Zu Beginn möchte ich kurz warnen, dass am Ende dieses Artikels herauskommen könnte, dass die Frage, die ich mir im Folgenden stelle, sich in eine recht banale Antwort auflösen könnte: bin ich vor kurzer Zeit 30 Jahre alt geworden. Kurz danach habe ich aufgehört, auf Instagram dem Account von Funk zu folgen. Das ist an sich nicht dramatisch. Sowohl Funk (mit 1,4 Millionen Followern Stand 13.01.23) als auch ich (der noch über 100 anderen Accounts folgt und sowieso weniger in diese App schauen möchte) können das verkraften. Ich konnte mir jedoch nicht genau erklären, warum. Es gab eine Zeit, in der ich dem Account mit großem Interesse gefolgt bin und würde auch jetzt sagen, einige gute Tipps von dort mitgenommen zu haben, aber aus irgendeinem Grund ist dieses Interesse verloren gegangen. Was ist passiert?
Nach kurzer Recherche stellte ich fest, dass ich wohl nicht als Einziger ein Problem mit den Inhalten von Funk habe. Neben viel plattem Bashing des öffentlich-rechtlichen Systems gibt es auch einige kritische Stimmen, die argumentativ überzeugender daher kommen. So wird im Podcast “Wohlstand für Alle” (auch etwas zu genüsslich und dadurch teilweise weniger differenziert als möglich) etwa analysiert, dass Funk ein stark neoliberal geprägtes Weltbild verbreitet, das trotz immer größerem Auseinanderklaffen von Arm und Reich in Deutschland und den Auswirkungen des Wirtschaftssystems auf den Planeten den ökonomischen Status Quo eher gut und verteidigungswert findet, während es eher Fragen der Identität behandelt. Hauptsächlich in der Kritik stehen dabei Formate, die Funk für YouTube produziert, während ich mich hier auf den Instagram-Account des Netzwerks konzentrieren will. Aufgegriffen wird in dem Podcast jedoch auch ein besonders wenig gelungener Post zum Thema Armut vom 17.12.22, der diese naturalisiert, denn niemand könne etwas dafür, dass es Armut gibt. Funk antwortete auf die daran anschließende Kritik damit, sich näher mit dem Thema Armut zu beschäftigen, was zunächst einmal nicht die schlechteste Reaktion ist.
Überhaupt: Was Funk zu Gute gehalten werden muss, ist eine große Offenheit für Kritik und ein Wille dazu, sich intensiv damit auseinander zu setzen. Hier möchte ich insbesondere die Folge “Drama um die Gasumlage, Fischsterben in der Oder und Kritik an funk – mit Wolfgang M. Schmitt” aus dem Funk-Podcast “Was die Woche wichtig war – Der funk-Podcast” aus dem August 2022 empfehlen, in deren letzten Drittel sich eine leidenschaftliche Diskussion um die verschiedenen Formate von Funk und deren Qualität entspinnt. Kurz geht es darin auch um Instagram und die Art und Weise, wie das soziale Medium bespielt wird (hauptsächlich mit möglichst kurzen Info-Grafiken), bzw. die Frage, wie weit ein Angebot wie Funk sich auf die Logik eines solchen Mediums einlassen sollte. Diese muss für die Zwecke dieses Artikels also noch einmal gesondert betrachtet werden.
Instagram ist ein soziales Netz, das nicht auf Text, sondern auf das Bild fokussiert ist, was es lange zu einem deutlich weniger politischen Netzwerk als Twitter machte (was es heute wahrscheinlich immer noch ist), wobei auch die politischen Inhalte inzwischen zugenommen haben. Sieht man sich abseits von Funk politische und journalistische Accounts auf Instagram an (wie etwa @workingclasshistory, @wasihrnichtseht oder besonders bekannt bei @fridaysforfuture), stellt man schnell fest, dass politische Themen auf Instagram aktivistisch bis maximal aufklärerisch bearbeitet werden. Als Diskursmedium eignet sich die Plattform nicht besonders gut, da allein durch das Layout Text zur Nebensache verkommt, Threads unübersichtlich gestaltet sind und die nötigen Zitier-Werkzeuge fehlen. Die Menschen in den Funk-Büros wissen dies und arbeiten deshalb hauptsächlich mit Infografiken, die sich auf wenige, möglichst prägnante Textzeilen im Bulletpoint-Format konzentrieren. Zwischendurch gibt es noch kurze Videos von maximal einer Minute und natürlich Fotos, oft auch von süßen Tieren, die dabei helfen sollen, dass die Community die Inhalte mit Likes versieht.
Schon hieran lässt sich erkennen, dass die Reichweite eines Posts eine sehr hohe Stellung hat. Doch es geht noch darüber hinaus. 2022 erschien die Studie “Journalismus in sozialen Netzwerken. ARD und ZDF im Bann der Algorithmen?” von Henning Eichler, die sich auch explizit und zu einem großen Teil mit Funk auseinandersetzt. Sie zeigt, dass nicht nur die Aufbereitung von Inhalten, sondern oft auch die Inhalte selbst dem Diktat der Reichweite unterworfen werden. Dies geht so weit, dass im Hauptbüro von Funk ein für alle sichtbarer Bildschirm hängt, der die Klickzahlen aller Funk-Formate in Echtzeit anzeigt. Klickt eines für eine gewisse Zeit nicht genug, wird es recht schnell abgesetzt, ungeachtet der inhaltlichen Qualität. Diese Praxis widerspricht direkt der Selbstbeschreibung von Funk, man würde Wert auf qualitativ hochwertigen Journalismus und den öffentlich-rechtlichen Geist legen. Denn es ist ja die Idee des öffentlich-rechtlichen Systems, dass künstlerische und journalistische Inhalte von möglichst hohem Wert produziert werden sollen, ohne dass darauf geachtet werden muss, dass sie die höchsten Quoten, bzw. Reichweiten erreichen. Natürlich ist mit einem Angebot, das niemanden interessiert, auch nicht geholfen und ich will hier gar nicht verteufeln, dass Menschen sich bei der Aufbereitung ihrer Inhalte daran orientieren, diese verständlich, zugänglich oder unterhaltsam, also anschlussfähig für die Zielgruppe, zu machen. Doch Funk scheint, zumindest auf Instagram, ins andere Extrem zu verfallen. Nicht die inhaltliche Idee steht im Mittelpunkt, sondern ausgegangen wird oft von einer Idee der Vermittlung, also der Infografik, dem Meme, dem Tier. Was nicht ins Format passt, kommt inhaltlich auch nicht vor, wohingegen die passenden Inhalte, bzw. die mit großer Reichweite dann gesucht werden. Insofern müsste man sagen, dass ein “Skandalpost” wie der oben genannte über Armut, der ein ungewöhnlich hohes Engagement der Community erzeugte, (wenn auch ein ablehnendes) eigentlich als Erfolg gewertet werden müsste. Zum Glück ist dem wohl nicht so. Die Gefahr besteht aber dennoch, denn auch in der Einstellungs-Politik von Funk wird zuerst darauf geachtet, dass eine Person zielgruppenorientiert schreiben und denken kann, wie Eva Schulz von “Deutschland 3000” im Podcast “Alles gesagt” erklärt, nicht darauf, wie gut sie recherchiert, Zusammenhänge herstellt, kritisch hinterfragt oder welche Werte sie vertritt.
All dies macht Funk erfolgreich, es hat die gewünschte große Reichweite (wie oben erwähnt 1,4 Millionen Follower allein auf Instagram, alle Kanäle zusammengenommen ergeben ein viel größeres Millionenpublikum), doch die Frage bleibt: wofür?
Um diese zu beantworten, möchte ich den kritischen Modus einmal verlassen und mich darauf konzentrieren, was Funk neben der Darstellungsweise an eigentlichen Inhalten gut kann. Nach langem Studium des Instagram-Accounts bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es in erster Linie zwei Dinge sind: die Auseinandersetzung mit Identität und nützliche Informationen und Tipps zu Alltagsdingen. Dazwischen gibt es noch viele Memes variierender Qualität und eine Vielzahl von anderen (oft eher oberflächlich behandelten) Themen, aber als große Leitmotive stechen doch diese beiden hervor. Dies ergibt in mehrerlei Hinsicht Sinn. Zunächst einmal wendet sich Funk an junge Menschen, also an Menschen, die sich in einer Phase des Lebens befinden, in der das Ausbilden der eigenen Identität, das Formen von Werten und Ansichten, eine besonders große Rolle spielt und in diesen Belangen besonders viel Veränderung und Entwicklung stattfindet. Außerdem wird Funk auch primär von Menschen unter 30 gemacht, was vielleicht auch eine besondere Affinität der diese Inhalte Schaffenden für diese Themen begünstigt. Hier überlappen die Machenden und ihr Publikum. Außerdem eignen sich für beide Themen – Identität und Alltagstipps – Infografiken, mit denen man aufklären kann, bzw. beide fallen unter das zuvor festgestellte Muster, dass Instagram sich im Politischen vor allem für Aufklärung und Aktivismus eignet. Darüber hinaus können gerade bei Identitätsthemen spannende Menschen in den Mittelpunkt gestellt werden, präferiert solche, die bereits einer großen Öffentlichkeit bekannt sind und mit denen Funk dann mit Reichweiten-Gewinn kooperieren kann.
All dies kann Funk ziemlich gut und diese beiden Kategorien sind auch der Grund, warum ich dem Instagram-Account eine Weile recht gern gefolgt bin. Nun bin ich aber in meiner Identität langsam relativ gefestigt (man ist ja nie fertig, aber es passiert doch etwas weniger als früher) und bekomme meinen Alltag gut genug bewältigt, dass mein Bedürfnis an cleveren kleinen Tipps größtenteils gedeckt ist. Meine Interessen beim Rezipieren journalistischer Arbeit haben sich verschoben, hin zu Themen, die Funk mit seinen Maximen, Stärken und Schwächen nur schwer zu fassen bekommt: größere gesellschaftliche Zusammenhänge, systemische Fragen und mehr kritisches Denken, bzw. Hinterfragen. Diese sind nicht geeignet für die Zielgruppe, oder werden zumindest nicht als für sie geeignet angesehen. Ich bin nun aus der Zielgruppe herausgefallen. Ist daran mein Alter schuld? Das kann ich nicht abschließend sagen. So alt bin ich dann ja auch noch nicht und ich glaube auch Menschen, die jünger sind als ich, würden in dem Angebot, das der öffentlich-rechtliche Rundfunk für sie bereitstellt, mehr Tiefe und Komplexität verkraften oder sich sogar wünschen. Dies mag ein Instagram-Problem sein, dennoch bleibt die Frage offen, ob weniger Fokussierung auf Reichweite dabei helfen würde, einen kreativeren Umgang mit der Plattform zu finden.
Noch keine Kommentare