Wir alle kennen das: Gerade unterhält man sich noch mit Freunden über eine Serie und auf einmal ist es passiert: Du wirst gespoilert. Na toll! Jetzt kann man es sich auch komplett sparen, die Serie weiter zu schauen! Doch ist dem wirklich so? In diesem Artikel möchte ich euch einige Denkanstöße liefern, warum Spoiler eigentlich gar nicht mal so schlimm sind.
Hierzu möchte ich euch zunächst zu einer kleinen Zeitreise einladen. Erinnern wir uns zurück an unsere Kindergarten- und Grundschulzeit. Wir stehen auf dem Pausenhof und unser bester Freund rennt enthusiastisch auf uns zu. Mit leuchtenden Augen erzählt er uns, dass er gestern Abend das erste Mal Star Wars gesehen hat. Er beschreibt uns in allen Einzelheiten, warum ihm der Film so gut gefallen hat und sagt uns, dass wir ihn unbedingt auch mal sehen müssen. Wie reagieren wir? Sagen wir ihm, dass das alles total super klingt, oder weisen wir ihn darauf hin, dass er uns den Film durch all die Vorabinformationen versaut hat? Zurück in der Gegenwart stelle ich nun die Frage: Was hat sich in der Zwischenzeit verändert? Ist ein Film weniger sehenswert, nur, weil wir wissen, was geschehen wird? Warum sagen wir „Jetzt muss ich es nicht mehr sehen?“ und nicht „Wow, das muss ich unbedingt mit eigenen Augen sehen!“? Ich zum Beispiel wäre in meiner Jugend nie auf die Idee gekommen, Silent Hill 2 zu spielen. Die Grafik war meinem damaligen Ich zu veraltet und auch das Gameplay entsprach nicht meinen Vorlieben. Doch als ich im Internet von der grandiosen Story und all ihren Wendungen las, verspürte ich plötzlich doch das Bedürfnis, diese Erfahrung am eigenen Leib zu erfahren.
Ein weiterer Punkt, den wir bedenken sollten, ist, dass wir nur selten das Ausmaß eines Spoilers begreifen können. Hierzu möchte ich auf einen der bekanntesten Spoiler der letzten Dekade eingehen: „Snape tötet Dumbledore“. Ich möchte nicht so tun, als ob ich nicht absolut entrüstet gewesen wäre, wenn mir jemand Dumbledores Tod gespoilert hätte, aber bei genauerem Betrachten ist dieser Spoiler gar nicht mal so schlimm. Nach dem Lesen von Harry Potter und der Halbblutprinz konnte niemand wissen, welche Konsequenzen diese Wendung hat. Erst nachdem man den finalen Band gelesen hat, kann man das Geschehene verstehen. Mit dem nun erlangten Wissen erscheint das vergangene Ereignis schon fast wie eine Nebensache. Das Wissen, was Snape tut, ist ohne das Wissen, warum er es tut und was dem folgt, gar nicht mal so viel wert. Selbiges lässt sich auf diverse Ereignisse in Game of Thones übertragen.
Aber für den Fall, dass es tatsächlich jemand gewagt haben sollte, das endgültige Ende eines Filmes verraten zu haben, möchte ich nun zeigen, dass sich das vorherige Argument auch komplett umdrehen lässt. Was ist schon das Wissen über das Ende eines Werkes wert, wenn man all die wunderbaren Momente, die auf dieses Ende hingeführt haben, verpasst hat. Aber anstatt diesen Punkt weiterhin mit meinen eigenen dilettantischen Wörtern zu umschreiben, zitiere ich an dieser Stelle lieber Stephen King:
„You are the grim, goal-oriented ones who will not believe that the joy is in the journey rather than the destination no matter how many times it has been proven to you. You are the unfortunate ones who still get the lovemaking all confused with the paltry squirt that comes to end the lovemaking (the orgasm is, after all, God’s way of telling us we’ve finished, at least for the time being, and should go to sleep). […]
I hope most of you know better. Want better. I hope you came to hear the tale, and not just munch your way through the pages to the ending. For an ending, you only have to turn to the last page and see what is there writ upon.“ Stephen King – The Dark Tower VII – The Tower
Immer noch nicht überzeugt? Dann möchte ich euch Folgendes fragen: Wisst ihr überhaupt, wie oft ihr gespoilert werdet, ohne dass ihr es überhaupt mitbekommt oder ihr euch wissentlich darauf einlasst? Nehmen wir zum Beispiel das Marvel Cinematic Universe (MCU). Es ist bereits jetzt bekannt, welche Filme Marvel in den nächsten Jahren veröffentlichen wird. Daraus kann man ohne weitere Probleme schließen, welche Charaktere die folgenden Filme sicherlich überleben werden.Wo bleibt denn da eure Spannung? Und von Trailern will ich gar nicht erst anfangen. Wie oft habt ihr euch schon sagen gehört: „Der Trailer erzählt bereits den kompletten Film!“ und habt ihn danach trotzdem gesehen. Und wenn der nächste Trailer erscheint, beginnt der ganze Spaß von vorne. Täglich grüßt das Murmeltier.
Wie viele von euch waren schon in Foren zu spezifischen Themen unterwegs und dann auf einmal verwundert, dass in diesen Foren tatsächlich über besagtes Thema geredet wird? Wenn Spoiler wirklich so schlimm wären, wie der eine oder andere meint, so müsste man doch eigentlich meinen, dass sich ein solches Verhalten nach kurzer Zeit einstellen würde, oder?
Dieser Artikel mag zuweilen etwas harsch klingen, doch genau das sollte eigentlich zeigen wie sehr es mir am Herzen liegt, Menschen für dieses Thema zu sensibilisieren. Ich möchte mich offen mit anderen Menschen über ein Thema austauschen können, ohne dabei Rücksicht auf ein scheinbar sozial genormtes Schweigegelübde nehmen zu müssen. Zwar habe ich in diesem Artikel unter anderem auch versucht die positiven Aspekte eines Spoilers aufzuzeigen, jedoch möchte ich an dieser Stelle auch loswerden, dass es mich genauso wie euch stört gespoilert zu werden. Was mich jedoch genau so sehr stört ist euer Umgang und eure übertriebene Reaktion auf Spoiler.
TL;DR: Ein Spoiler ist kein Weltuntergang!
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