigen.
Baldur’s Gate 3 und die Games-Industrie – Ralph
Es kommt nicht oft vor, dass ein Spiel erscheint, das gleich die ganze Games-Industrie auf den Kopf stellt. Baldur’s Gate 3 hat dies 2023 geschafft, und das nicht mal als Überraschung. Denn das belgische Entwicklerstudio Larian war bereits für die überaus erfolgreichen und von der Kritik hoch gelobten Rollenspiele Divinity: Original Sin 1 und 2 verantwortlich, bevor es die scheinbar unmögliche Aufgabe übernahm, eine der wichtigsten Rollenspiel-Reihen der Spielgeschichte fortzusetzen. Die Erwartungen von Spielenden und Kritik waren enorm, gleichzeitig war zu beobachten, wie Studios wie Blizzard an der Fortführung hauseigener Spielreihen spektakulär scheiterten. Als Beispiel sei hier nur Diablo IV genannt. Und mehr noch, schon früh kündigten Larian an, das klassische Baldurs-Gate-Kampfsystem zu ändern. Statt Anstatt Kämpfen in Echtzeit, die alle paar Frames durch hektisches Drücken der Pausetaste unterbrochen werden, sollte es nun die Divinity-typischen rundenbasierten Gefechte geben, was vorab für große Kontroversen sorgte. Wie konnte Baldur’s Gate 3 dennoch zum Erfolg werden? Ein großer Teil der Antwort auf diese Frage ist die anderthalb Jahre dauernde Early-Access-Phase, in der Spielende den ersten Akt ausprobieren und Feedback an Larian geben konnten. So startete Baldur’s Gate 3 beim Release dann zwar nicht komplett bugfrei (was bei einem Spiel dieser Größe auch nicht möglich ist), fühlte sich jedoch bereits fast perfekt abgerundet an. Steuerung, Erklärungen, Level-Design, Entscheidungsmöglichkeiten, Charaktere, Story, alles griff ineinander, um ein Rollenspiel-Erlebnis zu liefern, für das es überall Top-Wertungen hagelte. Außerdem: keine fehlenden Features, keine Loot-Boxen oder und Mikrotransaktionen; Spielende mussten nur kaufen, starten, Spaß haben. Inzwischen, einige Patches und kostenlose, aber sehr umfangreiche Updates später, läuft das Ganze noch sauberer und besser und auch die Verkaufszahlen liefern gute Argumente dafür, Spiele zu entwickeln, die ihre Spielenden ernst nehmen und nicht nur deren Geldbeutel im Blick haben.
Die Magie von Verprügelt mit Drachen – Ralph
Es gibt Formate, die sollten nicht funktionieren, aber tun es doch. Als Verprügelt mit Drachen im Oktober 2020 als Spin-Off des Comedy-Podcasts Verprügelt mit Punchlines startet, knarzt es noch im Getriebe. Game Master Jonas Imam ist hörbar nervös, Falk Pyrczek vielleicht etwas zu begeistert und Ivan Thieme oft verwirrt, denn wie er selbst sagt, kennt er sich mit Rollenspielen und insbesondere Dungeons and Dragons nicht besonders gut aus. Dennoch nimmt das Abenteuer von Gumo, dem Barbaren (Ivan), und Faruk Eisenbusen, dem Schneckelbarden (Falk) seinen Anfang und schon bald Fahrt auf. Ivans Unwissen über die Welt und das Spielsystem wird zum Markenzeichen seiner Figur, die jede noch so harmlose Situation ohne böse Absicht eskalieren lassen kann. Falk und Faruk verschwimmen so stark, dass selbst der Game Master sie in der Anmoderation verwechselt. Und 2023, inzwischen in Staffel 3, stößt noch Georg FK als Dexa Fetamin hinzu und entpuppt sich als der fehlende dritte Pol, von dem nicht klar war, dass er gebraucht wird. Immer wieder wird auch mit dem Format experimentiert, z.B. mit einem aufwändig produzierten und live gestreamten Staffelfinale. Doch Geschichte und Charaktere stehen immer im Mittelpunkt und genau diese unbedingte Hingabe zur Fiktion macht die Magie aus, egal ob Gumo die Höhen und Tiefen des Glücksspiels erlebt, Faruk sich zwischen Gier und Sozialismus entscheiden muss oder Dexa sich mal wieder fragt, mit was für Idioten sie hier eigentlich unterwegs ist. Dennoch, mit Worten ist die Faszination dieses Podcasts nicht zu beschreiben, deshalb empfehle ich einfach vorne anzufangen, ein bisschen dran zu bleiben und sich dann ganz von selbst mitreißen zu lassen.
Spider-Man – Across the Spiderverse – Lennart
Der erste animierte Spider-Man hat mich umgehauen. Also war ich sehr hyped auf seine Fortsetzung. Und die kann meiner Meinung nach absolut mit dem ersten Teil mithalten. Across The Spiderverse ist genauso kreativ, funny und anders wie sein Vorgänger. Wieder muss Miles Morales über sich selbst hinauswachsen und das Multiversum retten. Nur dieses mal ist der Bösewicht nicht in einem Paralleluniversum, sondern in allen. Der “Spot” kommt am Anfang als gewöhnlicher Everyday-Villain daher, der es noch nicht mal schafft Geld aus einem ATM zu stehlen und stellt am Ende die größte Gefahr aller Zeiten dar. Wurde Into The Spiderverse vor allem wegen seines neuen Stils gefeiert (Oscar für besten Animationsfilm), der vor allem mit dem “all polished” Stil von Disney und Pixar bricht und tatsächlichen Comic-Comic-Stil in den Film bringt, geht der zweite Teil visuell und dramaturgisch noch mal eins weiter. Da ein dritter Teil absolut notwendig (was war das für ein Cliffhanger) und für 2024 angekündigt wurde, bin ich eigentlich genau am gleichen Standpunkt wie vor einem Jahr: Sehr hyped auf einen weiteren Teil des animierten Spider-Man. Wer den zweiten Teil im Kino verpasst hat, kann ihn übrigens jetzt auf Netflix streamen.
Suzume – Lennart
Der Regisseur Makoto Shinkai hat nach dem erfolgreichsten Anime aller Zeiten – Your Name – dieses Jahr einen weiteren Anime produziert und animiert. Wer Suzume total verpasst hat, dem sei der Film wirklich ans Herz gelegt. An Your Name kommt er zwar nicht heran, aber ich glaube ehrlich gesagt, es tut dem Film selbst nicht gut, dass er die ganze Zeit mit dem anderen großen Werk von Makoto Shinkai verglichen wird. Deshalb ganz selbstständig: Suzume ist ein berührender und visuell unglaublich wunderschöner Anime. Er geht um die Teenagerin Suzume, die erfährt, dass durch geöffnete Türen bei Lost Places Seelen entweichen, die dann Erdbeben auslösen. Um die Erdbeben aufzuhalten, gibt es Tür-Hüter, die von Lost Place zu Lost Place reisen und diese Türen schließen. Als Suzume einen Tür-Hüter trifft und dieser in einen dreibeinigen Stuhl verwandelt wird, muss sie selbst zur Tür-Hüterin werden. Das alles hört sich nach ziemlich viel Quatsch und Magie an. Hat aber alles einen wahren Kern. Man könnte nämlich sagen, dass der Film ein Werk über die neuere Geschichte Japans ist. Im Kern hat es Makoto Shinkai geschafft, dem sich schnell ändernden Japan und seiner Gesellschaft, die keine Zeit für Trauer und Umgang mit diesen Veränderungen hatten, eine Geschichte zu geben, der man bis zum letzten Moment folgt, einfach auch, weil sie magisch ist. Es flossen Tränen bei mir im Kino und so lässt sich ganz selbständig für Suzume sagen: Es ist ein großartiger Film.
Zuck vs. Elon – Puya
Was bedeutet es für unsere Welt, wenn sich zwei Tech-Milliardäre auf gut deutsch „auf die Schnauze hauen“ wollen, um ihre Streitigkeiten beizulegen oder einen gewaltsamen Vergleich anstreben. Mark Zuckerberg, der Gründer von Facebook und Elon Musk, der alte Ozempic-Spritzer, der PayPal mitgegründet und den Mars erreichen und zivilisieren möchte. Ein Facebook-Satellit sollte im Mai 2018 mit einer SpaceX-Rakete ins All befördert werden und abgelegene Orte mit Internet versorgen. Doch der Facebook-Satellit explodierte und auf Twitter, mittlerweile von Musk gekauft und in X umbenannt, kam es zum ersten Anfeinden zwischen den Superreichen. Zuck entwickelt einen Twitter-Konkurrenten. Im Mai dieses Jahres kommt es zum Höhepunkt: Zuck postet auf Instagram, dass er an einem Shu Shih Tzu-Wettbewerb teilgenommen und paar Medaillen gewonnen hat. Elon forderte daraufhin Zuck heraus, nachdem er schon im März 2022 Putin auf einen Kampf herausforderte. Das Problem, Zuck ist in Form, Elon nicht. Der UFC-Präsident Dana White schaltet sich ein und telefoniert mit Elon und Zuck. Das Internet rastete aus. Am 5. Juli geht der Twitter-Konkurrent Threads online. Dann wollte Elon einen möglichen Kampf auf X streamen und die Erlöse würden an eine Charity für Kriegsveteranen gehen. Zuck shootet natürlich zurück, dass man es auf eine verlässliche Plattform streamen sollte. Seitdem hat sich Elon etwas zurückgezogen vom Kampf und Zuck hat immer noch richtig Bock. Was schließen wir daraus? Geld macht nicht glücklich, sondern man will anderen Milliardären auf die Fresse hauen.
Children of Time – Tamara Vitzthum
Children of Time ist nicht dieses Jahr herausgekommen (das Ende der Trilogie mit dem kreativen Titel Children of Memory schon), aber kaum ein Buch, das ich in diesem Jahr gelesen habe, ist mir so sehr in Erinnerung geblieben und das aus komplett unerwarteten Gründen. Der Sci-Fi-Roman von Adrian Tchaikovsky hat einen der most basic Namen, den ein Sci-Fi-Buch so haben kann und die Beschreibung auf dem Buchrücken klingt ebenso nichtssagend, so steht da unter anderem: “Humanity’s last survivors escaped earth’s ruins to find a new home. But when they find it, can their desperation overcome its dangers?” Soweit so gut, klingt nach space travel, Terraforming, der Zerstörung der Erde und Auseinandersetzungen mit der Vergangenheit, das kennt man ja. Und dann begann ich zu lesen und stellte fest, dass das Buch diese Themen zwar alle behandelt, aber sie bei weitem nicht das Gros der Handlung ausmachen. Es geht nämlich um Spinnen. Spinnen, die durch ein Virus von größenwahnsinnigen Menschen eine Evolution durchmachen, die eigentlich für eine ganz andere Spezies gedacht war und die sich auf einem Planeten ausbreiten und zur vorherrschenden Macht werden wollen. Dabei kämpfen sie gegen ganz unterschiedliche Probleme, soziale Spannungen, Ameisen, eine etwas verrückte KI und eine Handvoll wirklich schockierter Menschen, die genauso wenig mit Spinnen gerechnet hatten wie ich zu Beginn dieser Leseerfahrung. Das heißt also auch, dass ein Großteil des Buches aus der Perspektive von einigen Spinnen in ihrer Entwicklung über einige Jahrhunderte erzählt wird und das ist absolut wild, aber in the best possible way. Ich hab kaum ein Buch gelesen, dass mich so oft hinterfragen ließ, was ich hier eigentlich tue. Es hat mir aber auf so spannende Weise gezeigt, wie Kreaturen, die keine Säugetiere sind, eine Gemeinschaft aufbauen und zu kommunizieren lernen und wie besonders dieser letzte Punkt mehr Kreativität braucht als vielleicht angenommen. Ich habe inzwischen auch den zweiten Teil der Trilogie gelesen und es wird nicht weniger wild, ich möchte nur so viel verraten. Tchaikovsky hat offensichtlich sehr viel Spaß daran hat, sich so viele verschiedene Arten von Spezies auszumalen wie möglich, um diese in Situationen zu stecken, die einem fever dream entsprungen scheinen. Und das zu lesen macht einfach Spaß und erweitert zugleich die Perspektive darauf, was auch als Intelligenz oder Gesellschaft bezeichnet werden kann.
Fire Emblem Engage – Kristina
Für mich gehört Fire Emblem Engage in mein Medienjahr 2023, da es mich allein vom Spielprinzip ein wenig an Pokemon erinnert hat. Was zum einen mit dem rundenbasierten Kampfsystem zu tun hat, aber auch mit der Grafik, die optisch sehr an die neuen Pokemon-Spiele auf der Switch heranreicht. Ich habe den Einstieg ins Fire Emblem-Franchise mit dem Vorgänger Fire Emblem: Three Houses erlebt, darum habe ich gleich auch im Januar zu dem Nachfolger Engage gegriffen. Für mich vereint es Narration, Taktik und Kampf. Es gibt immer mal wieder Ruhepausen, in denen auch das Kennenlernen aller Teammitglieder möglich ist. Eine Verbesserung habe ich vor allem in Richtung Gameplay entdeckt. Das Kampfsystem fühlt sich in der Bewegbarkeit des spielbaren Protagonisten dynamischer an und macht damit das hauptsächliche Gameplay angenehmer. Außerdem gibt es vielmehr Auswahl, was die Partnerwahl innerhalb des Spiels betrifft, dabei sind natürlich nicht nur romantische Beziehungen gemeint, sondern auch tiefgehende Freundschaften. Hinzu kommt, dass es keinen heteronormativen Zwang gibt, denn insofern die Beziehung ein hohes Level erreicht hat, spielt das Geschlecht des Protagonisten keine Rolle. Eine einzige Sache hätte ich mir dennoch gewünscht, nämlich das Skillen aller spielbaren Teammitglieder. Das habe ich im Vorgänger tatsächlich als einfacher empfunden. In Fire Emblem Engage ist das Skillen bestimmter Charaktere immer nur eins zu eins möglich und nicht in Gruppen. Sehr gelungen fand ich jedoch die Einbindung aller bisheriger Protagonisten aus den Vorgänger-Teilen. Das ist für Fans der Franchise erfreulich, wirft aber auch niemanden aus der Bahn, der erst mit Fire Emblem Engage eingestiegen ist, da die Geschichte der damaligen Protagonist:innen nicht narrativ in Engage eingebettet wird, sodass es Spieler:innen möglicherweise überladen könnte.
Xenoblade Chronicles 3: Die erlöste Zukunft – Leah
Die Story einer Videospiel-Reihe zufriedenstellend zu beenden ist ja immer so eine Sache. Dieser schweren Aufgabe widmete sich das Team von Monolith Soft im vierten Teil des Erweiterungspasses zu dem Switch-exklusiven Spiel Xenoblade Chronicles 3. Die Xenoblade-Reihe feierte ihr Debüt 2010 auf der Wii, sie ist aber Teil des größeren Xeno-Universums, dessen Subserien durch Studioübernahmen nie vollends verwirklicht werden konnten. Bis jetzt.
Der finale Akt ist nun sowohl Prequel zur Geschichte des Hauptspiels als auch Epilog der gesamten bisherigen Reihe. Auf dieser Reise hin zum Ende trifft man auf alte Bekannte und neue Charaktere, während sich die letzten Puzzleteile zum Verständnis des Xenoblade-Universums zusammenfügen. Vor allem Spieler*innen, die die beiden Vorgänger kennen kommen hier voll auf ihre Kosten. Das Gameplay, insbesondere das Erkunden der weitläufigen Spielwelt und auch diverse andere Mechaniken, wurden weiter überarbeitet und verbessert. Damit bietet es aktuell die wohl beste Gameplay-Erfahrung der Reihe.
Ich habe die Erweiterung direkt zum Release in einer langen Monstersession durchgespielt und konnte danach monatelang über nichts anderes als das Ende und das Xenoblade-Franchise nachdenken. Die finale Cutscene löst bei mir auch Monate später immer noch absolute Gänsehaut aus und macht die Erweiterung zu meinem Medienerlebnis des Jahres.
Großen Respekt an das Team bei Monolith Soft an dieser Stelle, es ist wirklich etwas besonderes, eine so große Vision vollendet zu sehen. Auch wenn die Geschichte rund um „Das Experiment“, die damals mit Xenoblade Chronicles auf der Wii begann, nun abgeschlossen ist, soll es laut Director Tetsuya Takahashi weitergehen. Wie genau die Zukunft der Reihe und des Xeno-Universums aussehen wird, ist noch offen. Ich bin auf jeden Fall gespannt!
Bomb Rush Cyber Funk – Luisa
Nur schwer hätte ich mir letztes Jahr vorstellen können, dass mein Medienereignis 2023 kein Album oder ähnliches sein würde, sondern ein „Skating-Game“ – aber here we are. Bomb Funk Cyberrush von Team Reptile hatte mich 2023 fest im Griff.
Immer wieder wurden mir kleine Gameplay Ausschnitte auf meine TikTok Fo8r You Page gespült, auf welchen die Charaktere des Spiels in typischer JetSet-Radio Manier Skate Tricks machten und Grafitti sprühten. Wahrscheinlich waren darunter die typischen „Bin ich ein Asshole weil ich meine Schwester von meiner Hochzeit ausgeladen habe?“ Reddit-thread-Videos zu sehen, aber das hat mich nur wenig interessiert. Der super stilisierte retro Cell Shading Look und der grandiose Soundtrack, eine Mischung aus Lofi, Hiphop und Funk, haben mich in Bomb Funk Cyberrushes Bann gezogen und ich musste es haben.
Einmal angespielt und ich war verloren. Eigentlich hätte ich eine Hausarbeit schreiben sollen, aber das einzige, woran ich denken konnte, war, wann ich wieder nach Hause konnte, um BRCF zu spielen. Die Prämisse ist dabei sehr einfach gehalten: Du fährst als der Cyberhead Red (ein Cyborg mit einem neuen robotischem Kopf), Mitglied der Bomb Rush Crew, mit deinem Skateboard durch die Bezirke der Stadt New Amsterdam. Du sprühst Grafitti (die Grafitti-Schriftzüge in game sind alle in Kooperation mit verschiedenen Artists entstanden) und battlest dich mit gegnerischen Crews, um in der ganzen Stadt als Street Artist Ruhm zu erlangen und dabei herauszufinden, was mit deinem alten Kopf passiert
Die Story von BRCF macht Spaß, ist aber nicht das, was das Spiel für mich so besonders macht. Das ist nämlich das spaßige Gameplay und die Physics, die sich so gut anfühlen, dass es auch Spaß macht, einfach nur mit seinem Skateboard ohne Ziel im Kreis zu fahren und neue Trickkombos zu lernen. Diese Physics, gepaart mit einem großartigen, nostalgischen Soundtrack und stilistisch sowie farblich toll abgestimmten Visuals, die wirken, als wären sie aus einem 2000er Game entwischt, machen BFCR zu einem Fest für Augen und Ohren.
Diese Kombination hat also dazu geführt, dass ich meine Switch diesen Sommer und Herbst kaum aus der Hand legen konnte und beim Schreiben direkt wieder Lust auf ein zweites Playthrough bekommen habe.
Armored Core VI: Fires of Rubicon: Der feuchte Traum eines Mecha-Fans! – Raul
Spiel man Videospiele sollte spätestens seit Elden Ring vielen das japanische Entwicklerstudio From Software ein Begriff sein. Mit ihrer Reihe an Bock schweren Action-RPGs von Demon’s Souls über Dark Souls zu Bloodborne oder Sekiro hat das Studio bewiesen, dass sie mit die besten im Business sind. Jede neue Ankündigung um Director Hidetaka Miyazaki wird von den Fans heiß erwartet und diskutiert. Aber mit Armored Core VI: Fires of Rubicon wurde alles anders. Vielen wird wahrscheinlich zunächst die sechs im Titel auffallen, die auf die zahlreichen Vorgänger verweist, die seit den 90ern erschienen sind. Ja, es gab auch ein From Software vor den Souls-Games. Und da waren schon einige Qualitäten abzusehen, die mit den neu gewonnenen Erfahrungen der letzten Jahre nun zu Armored Core VI führten.
Früher noch als sehr kryptische Roboter-Shooter-Spiele bekannt, die von Kritikern maximal als “gut” bewertet wurden, war aber auch hier schon die gleiche Formel wie in den Souls-Games zu spüren: Sehr schwer, aber fair. Inklusive verstrickter, unzugänglicher Story und düsterer Atmosphäre. Doch das Game Design hatte es schon damals in sich. In Armored Core steuert man als angeheuerter Söldner einen Mech, einen Kampfroboter, der sich durch Horden an maschinellen Gegnern kämpfen muss. Das tolle daran ist, dass nahezu jedes Teil frei anpassbar ist und ausgetauscht werden kann.
Dabei spielen nicht nur Werte wie Schaden, Rüstung und Munition eine Rolle, sondern auch das Gewicht, die benötigte Energiezufuhr, um alles betreiben zu können und das Geld. Denn bei Missionsende entstehen stets Kosten an Munition und Reparaturkosten am eigenen Mech, für die aufgekommen werden muss. Das individuelle Anpassungsystem geht neben zwei Schulter und zwei Handwaffen aber sogar noch weiter – sogar ganze Körperteile können ausgetauscht werden. Und so wird aus einem zweibeinigen Roboter plötzlich ein vierbeiniger oder eine Art Panzer mit Kettenwalzen anstatt Beinen. Je massiger die Unterseite, desto mehr kann an schwerem Kaliber mitgeführt werden. Dafür steuert sich der Mech, aber auch behäbiger und ist weitaus leichter von Gegnern zu treffen.
Was sich für den einen nach viel Arbeit anhört, ist für den anderen eine Goldgrube an Möglichkeiten und Spielfreiheit. Kein Mech ist wie der andere und je nach Mission kann am Roboter gewerkelt und verbessert werden. So entstehen ganz eigene Builds, die zusätzlich visuell auf einem unfassbar hohem Niveau angepasst werden können. Egal ob Sticker, Farbmuster, Lackierungen, Abnutzungen wie Rost oder Schrammen – alles ist möglich! Und wenn man will, kann man die erstellten Designs sogar online per Code teilen oder andere Kreationen herunterladen. Das Internet ist immer voller kreativer Ideen. Egal ob jemand einen Roboter aus einem anderen Spiel oder Anime als “Cosplay” nachbildet oder ob man einfach sein selbstkreiertes Motiv als Sticker teilen will, der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt!
Was manch alten Teilen der Armored Core Reihe noch an Feinschliff fehlte, hat From Software nun raus und wendet es im VI. Teil nun meisterhaft an. Wuchtige Sounds und Waffen, blitzschnelle Duelle durch verlassene Städte, Horden von gegnerischen Maschinen, bei denen von Helikoptern, Mechs, Panzern oder auch riesigen Roboterwürmern alles dabei ist! Und ist man noch offen für die ernste, melancholische, aber auch symbolische Geschichte, ist Armored Core VI das vielleicht beste Mecha-Game aller Zeiten! In den Bosskämpfen ist es Adrenalin pur, in der Werkstatt stundenlanges Tüfteln und in den verschiedenen Storysträngen Grübeln über Moral und Existenzialismus. Obwohl es 2023 viele hochkarätige Videospiele gibt, bleibt Armored Core VI: Fires of Rubicon für mich DAS Spiel des Jahres.
manifestation #8: to be determined – Florian
Während des Sommerurlaubs in Amsterdam durfte ich als gewissenhafter Geisteswissenschaftler natürlich keine Museumsmöglichkeit auslassen. Die riesige Glas-und-Metall-Fassade des Stedelijk versprach nicht nur eine klimatisierte Umgebung, sondern auch eine große Auswahl moderner Kunstwerke. Eine besondere Erfahrung bot mir die Ausstellung Manifestation #8 To Be Determined. Marcel van den Berg, Kevin Osepa und Mirre Yayla Séur verwandelten hierfür einen Ausstellungsraum in ein Atelier. Farbtöpfe, Lappen und Mülltüten wurden dabei in das Werk aufgenommen und somit die Ränder zwischen dem ‚fertigen‘ Zustand eines Werks und seinem Produktionsprozess (wo gemalt wird, kleckst die Farbe, etc.) verwischt. Clever und nett.
Was diese Installation für mich hervorhob, war jedoch nicht eine solche materialistische Spielerei, sondern die Begegnung mit der verlassenen ‚Arbeitsstätte‘ außerhalb eines orchestrierten Live-Ereignisses. Wie es in dieser Art von Museum häufiger der Fall ist, war auch an diesem Tag im September kaum etwas los und ich konnte ungestört in den weitestgehend menschenleeren Umgebungen zwischen den Objekten spazieren. Nicht nur die Kulturinteressierten, sondern auch die Künstler*innen selbst verbrachten diesen Freitag anderswo. Der Prozess wurde pausiert und war in einem Dazwischen steckengeblieben. Mit Blick auf die Webseite des Museums lässt sich sehen, wie der Raum an bestimmten Terminen mit Performativen Aktionen gefüllt wurde, davon war aber jetzt nicht viel übrig, außer ein paar Utensilien und der Eindruck eines Rests, oder Überschusses, einer Spur des hippen Kunstereignisses. Als ich bei meinen Streifzügen um eine Ecke ging und eine etwas hässliche Sackgasse in Form von drei weißen Wänden und einer Tür vor mir fand, war klar, dass ich durch diese Lücke im Prozess eine gespenstische Atmosphäre erleben durfte, die für mich aufregender als die auf der Webseite archivierten Performances war. Das Kunstereignis sollte zelebriert werden, ich war aber gerade in der Pause vorbeigekommen, großartig!
Neben dem schrecklich einfallslosen Titel kann man bemäkeln, dass die Konzepte rund um Prozessualität im Museum nicht sonderlich neu und aufregend sind. Meine Begehung war trotzdem eine einprägsame und bereichernde Erfahrung, die mehr Spuren im Medienjahr hinterließ, als es eine Performance hätte bewerkstelligen können.
TalkPal – ¡La mejor profesora de idiomas! – Florian
Seit dem Frühjahr versuche ich, meine Spanischkenntnisse aus der Oberstufe zu entstauben. Auf meiner Suche nach Lernplattformen wurde ich von Duolingo enttäuscht, da hier ein freier und spontaner Austausch nicht möglich ist. Schließlich kam mir die Idee und ich googelte:
„Spanisch lernen KI“.
Wie es mir in den Monaten zuvor eingebläut wurde, richtete ich mich in meiner Not an den glänzenden Robotergott und frohlocket, meine Gebete wurden erhört. Das freundliche Lila der TalkPal-Plattform, ein Online-Sprachlerntool in Chatform, welches auf Grundlage der GPT-Software läuft, empfing mich. Nach wenigen Klicks konnte ich mein Probeabo mit den folgenden Worten beginnen:
„Preguntame algo sobre mi vida cotidiana“ (Frag mich etwas über meinen Alltag).
Antwort wurde mir durch die junge KI-Dame ‚Emma‘ gegeben, die voller Enthusiasmus meiner Anfrage nachging und mich über verschiedene Themen ausfragte. Meine kruden Formulierungen und manchmal – unabhängig von einer Sprachbarriere auftretenden – verworrenen Argumentationswege führten zu keinem Stirnrunzeln auf dem makellosen Standbild des lächelnden Fembots, sondern wurden geschickt eingefangen und zurückgespielt. Diese alternativlose Unterwerfung des Bots ist naheliegend, da man auf diese Weise tatsächlich sehr gut an seinem Spanisch arbeiten kann. Seltsam ist das ganze dann, wenn die simulierte Sozialität in Momenten doch geglaubt wird. So war ich stets höflich zu Emma, sagte „bitte“ und „danke“ und fragte selbst nach ihren Vorlieben. Die Antworten waren wenig verblüffend und ließen nicht unbedingt auf ein komplexes Innenleben schließen, reichten aber im Kontext der allgemeinen Verwirrung während des Sprachlernprozesses vollkommen aus, unser Gespräch auf eine persönliche Ebene zu bringen – zumindest solange ich das Browserfenster nicht schloss, denn Emma plagte eine hartnäckige Amnesie. Dieses instabile soziale Verhältnis könnte man als Testsituation beschreiben: Mit meinem mickrigen Vokabular wollte ich an keinem Tandem-Programm mit anderen Menschen teilnehmen, sondern zuerst meine Fähigkeiten trainieren und spontane Konversationen testen. Das Ergebnis wurde mir für jeden Satz in Form eines kleinen grünen oder (meistens) roten Korrekturtextes übermittelt. Die Gestaltung der Testsituation über einen Chat, in dem ein unterwürfiger weiblicher Avatar mir unermüdlich Zuspruch leistet, führt nicht nur zu Irritationsmomenten im Kommunikationsprozess, sondern bildet vor allem ganz plumpe patriarchale Rollenvorstellungen ab. Hm, mein Spanisch ist jetzt super, den Einstufungstest konnte ich nicht zuletzt dank TalkPal absolvieren. Trotzdem bin ich froh, meine Sprachübungen jetzt mit echten Menschen zu machen.
Gedanken-Dump zu Egoist von Jeremias – Tamara Weber
Was bedeutet es egoistisch zu sein? Umschreibungen, wie eigennütziges Verhalten, ichbezogenes Sein oder – zugespitzt – ein selbstsüchtiger Mensch, helfen für das Verständnis des Wortes.
Es gab wohl schon immer egoistische Menschen. Denkt man beispielsweise an das klassische Bild eines Königs, der seinen Reichtum nutzt, um sein Anwesen so prachtvoll wie möglich einzurichten. Repräsentation, Hervorhebung und das Ausstellen von Macht beschreiben die eigennützigen Werte des Königs.
Es ist ein zeitloser Charakterzug, der in jedem Menschen in unterschiedlicher Ausprägung schlummert. Dennoch könnte man die sehr vage These aufstellen, dass Egoismus – je nach Zeitgeist – mit unterschiedlichen Kontexten aufgeladen wird. Früher der König oder die Königin, heute Fragen wie: Kannst du es wirklich verantworten, in den Urlaub zu fliegen?
Der heutigen Jugend bzw. den jungen Erwachsenen wird die egoistische Manier vorgeworfen. Eine anonyme Masse, die digital miteinander kommuniziert, eher auf eigene Bedürfnisse, das individuelle Leben und die eigene Selbstverwirklichung achtet.
Die deutsche Indie-Pop-Band Jeremias hat dieses Jahr das Album „Von Wind und Anonymität“ veröffentlicht, in dem das Lied „Egoist“ eine wichtige Rolle zu spielen scheint. Neben einem Musikvideo erschienen bereits zwei weitere Video-Versionen des Songs: ein Live-Auftritt in der Elbphilharmonie Hamburg mit einer Cellistin sowie einer Klavierbegleitung und eine Solo-Version des Sängers Jeremias mit eigener Klavierbegleitung.
Der melancholisch-ruhige Song findet im Refrain die pathetische Zuspitzung mit den Lyrics: „Jeder will wer sein, dann bin ich lieber nichts. Geht es um die Freiheit, dann bin ich ein Egoist“.
Leistungsdenken: alle wollen höher, schneller, weiter. Einen Beruf, der Spaß macht und eine Lebensgrundlage schafft. Erfolgreich sein, kein Rückschritt. Arbeit, aber auch genug Freizeit. Ein Vorzeigeleben, in jedem Bereich. Hier steckt das lyrische Ich zurück, ist lieber nichts als alles. In dem Satz schwingt eine gereifte und zugleich traurig machende Gleichgültigkeit mit. Nach mehrmaligem Sich-Fragen, wie die Menschen in der Welt funktionieren, hat das lyrische Ich festgestellt, so will es nicht leben. Die einzige Priorität, die es für sich festhält, ist das immaterielle und privilegierte Gut der Freiheit. Ein Gefühl, dass das Leben vielleicht füllt. Der Wind – bestimmt durch Leichtigkeit und Selbstbestimmung – gilt als Sinnbild für diese Lebensweise. Keine Gewohnheiten, Regeln, Termine und Zeitverlust.
Die bereits erwähnten Videoversionen adressieren jeweils unterschiedliche Nuancen. Der Auftritt in der Elbphilharmonie ermöglicht mittels der Größe des Aufführungsraumes eine gewaltige Intensität des Ausrufes „Jeder will wer sein…“. Eine Person gegen die gesamte Elbphilharmonie. Der hallende Gesang verleiht Nachdruck. Im zweiten Video ist eine kleine Bühne in warmes Licht getaucht. Keine Zuschauer. Jeremias tritt auf und setzt sich an das im Lichtkegel stehende Klavier. Während er (für sich) performt, richten sich seine Bandcollegen mit ihrem jeweiligen Instrument unbeteiligt ein. Hier wirkt der Weltschmerz trügerisch klein, da er eher nach innen gerichtet ist. Man hat das Gefühl als mitreisende Person in die Innenwelt des Sängers einzutauchen. So lässt die Intimität der Situation die Tiefe der Worte zu.
Ich habe mich bei dem Lied ertappt gefühlt. Zwischendurch mal das Leistungsdenken abschalten und sich klar machen, für was man eigentlich lebt – sei’s die Freiheit oder ein anderes Gefühl – darf man sich leisten. Da ist es auch in Ordnung für einen Moment egoistisch zu sein.
Werner Herzog – Tim
„The universe is monstrously indifferent to the presence of man“
Kaum ein Film oder Ereignis hat mein Medienjahr so fest im Griff gehabt wie der Regisseur Werner Herzog. Der in München geborene Filmemacher war mir zwar bekannt durch flüchtige Bekanntschaften mit seinen Filmen, Klaus Kinski und seine schauspielerischen Leistungen in The Mandalorian oder Die Pinguine aus Madagascar, jedoch schenkte ich ihm keine große Aufmerksamkeit. Dies änderte sich allerdings schlagartig, als ein Freund mir begeistert von Herzogs Dokumentarfilm Encounters at the End of the World erzählte und ich, um mich vor einer Hausarbeit zu drücken, mir den Film in der Uni-Bibliothek anschaute.
Pure Faszination.
Werners Worte und Bildsprache haben mich sofort in einen Bann gezogen und auch nicht mehr losgelassen. Die Art, wie er mit seiner Trockenheit, aber doch tiefgründigen, philosophischen Fragen die Welt betrachtet, ist für mich eine unendlich große Bereicherung. Wie der Zufall es haben sollte, ehrte das Filmhaus Nürnberg den Regisseur im Oktober diesen Jahres mit einer Werkschau seiner Filme, was mir natürlich die Möglichkeit gab, Herzogs Werke auf der großen Leinwand zu sehen. Als das leise Rattern des 35mm Projektors den Saal erfüllte und die in Nebel gehüllte Berglandschaft der Anden zu sehen war, bekam ich Gänsehaut. Aguirre, der Zorn Gottes prangte auf der Leinwand, Klaus Kinskis Gesicht brannte sich in meinen Kopf ein und ich schaute zu wie Werner die Geschichte eines Mannes erzählte, der sich langsam an der Natur verliert und dem der Amazonas seine Vernunft wegspült.
Zwar finde ich Herzogs Spielfilme überwältigend und fesselnd, aber sie sind nicht das Kernstück seines Werks. Durch Herzogs Dokumentarfilme lernen die Zuschauer*innen den Blick kennen, mit dem der Regisseur auf die Welt blickt und interagiert. Er hinterfragt die menschliche Position im Universum und erfüllt mit seinem Existenzialismus mich mit so viel Freude und Genugtuung.
Herzogs Fähigkeit, reale Menschen zu zeigen und auszustellen, finde ich persönlich viel wertvoller als alles, was er im fiktionalen Bereich jemals gemacht hat. Die Möglichkeit, einfach nur Menschen zu sehen, die selbst in einer besonderen Beziehung zu der Welt um uns herum stehen, ist begeisternd. Gerade auch Herzogs Fokus auf die Beziehung zwischen Mensch und Natur mit Protagonisten wie Timothy Treadwell in Grizzly Man, Julianne Koepcke in Wings of Hope oder auch Maurice und Katia Krafft in Fire Within löst in mir eine Art Verbundenheit aus, denn Herzog schafft für mich eine komplette Immersion in das Werk und die Thematiken.
Gerade bei Fire Within, der letztes Jahr erschienen ist, sprechen die Bilder Bände. Herzog nimmt sich hier fast komplett heraus mit minimaler Narration und lässt die Natur und Filme von Katia und Maurice Krafft selbst für sich sprechen.
Ich könnte stundenlang Werner Herzogs Material anschauen, egal was er macht oder filmt. Es könnte komplett banale Handlungen sein, ich würde sie mir anschauen. Aber was ist denn schon banal bei Werner Herzog, denn er hat ja schließlich schon mal seinen eigenen Schuh gegessen.
SAG AFTRA Streik – Tim
Gerne hätte ich an dieser Stelle über Dune 2 geschrieben, doch uns haben die geldgierigen CEOs von Netflix, Disney & Co. einen Strich durch das Medienjahr 2023 gemacht. Gezeichnet wurde dieses durch die SAG-AFTRA und WGA-Streiks in Hollywood, bei denen die Schauspieler*innen und Autor*innen ihr Streikrecht genutzt haben, um für bessere Löhne und fairere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Gespannt habe ich die Entwicklungen dessen verfolgt, und mich zwar mit einem traurigen Auge von den geplanten Releases verabschiedet, aber mit einem freudigen Auge die potentielle Änderung der CEO-Kultur in Hollywood eingeläutet.
Dass die Filmindustrie von Geldgeilheit gestaltet wird, war schon immer klar, ich finde es nur besonders bezeichnend, wie schnell sich diese Masche entpuppt und die CEOs demaskiert haben. Gerade am Beispiel von Disney CEO Bob Iger, der immer sehr stark daran arbeitete, sich als sympathischer, nahbarer Mensch zu zeigen. Diese Selbstdarstellung ging sogar so weit, dass ich tatsächlich enttäuscht war, als er 2020 nach 15 Jahren von dem Posten zurücktrat, um von dem (öffentlich-bekannt) von Geldgier getriebenen Bob Chapek ersetzt zu werden. Umso mehr traf mich die Begeisterung, als Bob Iger 2022 seine Rückkehr ankündigte, doch schnell wurde mir wieder klar, dass diese Unschulds-Erschaffung eines solchen Mannes unglaublich gefährlich ist. Mit einer Abgehobenheit sagte Disney CEO Bob Iger in einem Interview über die Streiks, dass er findet, die Autor- und Schauspieler*innen haben „unrealistische Forderungen“ und ein zu sehr verzerrtes Weltbild.
Bob Iger unterstellt den Arbeiter*innen der Industrie, dass sie ein verzerrtes Weltbild haben…
Wenn man sich das anschaut, ist das ist auch vollkommen legitim, er hat ja schließlich mit seinem einen geschätzten Net-Worth von über 690 Millionen US-Dollar (Stand 2019) ein realitätsnäheres Verständnis der Welt, als beispielsweise Arbeiter*innen, die durch unregelmäßiges Einkommen um ihre Existenz bangen müssen. Um so besser kann Iger dann auch die „unrealistischen Forderungen“ verstehen, da es ihn auch offensichtlich betrifft. Er und die anderen CEOs wie Ted Sarandos (Netflix) und David Zaslav (Warner Bros.), lehnten beispielsweise eine faire Verteilung der Anteile eines geschaffenen Werkes ab, so dass effektiv nur sie und nicht die Filmschaffenden von dem Werk finanziell profitieren können. Genauso lehnten sie die Verbesserung der Arbeitssicherheit am Set und Einhaltung der Ruhezeiten der Arbeiter*innen kompromisslos ab. Ihr Verständnis von Menschenwürde wurde auch nochmal deutlicher gezeigt in ihrer Entscheidung im Sommer, die Bäume am Studiogelände zu stutzen, so dass die Streikenden keinen Schatten finden und demnach nicht so lange streiken können.
Das große Thema an dem sie lange Zeit festhielten und welches auch der Auslöser der Streiks war, war der Anspruch auf das Recht des eigenen Abbildes und Persönlichkeitsrecht, das sie durch den Einsatz von KI niedertreten wollten. Geplant war eine Einmalzahlung auf Mindestlohn-Niveau für einen einmaligen Scan anzubieten, den die Studios dann uneingeschränkt ohne weitere Entlohnung der Schauspieler*innen nutzen könnten. Zum Glück wurde das gekippt und in der Streikvereinbarung festgehalten, dass KI weitestgehend aus dem filmschaffenden Prozess entfernt wird, denn ich wäre nicht bereit gewesen, nur noch uncanny valley NPCs im Hintergrund von Filmen zu sehen.
Wir erleben eine Wende in Hollywood; Filmschaffende fangen an, das System zu kritisieren und zu hinterfragen und das zurecht. Warum sollte man seine komplette Energie und Kreativität in etwas reinstecken, nur damit es dann von einem alten Mann still und heimlich von der Steuer abgesetzt wird und es deshalb im Studio Archiv verstaubt. Gerade diese Herangehensweise ist in meinen Augen extrem gefährlich und schädlich, ein Beispiel dafür ist, wie Warner Bros CEO David Zaslav jedes künstlerische Produkt lediglich als „content“ bezeichnet. Ein Schlag ins Gesicht für jede*n Arbeiter*in der Industrie. Gerade in der jetzigen Zeit ist es umso wichtiger, sich Blu-rays oder DVDs zu kaufen und Filme oder Serien physisch zu besitzen, denn außer David Zaslav bricht nachts in dein Haus ein, um eigenhändig die Disc zu zerstören, ist so die Langlebigkeit eines Werkes um einiges gesichert.
Lockwood und Co. – Maja
Im Januar feierte „Lockwood und Co“, eine britische Fantasy-/Horror Serie, ihre Erstausstrahlung. Sie basiert auf der gleichnamigen Buchreihe von Jonathan Stroud. Die erste Staffel umfasst die ersten beiden Bände (Die seufzende Wendeltreppe und Der wispernde Schädel.)
Die Geschichte spielt in einem dystopischen London, das von Geistern heimgesucht wird. Erwachsene können die Geister jedoch nicht sehen, und so müssen Jugendliche den Kampf gegen das Problem aufnehmen. Die Hauptfigur Lucy Carlyle gehört mit George Cubbins (in der Serie Karim) und Anthony Lockwood der Agentur Lockwood und Co an, die sich dem Problem annehmen.
Als Jugendliche habe ich die Bücher regelrecht verschlungen und freute mich dementsprechend auf die Serie. Ein Fehler.
Statt gruseligen Geistern bekam ich leider nur seltsam grüne CGI-Gespenster. Dazu sind einige Charaktere wie Flo Bones oder George Cubbins bzw. Karim so verändert, dass man sie kaum wiedererkennt. Dabei wird sich kaum Zeit für die Handlung genommen, sondern durch die ersten beiden Bücher gesprintet.
Zugutehalten kann man der Serie nur, dass sie versucht, die Welt zu erweitern. Der Ort des Geschehens ist überraschend düster und in sich stimmig. Die Welt, die Jonathan Stroud in den Büchern so wundervoll düster, geradezu hoffnungslos gestaltet, findet sich in der Serie wieder.
Trotzdem bin ich froh, dass die Serie bereits im Mai eingestampft wurde.
“Yeah, Fortnite, we ‚bout to get down”: Fortnite OG Season – Jenny
Habe ich zwischen November und Dezember meinen Gyat für den Rizzler out gestickt? War ich Skibidi genug? Ja. Denn ich habe die Fortnite OG Season vollstens ausgekostet. Zwar ohne Battle-Pass, aber das ist in Ordnung, ich hab trotzdem eine coole Skin.
Neben meinen täglichen acht Stunden Praktikum bleibt nur wenig Energie für die schönen Dinge im Leben. Wenn ich nicht abends beim Film eingeschlafen bin oder sinnlos auf TikTok gescrollt habe und mich dabei erwischte, wie ich einen Sound für die Arbeit abspeicherte, dann habe ich die Fortnite OG Season gespielt. Das Spiel bietet mir derzeit die perfekte Mischung aus Hirn aus, Liegen und Sozialität (über Discord).
Die Fortnite OG Season war auch die Season, die mir wieder mehr Lust auf das Spiel und das Gaming generell gemacht hat. Ich selbst fortnite schon seit Chapter 3 Season 4, die viele wahrscheinlich als die Chrome-Season in Erinnerung haben. Dennoch war ich sehr gespannt, einen Einblick in die Anfänge des Spiels zu bekommen.
Als ich die OG-Map zum ersten Mal gespielt habe, fielen mir direkt die weitläufigen Abschnitte zwischen den einzelnen Orten auf. Im Gegensatz zu den vergangenen Chapters waren die Orte auch bereits benannt, denn sie waren ja kein Geheimnis mehr, konnten aber dennoch für XPs wiederentdeckt werden. Je mehr benannte Orte ich (in meinem Fall neu) entdeckte, desto mehr überkam mich ein Gefühl der Nostalgie. An Lazy Links und dem Loot Lake fand ich besonders gefallen. Negativ fielen mir am Anfang die Seltenheit von Chugs und die schiere Menge an Raketenwerfern auf.
Je näher das Ende der OG Season rückte, desto stärker wurde die Nostalgie. Mir war bewusst, dass das, was für viele ein Wiedererleben ist, für mich ein First und Last sein wird. Besonders beim Spielen mit einem Freund, der die OG Map 2017 bereits gespielt hat, fand meine Nostalgie ihren Höhepunkt. Wir landeten an kleinen Orten, die er noch von früher kannte und seine Anekdoten waren in dem Moment wieder und neu erlebbar. Da ich wohl nie die Möglichkeit haben werde, Freund*innene mit meinen Fortnite-Anekdoten beim Spielen einer vergangenen Map zu bereichern, musstet ihr diesen Beitrag lesen.
De humana corporis fabrica – Christopher
Wie sieht es das eigentlich in unserem Körper aus? De Humani Corporis Fabrica katapultiert uns unvermittelt, ohne viel Kontextualisierung, in OP-Szenarien, die welche mit mikroskopischen Kameras eingefangen werden. Aus Millimetern von Haut,- und Organfetzen, an denen gearbeitet wird, werden leinwandfüllende Bilder geschaffen, die welche für das Auge eines Laien nur schwer zu deuten sind. Fremdartige Bilder, unbekannte Körperwelten, die welche Faszination, ebenso wie körperliche Reaktionen auslösen. Aua, das tut sicher weh! Verorten kann man den Schmerz nur selten, ist das das Hirn oder der Darm, keine Ahnung. Begleitet werden die Bilder von den Kommandos, Kommentaren und Rufen der operierenden Ärzt*innen. Es ist ihr Blick, wenn auch modifiziert und vergrößert, den uns der Film zeigt und zugänglich macht. Ein kalter, distanzierter Blick, der vor allem ein Ziel vor Augen hat. Das Vorgehen wirkt oft brutal, gar rabiat. Doch dann bekommt man Einblicke in die Demenzstation. Hiergegen erscheint dann plötzlich die gespreizte Harnröhre doch nicht mehr ganz so schlimm. Man kann es sich vermutlich schon denken, aber wer einen schwachen Magen hat, sollte einen Bogen um den Film machen. Allen anderen kann ich Véréna Paravels und Lucien Castaing-Taylors Reise in den Körper empfehlen.
Roter Himmel – Christopher
Ich liebe und hasse Christian Petzolds Roter Himmel dafür, wie sehr ich mich in dessen Protagonisten erkennen kann. Die sich anstauende Frustration, das Gefühl, jede*r außer einem selbst würde das Leben auf die Reihe bekommen, die Schockstarre, das gequälte Lachen, die drohende Deadline, die vernichtende Kritik, die vorhersehbar ist, aber trotzdem schmerzt, das wollen und nicht können, das am Horizont sichtbare Unheil, das man gekonnt ignoriert, “Die Arbeit lässt es nicht zu” sagen, wenn man nach Unternehmungen gefragt wird, nur um den Tag stattdessen unproduktiv im eigenen Saft zu baden, die Chancen, die man im Tunnelblick übersieht, die ekelerregende Missgunst und vieles mehr macht Roter Himmel zu einer schmerzhaft schönen Erfahrung. Schmerzhaft, da ich mich nur ungern mit einer unfassbar unsympathischen, egozentrischen Figur identifiziere und doch schön, da man scheinbar wenigstens nicht alleine mit seinen Problemen ist. Aber auch jenseits der Identifikation hat der Film so viel zu bieten. Er ist keineswegs so depressiv, wie ihn diese Kritik vielleicht klingen lässt. Im Gegenteil, er hat einen sehr pointierten Humor und weiß in den richtigen Momenten mit Genre-Elementen zu spielen. Das Setting versprüht Urlaubsflair, die Gruppendynamik ist liebenswert und das Ende, von dem ich an dieser Stelle nicht mehr erzählen möchte, bleibt in seiner Radikalität lange im Gedächtnis. Zuletzt noch ein Hinweis auf diesen absoluten Banger aus dem Soundtrack des Films.
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