Mein Filmtipp zum Wochenende: Reality Bites – Voll das Leben.
Absolut sehenswert, denn die Neunziger haben mehr zu bieten als das postmoderne Kino, das Cinema Quebec oder aber den Durchbruch zum digitalen Zeitalter. Die Neunziger sind auch die Jahre der Generation X, betitelt nach dem gleichnamigen Buch des Kanadiers Douglas Coupland. Dieser berichtet über eine Generation mit zu viel Fernsehen und zu wenig Arbeit. Charakteristisch für diese Generation ist, nach Couplands, die fehlende Kriegseinwirkung und der nachlassende Wohlstand. Für Coupland befindet sich Amerika, nach der auf Pump veranstalteten letzten großen Sause unter Reagan und Bush, in der Katerstimmung. Resultierend spricht er, analog zur Mid-Life-Crisis, vom „Mid-Twenties Breakdown“, eine „Periode geistigen Kollapses im Alter zwischen zwanzig und dreißig, oftmals ausgelöst durch die Unfähigkeit, außerhalb der Uni oder einer durchstrukturierten Umgebung zu funktionieren, gekoppelt an die Erkenntnis des wesentlichen Alleinseins in der Welt“. (S.45)
Die Twentysomethings Lelaina (Winona), Vicky (Janeane) und Sammy sind frisch gebackene Collegeabsolventen. Doch, wie soll es nun weiter gehen? Lelaine möchte Dokumentarfilmerin werden und begleitet mit der Kamera das Leben ihrer Freunde, die stellvertretend für ihre Generation stehen. Beruflich schlägt sie sich in der Morning Show mit einem Praktikanten Job rum. Ihre Freundin und Mitbewohnerin Vicky hingegen verdient ihr Geld mit dem Zusammenlegen von Hemden. Für sich ist das Finden eines Jobs der neue amerikanische Traum. Vorrübergehend beherbergen die College Absolventen in iher WG ihren Kumpel Troy (Ethan Hawke). Er beschreibt das Leben als „ein zufälliges Zusammentreffen von echten Tragödien und einer Reihe knappgeschalteter Ausbrüche“. Troy spielt in einer Band, ist sonst auf der Suche nach Jobs, und grundsätzlich faul. Er könnte mehr aus sich machen, was ihm Lelaina lautstark vorwirft. Als Lelaina den Karieristen Michael (Ben Stiller) kennenlernt, Produzent der Sendung “In Your Face TV”, bahnt sich ein Konflikt zwischen ihr und Troy an. Immer wieder sind sie von Eifersuchtsgefühlen geplagt und vollkommen außer Stande sich ihre Zuneigung zueinander einzugestehen. Auch zwischen Lelaina und Vicky kracht es, da Lelaina mit ihrem Job auch den Boden unter den Füßen verliert. Als sich ihr die Möglichkeit eröffnet ihren Dokumentarfilm zu veröffentlichen, scheint die Welt in Ordnung. Doch der Film wird geschnitten und vollkommen missverstanden.
Themen der 90er, wie das Coming Out von Samy und der AID Test von Vicky, werden nebensächlich abgehandelt, was ihnen die Brisanz nimmt und damit die Daseinsberechtigung. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Dreiecksbeziehung zwischen Lelaina, Michael und Troy, die ausgereizter sein könnte.
Der Titel „Reality Bites“ – Realitätshäppchen – wird durch die Nutzung der beiden Kameras aufgegriffen. Ergänzend zur Filmkamera, werden ebenfalls Lelainas Aufnahmen eingebunden, was den Authentizitätscharakter verstärkt und Häppchenweise die Realität der vier Freunde wiederspiegelt. Untermalt wird der Film von einem hervorragenden Soundtrack. Aber auch die Stars der 90er, Ethan Hawke und Winona Rider, überzeugen in diesem wunderbaren Gefühlskarussell.
Drehbuch: Helen Childress /// Regie: Ben Stiller
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