Am Pfingstwochenende fand auch dieses Jahr wieder die Dokomi statt. Mit rund 70.000 Besucher*innen ist sie Deutschlands größte Convention rund um alles, was mit Anime, Manga, Games, Cosplay und Japan zu tun hat. Neben professionellen Ausstellern, wie Manga-Verlagen und Anime-Publishern, ist die Dokomi auch bekannt für ihre große Artist Alley. Ganz nach dem japanischen Vorbild Comiket (Dokomi ist abgekürzt für Doitsu Komikku Maketto – deutscher Comic Markt), die ebenfalls für ihr großes Angebot an Doujinshi – von Fans gezeichneten und herausgegebenen Comics – bekannt ist, können hier Künstler und Künstlerinnen ihre Werke direkt verkaufen. In der diesjährigen Artist Alley boten über 750 Ausstellende, die teilweise extra aus Ländern wie den USA, Japan, Spanien und Frankreich angereist waren, ein buntes Sortiment und große Auswahl von Comics, über Poster bis hin zu Pins, Plüschtieren und selbstdesignter Kleidung an – gemacht von Fans für Fans. Doch wie schafft man es überhaupt, hier zu verkaufen und wie bereitet man sich darauf vor?
Wir haben für euch mit der Künstlerin und Cosplayerin Newtise über ihre Vorbereitung, das Behind the Scenes auf der Con und allgemein über Anime Conventions in Deutschland geplaudert!
Hallo Newtise, stell dich doch mal bitte kurz vor
Hi, ich bin Newtise, ich bin 22 Jahre alt, Sternzeichen Waage und komme aus der Nähe von Frankfurt. Aktuell bin ich hier auf der Dokomi und habe einen Künstlerstand, wo ich meine selbstgezeichneten Bilder und andere Waren zum Verkauf anbiete und ausstelle.
Was genau bietest du an?
Vor allem selbstgezeichnetes Merchandise, Original Artwork und auch Fan Artwork von Postern, bis Buttons über Schlüsselanhängern und auch Notizheftchen – alles Mögliche! Außerdem biete ich von meiner Mama genähte Taschen und Geldbeutel in ihrem Auftrag an meinem Stand an.
Wie bist du dazu gekommen auf Cons zu verkaufen? Wie lange machst du das schon und auf welchen Cons warst du bisher?
Da muss ich ein bisschen weiter ausholen – ich bin schon seit 2012 als Besucherin und Cosplayerin auf Anime-Conventions unterwegs, und war auch 2012 tatsächlich auf meiner ersten Dokomi, wo ich zum ersten Mal mit Künstlerständen und Artist Alleys in Kontakt gekommen bin. Da ich schon immer sehr gerne gezeichnet habe, kam bei mir relativ schnell der Wunsch auf, so etwas auch mal zu machen. Vor circa vier Jahren habe ich mich dann das erste mal auf einer Con beworben, dem Cosday in Frankfurt. Ich habe mich damals mit nur drei Bildern nur wenige Tage vor der Deadline auf gut Glück und mega nervös beworben. Das hat damals dann natürlich leider nicht geklappt und ich wurde nicht angenommen. Danach habe ich mich 2019 auf die Dokomi 2020 beworben, wurde dort auch angenommen, dann kam aber Corona, die Dokomi wurde von Pfingsten auf September verschoben und ich habe mich dann entschieden, mit meinem Tisch bis 2021 zu warten. Also war meine erste Convenion als Artist die Dokomi 2021. Das hier ist somit meine zweite Convention, auf der ich als Artist ausstelle.
Wie läuft die Vorbereitung auf so eine Con ab? Wie lange im Voraus muss geplant werden und worauf muss man besonders achten?
Generell hat die Vorbereitung verschiedene Phasen. Als kreativer Mensch arbeitet man eigentlich irgendwie immer an neuen Ideen für Merchandise, man zeichnet ja generell viel nebenbei und manchmal denkt man sich dann: “Oh ja, das wäre ‘ne coole Merch-Idee!”, die man dann für Postkarten, Buttons und so weiter verwenden kann.
Für Conventions ist das Anmelden seine eigene Phase, man schaut was stattfindet und muss dann Bewerbungsfristen im Blick behalten. Teilweise sind die bis zu einem halben Jahr im Voraus, manchmal aber auch nur ein paar Monate, das ist je nach Convention unterschiedlich. Zur Bewerbung schickt man seine Social-Media-Kanäle oder ein Portfolio ein, damit sich die Veranstalter*innen ein Bild vom eigenen Angebot machen können. Danach werten die Conventions die Bewerbungen aus und man erfährt nach 2-4 Wochen, wie das Urteil ausfiel. Absagen kann durch verschiedene Gründe bekommen: die Artist Alley kann schon voll sein, die eigenen Werke können nicht dem entsprechen, was die Veranstalter*innen suchen, oder sie haben bereits mehrere Künstler*innen, die ähnliche Sachen anbieten. Im Idealfall bekommt man natürlich eine Zusage, in der Regel wird auch erst dann die Standgebühr fällig.
Und dann fängt die Vorbereitungsphase an, in der man sich um sein Warenlager kümmern muss. Hier sind Deadlines auch sehr wichtig, weil verschiedene Produkte unterschiedlich lange Vorlauf brauchen. Ein Print zum Beispiel braucht im Druck in der Regel eine Woche, man sollte sich aber zwei Wochen nehmen. Also spätestens zwei Wochen vor der Convention sollten alle Drucke für Poster in Auftrag gegeben sein, wenn der Hersteller in Deutschland sitzt. Bei Sachen die im Ausland hergestellt werden, wie zum Beispiel Schlüsselanhängern, sollte man mindestens einen Monat vor der Convention alles bestellt haben, damit genug Zeit für Druck, Versand und Zoll vorhanden ist. Gerade bei der Dokomi muss man auch bedenken, dass viele asiatische Länder im Mai die Golden Week, also eine Woche voller Feiertage, haben. Dadurch verliert man quasi eine Woche.
Auch wichtig ist natürlich die Planung von Anreise und ggf. Übernachtung zur Con. Für mich persönlich wichtig ist es auch, eine Woche vor der Convention meinen Standaufbau zu üben, das heißt ich schaue nach, wie groß die Tische auf der Convention sind, kleb mir die Maße auf meinem Boden ab und baue meinen kompletten Stand einmal auf, um zu testen, was wo und wie Platz hat. Das Ganze fotografiere ich dann und dann ist der Aufbau auf der Convention selbst 10x schneller, weil ich genau weiß, was wohin muss.
Wie entscheidest du was in dein Sortiment kommt? Persönliche Bezüge zum verkauften? Gibt es Produkte, die sich besonders gut verkaufen / für die du bekannt bist? ist es dir eher wichtig Sachen zu produzieren, die aktuell populär sind oder die dir persönlich am Herzen liegen?
Generell ist meine Faustregel, dass nur Sachen in mein Sortiment kommen, hinter denen ich als Künstlerin auch stehe, und bei denen ich auch mit meiner Arbeit zufrieden bin. Ich merk selbst, dass, wenn ich in die Con Crunch Phase komme, ich mir öfter denke “ich brauch noch mehr Designs, mein Stand ist leer, oh Gott was mach ich”, dann bin ich oft dazu verleitet was ins Sortiment zu nehmen, das ich irgendwann mal gezeichnet habe, um das Inventar aufzustocken. Aber ich merke dann auch selber, dass ich die Zeichnung gedruckt nicht mehr ausstehen kann, und mich frage, warum ich das gemacht habe. Das kann ich wirklich nicht empfehlen. Ich rate wirklich nur das zu verkaufen, mit dem man auch 100% zufrieden ist. Denn wenn man seine Sachen verkauft fühlt es sich so an als würde man kleine Teile von sich selbst in die weite Welt hinausziehen lassen, und da möchte ich schon stolz darauf sein können.
Besonders gut verkaufen sich gerade meine Buttons, insbesondere meine original Designs der “be gay, commit crime” Wurm Pin und ein Design mit einem Frosch. Die Buttons haben sich aber allgemein gut verkauft. Wir stellen die Buttons nach Kundenwünschen (Motiv, Folie und Backing) direkt am Stand her, das ist natürlich etwas Besonderes, das Leute fasziniert.
Damit hatte ich nicht gerechnet, denn ich habe diese Convention eigentlich sehr viel auf Genshin Impact Fanart gesetzt, weil das in den letzten Jahren weggegangen ist wie geschnitten Brot, und jetzt haben sich meine kleinen Joke-Button-Designs deutlich besser verkauft.
Insgesamt schaue ich schon, was aktuell populär ist und was sich gut verkaufen könnte, aber ich versuche nur für Fandoms zu zeichnen, an denen ich auch aktiv Spaß habe únd teilhabe.Ich habe momenat viel Genshin Impact an meinem Stand, aber halt auch weil ich das Spiel selbst sehr gerne mag. Von anderen aktuell populären Sachen, wie zum Beispiel My Hero Academia oder generell Shonen-Anime, habe ich halt gar nichts da, einfach weil die mich auch nicht interessieren.
Wie läuft so ein Con-Wochenende für dich ab? Wie unterscheidet es sich von einem “normalen” Conbesuch?
Die Anreise erfolgt etwas früher als normal, da man am Nachmittag vor der Convention schon seinen Stand aufbaut. Am Abend mache ich dann einen Großeinkauf, um genug Proviant für die kommenden Conventiontage zu haben, denn auf der Convention hat man in der Regel nicht genug Zeit um den Stand für längere Zeit zu verlassen. Neben der früheren Anreise, reist man natürlich auch erst später ab, da man den Stand auch noch wieder abbauen muss. Auf der Convention selbst kann man mit dem Ausstellerticket teilweise Warteschlangen umgehen, zum Beispiel am Klo, und hat Zugang zu den besser gelegnenen und ruhigerem Ausstellerparkplätzen. Und man kommt natürlich schon vorher und ohne Warteschlange aufs Gelände. Aber das braucht man auch, denn der Stand muss ja besetzt sein.
Ein großer Unterschied zu einem normalen Conbesuch ist natürlich, dass man sozusagen ein Basecamp hat, an dem man seine Sachen lagern und sich mit Helfern und Freunden dort treffen und abhängen kann. Was mir auch besonders gut gefällt ist, dass man viel vom Behind the Scenes der Convention mitbekommt, also man sieht wie die großen Stände und Dekoration aufgebaut werden. Außerdem kommt man oft mit Helfenden und Orga ins Gespräch und freundet sich mit den Leuten an. Gerade auch in der Artist Alley, wo man normalerweise kaum Zeit hat sich in Ruhe umzusehen, kann man vor allem vor und auch nach den Öffnungszeiten schon rumgehen, einkaufen und mit anderen quatschen kann. Und es kann natürlich auch hilfreich sein, seine Standhelferin genau zur Eröffnung loszuschicken um limitiertes Merchandise zu kaufen 😉
Ansonsten ist es auch praktisch sein Cosplay einfach ausziehen und hinter dem Stand lagern zu können. Und es macht jede Menge Spaß, die vielen Cosplayer direkt an sich vorbeilaufen zu sehen, ein erste Reihe Platz quasi.
Hast du irgendwelche Stories, die dir an deinem Stand passiert sind?
Eine lustige Geschichte war auf meiner ersten Convention, da habe ich mir meine eine Standnachbarin gewünscht, die kannte ich also. Auf der anderen Seite war eine mir bis dahin noch unbekannte Künstlerin, wir kamen ins Gespräch und haben uns gut verstanden. Am Ende stellte sich heraus, dass sie nur 15 Kilometer von mir entfernt wohnt. Generell hat man auf Conventions oft Situationen in denen man merkt, dass die Welt eigentlich doch viel kleiner ist als man denkt, und man plötzlich neben Küstler*innen sitzt, die eigentlich gleich um die Ecke wohnen.
Eine etwas seltsame Geschichte, die sich auf dieser Dokomi wiederholt hat, ist ein bestimmter Besucher mit auffälligem Kirito-Cosplay, der letztes Jahr sehr großes Gefallen an meinem Cosplay gefunden hat, und an beiden Tagen verdächtig oft an meinem Stand vorbeikam und jetzt heute morgen um Punkt 10 Uhr, also direkt zur Eröffnung, bei mir wieder auf der Matte stand, mein Namensschild angeschaut hat, mich angeschaut hat und dann weitergegangen ist, weil er sich anscheinend nicht sicher war, ob jetzt meine Helferin oder ich seine Cosplay-Flamme war. Seitdem ist er nicht mehr vorbeigekommen. Generell trifft man in der Anime-Community öfter mal Leute, die ihre Social-Interaction-Skills öfter mal auf ihrem Skilltree skillen sollten, um das Ganze mal im Gamer Jargon auszudrücken (lacht).
Allgemein ist es aber auch echt ne coole Experience, zum Beispiel hatte ich mit einer Chainsaw Man Cosplayerin eine Diskussion darüber, dass Waifuism ein echtes Problem in Chainsaw Man Fandom ist, weil nein, Power ist nicht deine Waifu, sie spült literally nicht mal nachdem sie am Klo war, that’s not your Waifu, that’s a trash goblin.
Was würdest du Künstler*innen raten, die auch mal auf einer Con verkaufen wollen?
Ich würde raten, viele Kontakte zu anderen Convention Artists zu knüpfen, geht freundlich und offen auf sie zu, weil die Community ist wirklich super. Ich bin auf mehreren Discord-Servern, auf denen sich Artists untereinander helfen, mit Tips & Tricks zum zeichnen, rechtlichen Fragen, und so weiter. Auf einem der Server werden auf der Convention Food Runs organisiert, also ein*e Standhelfer*in stellt sich in die Warteschlange an einem Essensstand und bestellt für die ganze Standreihe. Oder man hilft sich gegenseitig bei sogenannten Booth Barnacles, also wenn du eine Person an deinem Stand hast, die partout nicht weggehen will, dich immer in Gespräche verwickelt und quasi deinen Stand spawncampt. Dann kommt ein anderer Artist, der so tut als würde er dringend deine Hilfe brauchen und dich so elegant aus der Situation entkommen lässt. Die Community ist wirklich toll, manchmal wird übriges Essen angeboten und man hilft sich gegenseitig mit Schmerztabletten.
Außerdem empfehle ich, positiv an die Sache zu gehen. Man hat keine angenehme Convetion, wenn man die ganze Zeit sagt “oh Gott, mein Artwork ist scheiße, alle sind soviel besser als ich”, ich glaube man muss im Voraus auch aktiv an seinen Selbstzweifeln arbeiten und sich den Mut nehmen, jetzt auszustellen. Der paranoide Gedanke, dass ich “die schlechteste auf der Artist Alley” sein könnte, hat mich selbst auch lange vom Ausstellen abgehalten. Und das ist im Nachhinein natürlich Schwachsinn, weil es gibt keine “schlechteste auf der Artist Alley”. Bei meiner ersten Convention war es, trotz hoher Kosten, mein einziges Ziel, eine Sache mit meinem Artwork von meinem Stand zu verkaufen. Und ja, ich habe da dann auch mehr verkauft als ich dachte und das war für mich natürlich ein Erfolgserlebnis! Generell muss man lernen, mit dem Artist Curse zu leben, mit Imposter Syndrom und letztlich diese kleinen Dämonen packen und sagen “nein, ich bin gut genug” – und richtiger Shinji-Moment – sagen “I am worthy of existing in this Artist Alley”.
Du bist ja schon länger in der Con Scene unterwegs, siehst du aktuell Veränderungen zu “früher”?
Im Großen und Ganzen sehen ich natürlich, dass die Artist Community – Convention und Artist Alley – wächst. Die Szene an sich ist sehr groß gewachsen und auch das Angebot professionalisiert sich auf gewisse Weise. Früher waren Prints oft auf dem Heimdrucker gedruckt, oder vielleicht noch in einer lokalen Druckerei und wenn man ganz edel war, ist man zu DM zum drucken gegangen. Jetzt haben auch einfache Poster und Drucke eine echt gute Qualität und es gibt im Vergleich zu früher wahnsinnig viele Merch-Ideen. 2012 war ein Acryl-Schlüsselanhänger echt was besonderes, heute ist das quasi ein Staple sowas zu haben. Von Tassen, über Kissen, über Handyhüllen und so weiter, heute gibt es alles Mögliche, es wird immer kreativer und auch in der Herstellung hat man heute viele Optionen. Zum Beispiel sind Schlüsselanhänger jetzt in der Regel doppelseitig bedruckt und man hat viele Möglichkeiten, vom Finish bis hin zum Keyring, um sie so richtig zu personalisieren. Und die Fanprodukte werden immer größer. Unser Nachbartisch zum Beispiel verkauft momentan Genshin-themed Teebeutel und Kondome. Yup. Kondome. Was aktuell auch im Kommen ist, sind Acryl Standes, also quasi 2D Figuren, die man sich dann neben seine anderen Animefiguren stellen kann. Und dann gibt es noch große Projekte, wie Plüschtiere, aber da sieht man auch öfter auf Twitter, dass die Artists Probleme mit den Herstellern haben, wenn es um Revisionen geht und diese Projekte in der Herstellung auch sehr teuer sind.
Artist Alley haben sich längst weiterentwickelt, Postkarten, Poster und Sticker sind heute nicht mehr genug. Asiatische Hersteller bieten heute vielzählige Möglichkeiten, ihr Angebot wird immer mehr und immer vielfältiger, wodurch man natürlich auch ganz neue Ideen umsetzen kann.
Wo kann man dich online finden und welche Events stehen bei dir in nächster Zeit an?
Online bin ich auf Instagram (@newtise_) und Twitter (@newtise1) zu finden. Ansonsten bin ich am 18. und 19. Juni mit Stand auf der Wie.MAI.KAI in Flörsheim zu finden und hoffentlich 2023 auch wieder auf der Dokomi in Düsseldorf.
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