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Aaach, die Beatles… Für viele fällt diese Band ja in die Kategorie von Musik, die man irgendwie aufgrund von ihrer kulturgeschichtlichen Bedeutung nicht wirklich hassen kann, aber dennoch freiwillig niemals hören würde. Für mich – meines Zeichens komplett hängengeblieben in der Rock- und Popmusik der 60er Jahre – waren die alten Jungs aus Liverpool ständiger Wegbegleiter seit meinem vierzehnten Lebensjahr. Ich höre und liebe die Beatles in jeder ihrer musikalischen Phasen, angefangen bei den frühen, sehr konventionellen Hits wie I saw her standing there oder I want to hold your hand, die ich regelrecht einstudierte und deren zugegebenermaßen repetitive, etwas floskelhafte Texte sich tief in mein Gedächtnis eingebrannt haben, bis hin zum Wendepunkt im musikalischen Stil der Beatles, meinem persönlichen Lieblingsalbum der Band, Rubber Soul. Hier vernimmt man erstmals in Norwegian Wood die Sitar, und eine leicht psychedelische Note mischt sich unter die noch immer stetig durchdudelnden Pop-Schemata. Es folgte bei mir – und ich habe die Beatles tatsächlich in chronologischer Reihenfolge erkundet – die etwas abgedrehtere Phase mit Alben wie Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band und Magical Mystery Tour, die textlich wie auch musikalisch teils sehr trippy, wirr und psychedelisch, teils radiotauglich konventionell gestaltet sind. Jedenfalls erreichte mein Fandasein etwa an diesem Punkt einen Meilenstein: Durch vertiefte Beschäftigung mit der Band und den Biografien ihrer Mitglieder stieß ich auf A Hard Day’s Night, einen Film mit und von den Beatles. Dieses 1964 erschienene Stück Filmkunst ist wohl am besten zu vergleichen mit weißer Schokolade: Keiner hat danach gefragt, qualitativ ist er eine Katastrophe, bei übermäßigem Konsum führt er unmittelbar zu Übelkeit und wirklich gehaltvoll ist er auch nicht. Er ist jedoch unbestreitbar süß und schlussendlich sicherlich Geschmackssache. Die Beatles, die hier sich selbst in einer slapstick-artigen Lausbubenmanier verkörpern, erleben Backstage-Eskapaden mit Pauls Großvater, werden von hysterischen Fans gejagt und singen sich dabei natürlich quer durch die eigene Diskographie. Und so sehr ich Paul, John, Ringo und George liebe, muss ich gestehen, dass A Hard Day’s Night wirklich kein guter Film ist. Meine Fanliebe zur Band hielt dennoch an, auch wenn ich weitere Filme der Beatles bis heute gemieden habe, und ich entdeckte ein weiteres Album, das mich wirklich beeindruckte. Das „Weiße Album“ der Beatles ist eher ein Spätwerk der Band, entstanden während ihres Indienaufenthalts im Jahr 1968, und lässt sich musikalisch am ehesten in die dritte musikalische Phase der Beatles einordnen, in der man Genialität wie Uneinigkeit der Band von Song zu Song nachverfolgen kann. Das weiße Album jedenfalls wurde zu einem meiner absoluten Lieblingsalben, und ich lebte fröhlich und zufrieden, die Melodie von Blackbird summend, bis in alle Ewigkeit…

… zumindest bis ich vor einigen Wochen einen weiteren Meilenstein der Beatles in Sachen Film auf einem kaum zielgerichteten Streifzug durchs Internet entdeckte. Lasst mich mit der Tür ins Haus fallen: Die Beatles wollten J.R.R. Tolkiens Der Herr der Ringe verfilmen. Ich hoffe nun in euch dieselbe gollumeske Gier angeregt zu haben, die mich dazu brachte, so viel wie möglich über die gescheiterte Filmadaption der Beatles in Erfahrung zu bringen, und herauszufinden, wie, mit wem, wann und warum diese Verfilmung geplant war. Wann lässt sich recht einfach beantworten: Im Frühjahr 1968 brachen die Beatles zu ihrem Indientrip auf. Auf der Suche nach Erleuchtung durch transzendentale Meditation reiste die Band ins indische Rishikesh, wo sie sich – insbesondere angetrieben von John Lennon und George Harrison – den Lehren des Gurus Maharishi Mahesh Yogi unterzogen. Als Lektüre in dieser Zeit hatten die Fab Four von ihrem Produzenten Denis O’Dell eine Ausgabe des Der Herr der Ringe-Epos erhalten. Inspiriert von der Geschichte der Ringgemeinschaft – und vermutlich von ausgiebiger Meditation und dem Konsum psychoaktiver Substanzen – beschlossen die Beatles, Tolkiens Werk zu verfilmen. John Lennon gilt als treibende kreative Kraft dieser Idee, und wer sich näher mit Lennons Rolle in der Band und den Vorkommnissen während der Indienreise auseinandersetzt, wird verstehen, warum ausgerechnet er sich den Planungen für die Verfilmung besonders aktiv widmete. Leider ist über die genauen kreativen Prozesse rund um die Herr der Ringe-Verfilmung kaum etwas bekannt, die einzige zuverlässige Quelle bietet uns Filmemacher Peter Jackson, der im Zuge seiner Arbeit an der Dokumentation The Beatles: Get Back die Beatles ganz einfach selbst nach dem Filmprojekt gefragt hatte. Was jedoch feststeht, ist, dass die Beatles ihre Herr der Ringe-Adaption als Musical umsetzen und den Soundtrack selbst komponieren wollten. Bedenkt man nun, in welcher musikalischen Phase der Band wir uns hier befinden, wird das Ganze sehr interessant: Wahrscheinlich wäre der Film – entschuldigt den Ausdruck – trippy as fuck geworden. Das weiße Album, das als kreatives Produkt der Indienreise gilt, zeigt, wie psychedelisch, unberechenbar und wild die Beatles in dieser Zeit musikalisch waren. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber für mich ist diese für die 60er-Jahre typische psychedelische Ästhetik zusammen mit dem Herr der Ringe-Stoff ein match made in heaven. Und mit dieser Einschätzung bin ich nicht allein, denn mehrere Rockmusiker haben sich zu dieser Zeit mit Tolkiens Werk auseinandergesetzt: Auf dem 1967 erschienenen Debütalbum von Pink Floyd, The Piper at the Gates of Dawn, findet sich der Song The Gnome, der von einem stark von Tolkiens Der kleine Hobbit inspirierten Zwerg und dessen gemütlichem Leben im Grünen erzählt. Auch beim schwedischen Keyboarder Bo Hansson treffen in seinem 1970 veröffentlichten Album Sagan om Ringen (Englischer Titel: Music inspired by The Lord of the Rings) psychedelische Klänge mit Tolkiens Epos aufeinander. Doch zurück zu den Beatles: Hört man nun in Songs wie Wild Honey Pie, Dear Prudence oder Mother Nature’s Son hinein, kann man sich ungefähr vorstellen, wie ihr Mittelerde-Soundtrack in etwa geklungen hätte. Ein großes Fragezeichen jedoch stellt die visuelle Gestaltung der Adaption dar. Da der Film nie auch nur in Vorproduktion ging, gibt es leider weder Kostüme oder Sets noch etwaige Konzeptskizzen, anhand derer man sich ein Bild von der Vision der Beatles machen könnte. Jedoch hatte es John Lennon für die Inszenierung des Films auf ein wahres Schwergewicht der Filmkunst abgesehen. Die Beatles hatten niemand geringeren als Stanley Kubrick, der sich gerade mit seinen Filmen Lolita und Spartacus einen Namen gemacht hatte, kontaktiert, um ihn als Regisseur für ihre Herr der Ringe-Adaption zu gewinnen. Doch Kubrick lehnte das Angebot der Band ab, weil er den Roman als unverfilmbar erachtete. Ironischerweise würde nur wenige Monate später Kubricks Film 2001 – Odyssee im Weltraum erscheinen, dessen zugrunde liegender Stoff für die späten 60er Jahre eigentlich nicht weniger unverfilmbar war. Durch diesen Rückschlag verloren die Beatles nach und nach das Interesse an ihrem Filmprojekt. Ein Detail in der Konzeption des Films, das hier dennoch keinesfalls unerwähnt bleiben sollte, ist das vorläufige Casting. Paul McCartney war – wie könnte es anders sein – als Frodo Beutlin eingeplant, eine Wahl, die passender kaum sein könnte. Dessen treuer Gefährte und Begleiter Samweis Gamdschie war die Ringo Starr zugewiesene Rolle, und ich kann kaum ausdrücken, wie gerne ich Paul und Ringo zusammen als Frodo und Sam gesehen hätte. Nun mag man an dieser Stelle naheliegenderweise vermuten, die Fab Four wären als die vier Hobbits der Ringgemeinschaft eingeplant worden, doch dem war nicht so: George Harrison sollte beispielsweise Gandalf spielen, was ich mir persönlich ausgehend von der ruhigen und besonnenen Ausstrahlung Harrisons zwar gut vorstellen kann, jedoch wäre es wirklich interessant gewesen, zu sehen, wie zwei der ungefähr gleich großen Beatles mit den Möglichkeiten des Filmtricks der 60er Jahre mehr als einen Meter kleiner als George erscheinen würden. Das extravaganteste und prominenteste Casting betrifft jedoch John Lennon: Dieser sollte Gollum verkörpern. Dies wiederum lasse ich besser unkommentiert stehen, um jeder/m die Möglichkeit zu gewähren, sich John Lennon bildhaft in dieser Rolle vorzustellen. Doch der Anblick der Beatles im idyllischen Auenland, in den gefährlichen Landen Mordors oder in der Schlacht um Helms Klamm bleibt für uns ein bloßer Traum, da uns die letzte Hoffnung auf einen Der Herr der Ringe-Film der Beatles unter der Regie von Stanley Kubrick J.R.R. Tolkien höchstselbst nahm, als er mit einem markerschütternden „You shall not pass“-Schrei, der vermutlich bis nach Liverpool zu hören war, den Beatles die Nutzung seiner Eigenmarke verwehrte. Ihm missfiel die Idee, dass eine bekannte Popgruppe sein Werk adaptieren wollte. Damit war es beschlossen: Die Welt sollte keinen Der Herr der Ringe-Film der Beatles erblicken. In den frühen 2000ern nahm sich bekanntlich Peter Jackson dem Werk an und verfilmte die Trilogie meisterhaft. Wäre die Adaption der Beatles im Vergleich zu Jacksons Filmen merkwürdig, billig, bunt und albern gewesen? Mit Sicherheit. Sitze ich dennoch mit der Gier Gollums in mir zusammengekauert in der Ecke meines Zimmers und wünschte, es gäbe einen Weg, wie ich sie dennoch sehen könnte? Selbstverständlich.