Disclaimer: Dieser Text behandelt das Thema „Trennung von Kunst und Künstler:in“ weniger auf einer wissenschaftlichen Ebene, vielmehr ist er eine Nacherzählung meiner eigenen Erlebnisse und wie ich damit (zukünftig) umgehen will.

Mittlerweile habe ich kaum etwas anderes außer Indierock im Kopf, besitze keine musikalische Persönlichkeit mehr außerhalb von „Das ist ja wie in dem Arctic Monkeys/Interpol Song!!“ und höre gerade eigentlich nur das neue Album von Fontaines D.C. Das einzige, was mich noch ab und an in meine Metal-Phase von vor fünf Jahren zurückzieht, ist Black Metal. Ist auch ganz gut zum Arbeiten, da der ganze Krach und die Distortion wie White Noise wirkt, wenn man versucht, die Texte über das trostlose Dasein und die Irrelevanz allen Lebens auszublenden.

Blöd nur, dass gefühlt alle Bands aus diesem Bereich eine Verbindung zu rassistischem Gedankengut haben. Entdeckt und googlet man eine neue Black Metal Band, ist die Chance unlustig groß, dass einer der ersten fünf Suchvorschläge entweder „BAND XY rechts“ oder „BAND XY NSBM“ lautet (NSBM steht für National Socialist Black Metal). Imagine, dein Genre hat so eine große Nazi-Dichte, dass die ein eigenes Subgenre bekommen.

Wie geht man jetzt damit um? Als 16-Jähriger war mir das noch relativ egal, weil ich ja Kunst von Künstler:in easy trennen kann; bloß bin ich jetzt 21, studiere Medienwissenschaften in der Wagnerstadt und mein Freundeskreis besteht nicht mehr nur aus drei anderen weißen Dorfkindern wie mir. Da stößt man mit dem Hobby Rechtsextremismus auf eher weniger Gleichgültigkeit. Es kam jedoch schnell der 16-Jährige in mir wieder hoch und damit auch die Frage, was ich jetzt machen sollte. Schließlich finde ich ja nur die Musik gut und solange keine problematischen Inhalte vermittelt werden, sollte das Ganze ja auch nicht so schlimm sein, oder?

Ist es auch nicht. Wenn der Text nicht problematisch und die Band nicht gerade offensichtlich rechts ist, kann man ja den ein oder anderen Song guten Gewissens hören. Außerdem wäre es rein zeit-technisch nicht realisierbar, jedes Bandmitglied zu background-checken. Naja, man kann zumindest mal, wenn man sich schon in einem umstrittenen Genre wie Black Metal bewegt, nach „BAND XY Controversy“ googlen, so viel Zeit frisst das nicht. Dazu kommt, dass jeder einzelne Stream Geld in die Kassen der Musiker:innen einspielt. So wenig es sein mag mit Spotify etc., mit einem Klick boostet man zusätzlich den Algorithmus und bietet damit problematischen Bands eine Plattform, da sie immer weiter potenziellen Hörer:innen promotet werden. So werden aus den paar Cent pro 100 Aufrufen im Handumdrehen größere Summen, die wiederum den Bands bei der Verbreitung ihres Gedankenguts helfen.

Nur interessiert mich die Person hinter der Musik schlichtweg nicht. Das kann mir ja eigentlich völlig egal sein, wer den Krach macht, solang es mir gefällt. So ähnlich hat das auch der französische Poststrukturalist Roland Barthes in den 1960er Jahren bereits angebracht, als er den “Tod des Autors” proklamierte. Dieser würde geschehen, sobald ein Text verschriftlicht wird, da man ab diesem Zeitpunkt die Originalschrift nicht mehr zum Urheber zurückverfolgen könne. Barthes plädierte damals stattdessen für das Konzept des “Schreibers”, welcher einen Text ohne jegliche Intentionen produziert. Der ebenfalls aus Frankreich stammende Philosoph Michel Foucault widersprach Barthes zwar, sagte jedoch in einem Vortrag im Jahr nach Barthes’ Veröffentlichung, dass sich Leute nur an das Geschriebene, nicht an die Autor:innen erinnern würden. Das ist nur eher schwierig nachzuweisen, da man diese zwei Instanzen niemals trennen kann. Jeder Mensch hat seine metaphorische und tatsächliche eigene Handschrift, da man immer von seinen eigenen Vorstellungen und seiner eigenen Moral geprägt ist; alles, was man tut, ist auch eine Repräsentation von sich selbst. In ganz extremen Fällen sind wir hier auch wieder beim Black Metal angelangt, da hier von den Musiker:innen oft alles getan wird, um die eigene Band als möglichst böse darzustellen. Hier kommt es auch mal schnell dazu, dass man den eigenen Gitarristen umbringt und mehrere Kirchen anzündet (if you know, you know).

Die Geschichte des norwegischen Black Metals ist so absurd, dass ein Spielfilm darüber gedreht wurde – in dem sogar Wilson Gonzales mitspielt.

Aber das ist ja dennoch alles noch Kunstfreiheit. Effektiv darf man ja alles tun, solang es keinem weh tut.. theoretisch. Nur das ist halt schlichtweg Ignoranz und Hohn, besonders den Menschen gegenüber, die in der Geschichte unter rechten Regimen und auch heute noch unter neo-nationalistischem Gedankengut und dessen Ausübung leiden. Mit dem Konsum der Musik von problematischen Künstler:innen schwingt auch immer eine Welle der Verharmlosung der Taten mit, für welche diese Gesinnungen verantwortlich sind.

Schließlich kommt noch dazu, dass alles, was man tut, ein Statement mit sich bringt. Ob das das Tragen eines T-Shirts ist oder der Freund:innen-Feed bei Spotify, wo jeder sehen kann, was man gerade hört. Alles hat eine Message, auch wenn man sie unbewusst trägt und verbreitet.

Ob man da jetzt der Nazi sein will, ist die nächste Frage. Ich hab gelernt, dass ich das jetzt nicht unbedingt haben muss. Zum Arbeiten kann ich mir auch Shoegaze reinziehen.

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