Es besteht eine nicht zu leugnende Interdependanz zwischen Kunst und Kommerz. Kunst kostet für Konsument und Produzent gleichermaßen. Dalí hat sich und seine Werke profitorientiert vermarktet, Warhol die Kunst als Ware inszeniert. Doch diese Prinzipien lassen sich natürlich nicht nur in der Bildenden Kunst finden. James Cameron hat mit AVATAR erst kürzlich in einem bisher unbekannten Ausmaß demonstriert, wie sehr auch der Film Ware sein kann. Nicht dass das notwendig gewesen wäre. Immerhin hat das Kino v. a. durch Hollywoods Blockbuster schon immer latent das Image des geldgesteuerten Massenmediums inne. Da möchte man den Film gleich als seelenloses Monstrum denunzieren, das mit riesigen Dollarzeichen in den weit aufgerissenen Augen seine eigenen Kinder frisst. Doch dem Kommerz kann auch eine kreative Kraft innewohnen, wie die beiden Kurzfilme I’M HERE von Spike Jonze und THE GIFT von Carl Erik Rinsch eindrucksvoll beweisen. Mag nicht mehr ganz aktuell sein, was in Zeiten des hyperaktiven Internets sicherlich etwas peinlich ist, aber die Filme sind dennoch eine weitere Erwähnung wert.

Beide Filme sind explizit Teil von Werbekampagnen. Bei Rinsch ist das auf Grund der direkten Einbettung in das Werbekonzept zwar etwas eindeutiger als bei Jonze, dennoch schaffen es beide Werke ihre Herkunft zu übersteigen ohne sie zu leugnen. Obwohl ihre Existenz stark im Werbekosmos verankert ist, können sie auch außerhalb von ihm existieren.

I’M HERE wurde von ABSOLUT VODKA finanziert und wird z. B. auch auf der Website als Teil des Marketings gehandelt. In der Pressemitteilung bezüglich des Films bezeichnet sich ABSOLUT selbst “as a pioneering and culture-shaping brand“. Eine berüchtigte Spirituose, die viele auch den harten Drogen zuordnen würden, als kulturformende Instanz also. Immerhin hat ABSOLUT schon Menschen wie Andy Warhol supported (auf welchem Weg auch immer). Dennoch sicherlich keine unbrisante Kollaboration. Wie man es dreht und wendet, am Ende macht Jonze doch indirekt Werbung fürs Saufen, auch wenn der Film vollkommen andere Sachen thematisiert. Andererseits ist Alkohol unumstritten ein wichtiger Bestandteil jeder menschlichen Kulturausformung und ABSOLUT präsentiert sich auch nicht unbedingt, als gehöre sein Getränk zur Standardausrüstung, wenn es um Sachen wie harten Alkoholismus geht. Doch eigentlich soll es hier auch vielmehr um ästhetische als moralische Fragen gehen. I’M HERE ist eine 30minütige Liebesgeschichte zwischen zwei Robotern, die dem Menschen untergeordnet und zum Fühlen verdammt ihr Dasein fristen. Jonze erzählt sehr langsam und behutsam. Die Geschichte ist humorvoll, hat aber auch einen starken Hang zur (manchmal etwas stereotypischen) Melancholie. Die Bilder sind ruhig und strömen von der ebenfalls melancholischen (manche würden das auch als einfühlsam bezeichnen) Musik begleitet gleichmäßig in einem fast meditativen Rhythmus dahin, um dann an einigen Stellen aufgebrochen zu werden. Die Roboter-Metapher mag ausgelutscht sein, aber Jonze schafft es trotzdem, eine Liebesgeschichte zu erzählen, die größtenteils ohne Plattitüden auskommt und in seiner bedachten Komposition durchaus zu rühren weiß.

THE GIFT gehört zu einem Quintett von Kurzfilmen, die für PHILIPS neues 21:9 Fernsehformat und dem dazugehörigen Gerät werben. Die Regisseure zählen sich allesamt zu der Riege von Ridley Scotts Produktionsfirma Ridley Scott Associates (dass einen manchmal die Kreativität verlässt, wissen wir, denke ich, alle) und haben unter dem Projekttitel PARALLEL LINES von Philips und unter Vorgabe ein und desselben Dialogs diese fünf unterschiedlichen Filme gedreht (die anderen Filme und der Dialog auf http://www.cinema.philips.com/de). Der Fernseher hat sicher schon genau so viele Leben ruiniert wie der Alkohol, aber wie gesagt, die moralische Keule soll hier nicht geschwungen werden. Rinsch hat mit THE GIFT eine Nahe-Zukunft-Dystopie erschaffen, die in Moskau spielt und mit ihrer kühlen Ästhetik und dem osteuropäischen Setting etwas an das Videospiel HALF-LIFE² erinnert (gerade weil die Soldaten fast exakt wie die Combine aussehen). Die kryptische Geschichte entfaltet sich hauptsächlich durch die starken Bilder, die in ruhigen Kompositionen beginnen und in einer viszeralen Verfolgungsjagd enden. Die Effekte sind gelungen und die Musik fängt die leicht bedrückende Atmosphäre gekonnt ein. Überhaupt steht die audiovisuelle Gesamtwirkung hier deutlich im Vordergrund, verleiht der etwas nebensächlichen Handlung durch die stimmige Inszenierung aber dennoch eine gewisse mystische Tiefe.