Neulich schaute ich mir einen DiCaprio Steifen an und musste erneut feststellen, was für ein guter Schauspieler Leonardo DiCaprio sein kann – über die übliche Teenager Schwärmerei hinweg. Unmittelbar drängte sich die Frage nach dem Oscar auf? NEIN, er hat keinen. Wieso eigentlich nicht?
Ganz ehrlich, in welche Rollen muss der junge Mann denn noch schlüpfen, damit die Juroren sein Talent entdecken?! Immerhin, er klammert sich in Eiseskälte an ein Holzplateau und haucht seiner Rose mit letzter Lebenskraft Liebesworte entgegen. Ihm laufen Schnodder und Tränen über das Gesicht als er Julias Tod beschreit. Er verwahrlost im Drogenrausch und schafft dann doch den Absprung. Er fliegt durch die Lüfte und ist besessen von der Idee eine Flugzeugflotte zu besitzen und ins Filmgeschäft einzusteigen, doch er leidet auch zunehmend unter psychischen Beschwerden, die es ihm schwer machen mit seinen Mitmenschen zu interagieren. Er spielt den Ganoven, den Liebenden, den psychisch Labilen, den Draufgänger, den Junky, den Sohn, den Vater, den Freund und den Feind. Eines ist ganz klar: DiCaprio ist wandlungsfähig.
Bereits seitdem ich Leonardo DiCaprio in seiner Rolle als Jim Carroll (Jim Carroll – In den Straßen von New York, 1995) gesehen habe, bin ich von seinem Talent überzeugt. Ob nun als liebender Romeo oder als geistig behinderter Arnie Gape – Leo brilliert in seiner Rolle. Zugegeben, nach Titanic (1997) war auch bei mir die Luft raus. Und auch um Leo wurde es nach seiner grauenvollen Darbietung als Mann in der eisernen Maske (1998) ruhiger. Doch der ewige Milchbubi ließ nicht lange auf sich warten und kehrte nach einigen Misserfolgen mit Catch Me If You Can (2002), als Gegenspieler von Tom Hanks, zurück auf die Leinwand. In dieser locker leichten Gaunerkomödie überzeugt er weniger als Charakterdarsteller, zeigt dafür, dass man auch über ihn lachen kann ohne besonder mitdenken zu müssen. Leo kann auch leichte Kost verdaulich präsentieren. Belohnt wurde Leo mit einer Golden-Globe-Nominierung. Und genau da sind wir am wunden Punkt, dem Nominierungspunkt, angekommen. Nominiert wurde der junge Mann nämlich reichlich, drei Mal für den Academy Award: 1994 als Bester Nebendarsteller in Gilbert Grape, 2005 als Bester Hauptdarsteller in Aviator (the Oscar goes to … Jamie Fox in Ray) und 2007 als Bester Hauptdarsteller in Blood Diamond (the Oscar goes to … Forest Whitaker in Der letzte König von Schottland).
Ray – eine wahre Geschichte. Das ist das Leben des Howard Hughes verfilmt mit Aviator auch. Wobei die Figur des Ray natürlich was fürs Herz ist. Der verrückte Hughes hingegen entpuppt sich zunehmend als Antiheld, er wird immer abstruser und unheimlicher. Vergleicht man nun diese beiden Rollen mit zwei Rollen eines Schauspielers, der den Oscar bereits gewonnen hat, kommen erneut Fragen auf. Nehme man sich mal Russel Crow als Beispiel. Nominiert für Gladiator 2001 und 2002 für A Beautiful Mind. Ja, und wofür wird er ausgezeichnet? Für seine Darstellung als Halbnackter! Dabei zeigt er seine Wandlungsfähigkeit in der Rolle des charismatischen John Forbes Nash Jr., der zunächst unheimlich, dann jedoch sympatisch scheint.
Wenn also selbst Crow für den falschen Film den Oscar bekommt, wobei ER ihn wenigstens hat, bleibt nur eins: das ganze Spektakel weniger wichtig nehmen. Dass Leo ein guter Schauspieler ist, hat sich wohl rumgesprochen. Nach seinen mehrfachen Zusammenarbeiten mit Scorsese, den Dreharbeiten unter Spielberg Christopher Nolan, drehte er nun mit Woody Allan und wird demnächst mit Tarantino arbeiten. Er ist eben gefragt.
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