Liebes WordPress-Dokument,

ich habe heute einen Film geschaut. Er hieß Love Exposure, ist Japaner und schon 8 Jahre alt (also aus 2008)!! <3<3<3 Und der war einfach 4!!!! epische Stunden lang. Hallo?! Wie cool ist das denn? Und sein Vater heißt Sion Sono und ist von Beruf Regisseur. Toll 🙂 ich mag Filmemacher *kicher*.

Es geht eigentlich grob darum, dass sich ein Priestersohn (Yu) in seine zukünftige Stiefschwester (Yoko), die Tochter der neuen Frau seines verwitweten Vaters, verliebt. Und als Antagonist kommt noch eine religiös-fanatische Sekte mit ins Spiel.

Genau, das war grob. Was jetzt kommt, könnten Spoiler sein. Aber wer sich schon davon abschrecken lässt, hat Film nie geliebt. Wobei das auch drastisch ist. Zumindest sollte man daran nicht festmachen, ob man einen Streifen nun schaut oder nicht. Also:

Yu’s Mutter stirbt. Kurz vor ihrem Tod rät sie ihrem Sohn, seine persönliche Jungfrau Maria zu finden. Der Gedanke wird noch wichtig. Sein Vater wird, eventuell in Gedenken an seine gläubige Frau, katholischer Priester. In seinem Amt und seiner Erziehung wird er nach einer gescheiterten Liebschaft bald radikal; Yu muss jeden Tag beichten gehen und erfindet auch gerne Mal die ein oder andere Sünde, um seinen Vater zufrieden zu stellen. Doch das Lügen wird ihm bald zu anstrengend, und so beschließt er, sich einer Jugendgang anzuschließen und bewusst zu sündigen. Dazu lernt er kämpfen und stehlen, aber die wirklich interessante Sünde ist das „Tosatsu“, die japanische „Kampf“-Kunst, Damen unter ihren Rock zu fotografieren. Mit akrobatischen Einlagen, Taschenspielertricks und technischen Spielereien, versteht sich. Und darin ist er so gut, dass er „König der Perversen“ genannt werden kann. Daraufhin lernt er die Oberschülerin Yoko kennen und verliebt sich sofort in sie. Das einzige Problem: Nach einer verlorenen Wette trifft er sie nur als Frau verkleidet an. Das ist ihm natürlich peinlich, aber zu erkennen gibt er sich nicht. Durch einen erzählerischen Ausflug erfahren wir mehr über Yoko. Auch ihr Vater ist kein guter. Zahllose Frauengeschichten und eine Begierde seiner eigenen Tochter gegenüber lassen Yoko zu einer militanten Männerhasserin werden. Parallel tritt noch die Sekte der Zero Church, angeführt von der sehr verstörenden Aya, auf die Bildfläche. Diese ist auf Missionier-Mission und heckt einen perfiden Plan aus, um die neu formierte Familie zu entführen. Von diesem Punkt an wird für Yu alles nur noch schlechter.

Das ist ungefähr das Setup. Man muss ja nicht unbedingt alles verraten. Aber weitere Spoiler können nicht kategorisch ausgeschlossen werden. Ist halt so. Sorry not sorry.

Aber wie ist denn nun dieser vierstündige Epos? Gut? Schlecht? Zeitlos? Langweilig? Kurzweilig? Witzig? Traurig? Eklig? Schräg?

Ja zu allem!

Ganz einfach.

Wenn du aber nicht einfach nur darauf vertraust, habe ich natürlich auch ein paar Begründungen parat:

Da es den Film in Deutschland nur in OmU gibt, ist das natürlich nichts für Lesemuffel. besonders nicht für 4 Stunden. Ich kann es immer nur wieder betonen, der Streifen ist echt lang. Außerdem wird man natürlich gerne mit Untertiteln von den Bildern abgelenkt, was sehr schade ist. Der Film ist nämlich eine pure Spielwiese für Kameramann und Regisseur. Mal wird sehr lange drauf gehalten, mal exzessiv geschnitten. Entweder ist kein definitiver Stil der Stil, den der Regisseur bevorzugt, oder die Kinematographie hat sich einzelnen unterschiedlichen Stimmungen und Situationen angepasst. Wahrscheinlich sogar beides. Außerdem ist die Filmmusik sehr interessant gewählt. Beethovens siebte Sinfonie oder Ravels Boléro fügen sich in die Szenen gut ein. Die Musik schafft damit bei manchen Szenen eine Diskrepanz zwischen dem, was man sieht (Jugendliche, die Schulmädchen unter den Rock fotografieren), und dem, was man hört (viel Pathos). Manche Momente sind wirklich herrlich absurd und könnten sogar in die Kategorie verstörend passen. Komischerweise fehlt es nicht an Gewalt. Blut wird hier sehr spritzig eingesetzt, was leicht grotesk wirkt, wenn man sich die verschiedenen ernsten Themen des Films vor Augen führt.

Apropos Themen. Wie so viele Filme hat auch dieser hier einen Mehrwert und eine gewisse Substanz. Das ist es ja auch, was ein gutes Kunstwerk ausmacht. Meine ich zumindest.

Wie bei so vielen anderen Werken, ist auch hier der Titel wichtig. „Love Exposure“/“Ai no Mukidashi“, zu deutsch: Entblößung der Liebe. Oder Belichtung der Liebe. Liebe ist nun einmal entblößend, gerade wenn es darum geht, sich einem anderen Menschen so darstellen zu wollen, wie man ist. Völlig transparent. Durch diese Transparenz kommen dann aber auch eventuell Dinge ans Tageslicht, die nicht jedem Gefallen. Aber gerade dieses Verschrobene und Merkwürdige macht einen Menschen, und somit auch die Liebe aus. Zu sehen am Beispiel des Yu, der von seinem Vater, seinem Schwarm und dem Großteil der Gesellschaft für seine Perversion geächtet wird. Doch am Ende ist es genau diese Individualität, welche die zwei Liebenden zusammenführt. Also: embrace the weirdness! Es werden aber auch noch andere Aspekte der Liebe belichtet/beleuchtet. Beispielsweise die Gewalt oder die Macht, die Liebe über einen hat. Dabei ist die Frage wichtig, wie weit man dafür geht. Yu verliert dabei seinen Verstand. Liebe ist also nicht nur etwas gutes, man kann auch emotional daran zugrunde gehen, wird sie Beispielsweise nicht erwidert. Liebe ist also auf jeden Fall gefährlich. Das Risiko ist sie aber allemal wert.

Des Weiteren werden Väter oder im allgemeinen Männer als Feindbild dargestellt. Sie sind gewalttätig, sowohl körperlich als auch emotional. Das äußert sich bei Yu in der Misshandlung durch ständiges beichten und darauf folgende Schläge. Bei Yoko die ein- und ausgehenden Frauen des Vaters, gefolgt von der Beichte, er wolle eigentlich nur sie. Und Aya schneidet ihrem Vater seine Erektion ab, während er nach einem Hirnschlag im Koma liegt. Irgendetwas ist bestimmt vorgefallen. Jedenfalls wird auch die Beziehung zwischen Yu und Yoko verkompliziert, dadurch dass Yu ein Mann ist. Sie hat sich nämlich vorher in Yu als Frau verkleidet verliebt.

Durch diese homosexuellen Gefühle wird auch wieder das Thema Perversion aufgegriffen. Aber selbst die Perversen haben in diesem Universum das Verlangen und vor allem das Recht auf die Liebe. Man solle sich nicht für seine Liebe, seine Perversion, ja nicht mal für seine Erektion schämen. Du bist so wie du bist.

In diesem Sinne: Im Namen des perversen Vaters, des perversen Sohnes und des perversen Geistes. Amen.