Da bin ich nun an der Reihe und überlege immer noch, welches mein Lieblingsbuch ist. Bücher sind neben Spielen mein Hauptinteresse. Eigentlich würde ich an dieser Stelle gerne erklären warum Bücher so etwas wunderbares sind, aber das würde den Rahmen sprengen, weswegen das mal in einen anderen Artikel gepackt wird. Verdammt schwere Sache, so eine vermeintlich kleine Entscheidung zu treffen. Zurzeit würde die Antwort wohl „A Song of Ice and Fire“ von George R.R. Martin lauten, aber so einfach wollte ich mir das nicht machen.
Warum „so einfach“?
Das Problem ist meiner Meinung nach, dass sich die Interessen und Ansichten mit dem Heranwachsen immer wieder mal mehr oder weniger stark verschieben und mich so ein Buch in einer bestimmten Lebensphase angesprochen und einen sehr starken Eindruck hinterlassen hat. Welches davon dann aber letztendlich das Buch wäre, das ich als das Beste betiteln würde, kann ich nicht sagen. Sowieso pendelt man stets zwischen aktuellem Hype (A Song of Ice and Fire) und nostalgischer Verklärung (wahrscheinlich so gut wie alle Hohlbein-Bücher)
Ist es nun „Das letzte Gefecht“ von Stephen King oder doch „Fight Club“ von Chuck Palahniuk? 1984?
Ein paar Jahre weiter zurück? Metro 2033? Bartimäus?
Oder doch etwas von Joe Abercrombie? Sergei Lukianenko wär sowieso eine gute Adresse. Aber was ist mit Douglas Adams und Terry Pratchett?
Ihr seht schon, das das mit mir und der Entscheidung wird wohl nichts mehr werden. Deswegen möchte ich euch hier eine Reihe vorstellen, die es meiner Meinung nach noch zu wenig Beachtung fand und durch das vor Kurzem für die Xbox 360 erschienene Videospiel vielleicht auch in euer Interesse gerückt ist.
Der Hexer-Geralt-Zyklus
Dieser nette Herr hier ist der polnische Autor Andrzej Sapkowski:
Er ist der Erfinder des Hexer Geralts von Riva und dessen zynischer Welt, die sich in insgesamt sieben Büchern wiederfindet.
Nein, es ist keine beneidenswert angenehme Welt. Stattdessen ist sie durchzogen von Rassismus, Gewalt, Heuchelei und Korruption. Also eine wunderbar schwarz-graue Welt, in welcher der Humor aber auch nicht zu kurz kommt und die teilweise auch Parallelen zu heutigen Umständen aufweist. Sogar Terrorismus findet sich in Form der Scoiatel. Die Elfen sind in Sapkowski Werk nämlich nicht mehr das genretypisch hochentwickelte Volk, das für Ehre und das Gute steht. Hier sind die meisten Elfen verbitterte Rebellen, die sich um ihr Vergangenheit und Kultur betrogen fühlen und nur noch Rache und Gewalt im Sinn haben. Auch sonst entspricht die Reihe nicht den üblichen Konventionen. Oft sind die wahren Scheusale eher in der Gesellschaft als in den realen Monstern zu finden. Sapkowski greift bei seiner Erzählung auch viele Märchen auf, verpasst ihnen einen Schlag Realismus und webt sie in die Wirklichkeit Geralts ein.
Geralt ist ein sogenannter Hexer. Bei den Hexern handelt es sich um einen männlichen Orden, der sich auf das Töten von Monstern spezialisiert hat. Natürlich nur gegen echte Bezahlung und nicht eines höheren Grundes wegen. Sie genießen gesellschaftlich kaum Ansehen und werden als gefühlskalte Mutanten angesehen, was sie bis zu einem gewissen Punkt sogar sind.
Um perfekt auf den Kampf gegen Monster vorbereitet zu sein unterziehen sie sich verschiedenen, schmerzhaften Prozeduren. Überlebt ein Mensch diese, so besitzt er nicht nur überragende Kampffertigkeiten sondern auch andere Fähigkeiten wie das Sehen im Dunkeln. Auch Geralt ist Teil dieser untergehenden Profession und zieht durch das Königreich Wyzima. Dabei gerät er immer wieder in Konflikte zwischen Menschen, Anderlingen und Monstern. Bei diesen spielt Sapkowski immer wieder mit der Moral und es gibt niemals ein einfaches Gut und Böse. Jeder dieser Konflikte hat eine eigene Bedeutung und wird meistens auch mit einer Prise schwarzem Humor präsentiert. Mit der Zeit nimmt die Größe der Probleme, mit denen Geralt konfrontiert wird immer größere Ausmaße an bis es letztendlich um mehr als nur ein paar Menschen geht. Mehr möchte ich an dieser Stelle noch gar nicht verraten.
Die Dialoge sind wunderbar direkt geschrieben und wirken absolut authentisch. Meist wird kein Blatt vor den Mund genommen oder, sofern es in die Politik geht, sich auf eleganteste Art und Weise der Tod gewünscht. Die Geschichte wird sehr variantenreich erzählt. Mal liest man aus den Aufzeichnungen von Rittersporn, einem Lüstling und Barden, der Geralt auf vielen Abenteueren begleitet. Oder es folgt ein Sprung in die Zukunft und wir erfahren an einem Lagerfeuer mehr über die Abenteuer des Hexers, natürlich nicht immer den wahren Begebenheiten entsprechend. Dazu wird auch parallel zur Hauptgeschichte immer wieder mit Perspektivwechseln gearbeitet, um die Welt lebendiger erscheinen zu lassen und zu erfahren, was sich in am anderen Ende der Welt abspielt.
Die Charakterzeichnung ist sowieso überragend. So ist Geralt in einer Sekunde noch der übermenschlich starke Hexer und plötzlich doch nur wieder ein Mann, der nicht weiß, wie er mit der Erziehung eines jungen Mädchens umgehen soll und manchmal einfach unglaublich dämlich handelt. Der Großteil der wichtigen Charaktere ist facettenreich gestaltet und jeder besitzt seine eigenen Probleme und Schattenseiten, wobei für Sapkowski auch hier niemand wirklich unsterblich ist. Dies artet aber nicht in die extreme Form eines George R.R. Martin, bei der man sich wirklich um keinen Charakter mehr sicher sein kann. Vor allem der Hauptcharakter macht eine interessante Wandlung durch. So bekommen wir anfangs einen Geralt präsentiert, der immer allem ausweicht, kaum Bindungen sucht und am liebsten neutral bleibt. Eigentlich hat er keine Ahnung, was er will. Im Verlauf der Handlung wird Geralt aber immer menschlicher, angenehmer und zielgerichteter. Genauso wie seine Bindung zu den Mitmenschen steigt, steigt diese auch dem Leser gegenüber.
Die Reihe hat mich mit ihrem Zynismus und ihrer direkten Erzählweise sofort in ihren Bann geschlagen. Die erwachsene und glaubwürdige Darstellung der Welt sowie die simple Coolness, die Geralt trotz aller Fehler ausstrahlt, faszinieren mich auch heute noch. Wie jedes anderes Werk besitzt natürlich auch diese Saga ihre Schwächen. Aber die sind mir sowas von egal.
Man müsste mal eine Studie betreiben wieviel große Filme/Serien/Spiele/… auf noch größeren Büchern beruhen, und wieviele große Bücher nach anderen Medien geschrieben wurden. Und wenn es tatsächlich so ist, dass Bücher die besseren Vorlagen geben, woran liegt das?
Wer meldet sich freiwillig?