Mein kleiner grüner Bonsai, steht in der prallen Sonn´

Totaler Lockdown, November 2020, kalt und düster – wahrlich ein perfekter Zeitpunkt, um per Onlinebestellung das eigene Heim prächtig ergrünen zu lassen. Doch welchen tüchtigen Pflanzen traute ich diese Herkulesaufgabe – ich besitze einen magentafarbenen Daumen, wenn nicht sogar zwei – zu? Meine Mutter würde nur sagen, mehr als pflegeleicht sollen sie sein, ich hätte ja von Efeututen und Blasen keine Ahnung. Umgekehrte Psychologie und einige Klicks im Internet später, befanden sich vier junge Bonsai-Bäume in meinem Warenkorb. Ich überflog geschwind die Haltungsbedingungen meiner vier Musketiere und fügte zu meinem Einkauf noch ein Bonsai-Ratgeberbuch – welches ich bis heute selbstverständlich von vorne bis hinten verschlungen habe – hinzu. Mit den Gedanken an meine zukünftigen Kindeskindeskinder – die stolz das neu erworbene Hobby ihres Urgroßvaters übernommen haben und meine nun Jahrhunderte alten Pfleglinge gießen und sprießen lassen – beendete ich mit einer Träne in jedem Auge meinen Einkauf. Ein halbes Jahr später, auf meiner Dachterrasse. Alle Vier an die Wand gestellt, der Exekutor schon längst die Tat vollbracht und kitzelt mir zur Mittagsstund´ in den Nacken, wie ich so das Elend betrachte. Meine Mutter hatte – wie immer – Recht behalten. Aufgeben kommt jedoch nicht in Frage und das nicht nur für mich. Mein Japanischer Fächerahorn – den man genauso gut für einen Stock in Zement halten könnte – presst die ersten (grünen!) Blättchen heraus, als wären sie seine letzte Rettung. Ich bete darum, dass er meinen Kindeskinderskindern nicht von meinen Schandtaten erzählt.

Ein Häuchchen Hawaii und zwei Häufchen Elend

Die anspruchsvolle Haltung der Hawaii-Palme ist nicht jedermanns Sache – von meiner ganz zu schweigen.

Nun ja, was soll ich sagen. Ich habe erneut die Schatulle der Panflora geöffnet. Noch nicht allzu lang ist das Bonsai-Massaker her, da habe ich mir bereits mein nächstes Opfer herausgesucht. Da las ich eines Abends Anzeigen im Bett und fand eine botanische Kolumne. Eine Hawaii-Palme soll es wohl sein. Palmen erwecken in mir ein Urlaubsgefühl. Ich schmecke förmlich die salzige Luft. Spüre den Sand zwischen meinen Zehen. Das Gewicht der mit Piña Colada gefüllten Kokosnussschale drückt sachte in meine Hände. Die Kunst des filmreifen Tagträumens beherrsche ich seitdem ich tagträumen kann. In jenen Träumen lasse ich mich vor allem in Zeiten wie diesen gründlich durchschmoren. Aber ich schweife bereits vom Thema ab. Bei mir daheim angekommen, sollte der sonnigste Fensterplatz meinem neuen Schmuckstück zugehörig sein. Wo Palmen sind, ist ja schließlich auch die Sonne. Mit der Gießkanne wird geschwind ein tropischer Regensturm auf die Hawaii-Palme losgelassen, aber aloha! Doch nach einigen Tagen, oh Schreck, die Blätter werden von Tag zu Tag gelber. Ordentliches Nachgießen hilft hier nicht, ich kann nur noch mit ansehen wie der Sprößling unter meinen Fittichen an einen besseren Ort schwindet. Da ist doch bestimmt beim Transport etwas schiefgelaufen, dachte ich mir, als ich erneut eine Hawaii-Palme online bestellte. Ich kann schließlich nicht der Einzige von uns beiden sein, der gerne vom Regen erwischt wird. Klappe, die Zweite. Selbes Prozedere. Ich wartete mit großer Hoffnung. Doch Flortuna ist wieder nicht meines Glückes Schmied. So sitze ich hier, nicht im Meer an der Küste Hawaiis, sondern im Meer aus Tränen und gelben Blättern. Und so recherchiere ich. Die Hawaii-Palme ist, trotz im Namen enthalten, keine Palme, sondern eine Sukkulente. Schattige Plätze und sehr wenig Wasser werden hier äußerst großgeschrieben. Da wurde mir mal wieder gezeigt, dass ich nur eine Gehirnhälfte verwende.