Gar nichts. Und das ist auch gut so. Die Produktionsgesellschaft El Niño, über die man im Netz nicht wirklich mehr erfährt, als dass unter ihrer Flagge Regisseure und andere Kreative Musikvideos, Werbespots und alle im Zeitalter des Web 2.0 neu entstandenen Formate erschaffen, ist einen Inspiration bringenden Blick wert. Denn das von ihr betreute Werk ist weit origineller und innovativer als Yachten vor Mallorca und Performances vor weißem Hintergrund.

Musivideos sind das Gros der auf der Website präsentierten Arbeiten. Musikvideos als Verbindungspunkt von Kunst und Kommerz. Als kreativer Richtungszeig für zukünfige Tendenzen einer Ästhetik, die dann in der Werbung und dann irgendwann auch im Kino anzutreffen ist. Vielleicht weil hier die Zeit ihren Stil finden kann oder vielleicht einfach nur, weil die Leute, die mit innovativen Musikvideos angefangen haben, unweigerlich irgendwann ebenfalls in der Werbung aktiv sind und später immer öfter die nächste Generation in Hollywood darstellen. The Gift von Werbefilmer Carl Erik Rinsch wurde an dieser Stelle vor kurzem in höchsten Tönen besprochen – sein nächstes Projekt ist der Samurai-Film 47 Ronin, ehe er vermutlich die Neuauflage von Logan’s Run inszenieren wird. Das Alien-Prequel wird er nun wohl doch nicht machen…

Es gibt also eine lange Verbindungslinie vom kleinen Musikvideo zum großen Hollywoodfilm. Oder wie man auch sagen könnte: Von der originären Kreativität zur kommerzialisierten Ästhtetik.

Kreativität – ein letzter Umweg sei noch einmal gestattet – ist der Grund warum man glaubt, in den Medien arbeiten zu wollen und zugleich eben genau jenes, das man bei einem Blick auf die Musikvideokultur, repräsentiert auf den Musiksendern und den Chart-Videos zeigenden Internetseiten, meistens nicht findet. Die romantischen Bergkulissen ‚Mallorkas’ wurden schon angesprochen und die vermutlich auch aus finanzieller Knappheit entstehenden Performances vor einem, banal herausgekeyten, weißen Hintergrund sind ebenfalls schon lange nicht mehr, was den Begriff Kreativität mit Bedeutung füllt. Lady Gagas Videos sind filmisch aufwendig, doch gelten sie eben mehr der Inszenierung der Figur dahinter. Vom einstigen Prodigy-Video „Smack My Bitch Up“ Jonas Akerlunds und seinen heutigen, an dieser Stelle schon einmal besprochenen Gaga-Videos ist es ein weiter Weg. Nicht, dass alle so beschworene Kreativität verloren gegangen sei, doch die vermeintliche Freiheit verschwindet hier im langen Schatten des Medienkonzepts einer Figur.

Und endlich: El Niño

Mainstream und das Prädikat ‚künstlerisch wertvoll’ müssen sich natürlich nicht widersprechen und so sind genauso natürlich die bekanntesten Regisseure El Niños verantwortlich für Werbeclips großer Konzerne oder beispielsweise Madonnas „4 Minutes“-Video. Eine größere mediale Aufmerksamkeit – zumindest wenn man regelmäßig die RTL2-News schaut, sollte es einem aufgefallen sein – erlangte vor kurzem auch das skandalumwitterte Video „Born Free“ von M.I.A., das sehr bald schon auf YouTube gesperrt wurde. Polizeiliche Gewalt gegen eine rothaarige Minderheit kann als Inhaltsangabe reichen. Neben den provozierenden Gewaltdarstellungen macht der für den Regisseur Romain Gavras typische Inszenierungsstil, insbesondere die filmische Rhythmik korrespondierend zur Musik, das Video zu mehr als einem nach Aufmerksamkeit schreienden Schlachtfest.

Interessant ist die Produktionsfirma auch deswegen, weil der wesentliche Teil der auf der blog-mäßig aufgebauten Seite gezeigten Musikvideos Bands und Künstler von etwas jenseits der Top20-Charts repräsentiert. Musikalisch sind also ebenfalls Neuentdeckungen möglich. MGMT, Miike Snow, Yeasayer seien stellvertretend genannt und ein Video letzterer Band, um die Kategorie ‚innovativ’ abzudecken. Zu „Ambling Alp“ hat der Regisseur Radical Friend eine interaktive Version gedreht, in der die Kamera mit der Maus steuerbar ist.

Animation und Digital Film Design werden in allen Medienprodukten immer selbstverständlicher, sogar bis zur Uni Bayreuth hat sich das ja mittlerweile herumgesprochen. Auch die auf elnino.tv vorgestellten Arbeiten zeugen natürlich vom erschreckend spielerischen Umgang mit den Möglichkeiten in der digitalen Postproduktion bzw. im Bereich des Mediendesigns. Von der klassisch gezeichneten Animation über die „Desperate Housewives“-Titelsequenz bis zur vollständig digital implodierenden Welt ist alles vorhanden. Aber bleiben wir der Einfachheit halber für das Beispiel bei einem Musikvideo:

„El Niño“ bedeutet in der spanischen Sprache ‚das Kind’. Was genau sich nun die Schöpfer der hier vorgesellten Produktionsgesellschaft dabei gedacht haben, lässt sich nicht genau zurückverfolgen. Fakt aber ist, dass sich hier der Spross einer gegenwärtig und zukünftig relevanten Ästhetik und Kreativität zeigt, die weit mehr auszusagen vermag als „Sweat (A La La La La Long)“

www.elnino.tv