3D: die Zukunft des Kinos. Ein Rettungsanker, an den sich die Filmindustrie klammert. Doch was als eine absolute Neuerung erscheint, gibt es jetzt schon seit über 100 Jahren.
Früher floppte es, jetzt wird es als kommerzieller Durchschlag erwartet. Und dennoch kann man das 3D-Kino noch nicht allzu ernst nehmen.
Früher
Filme dreidimensional zu sehen, scheint eine Vision des 21. Jahrhunderts zu sein, doch schon 1903 experimentierten die Gebrüder Lumière mit 3D-Effekten für ihren Film L´arrivée d’un train en gare de la Ciotat. Knappe 20 Jahre später kam dann der erste dreidimensionale Langfilm The Power of Love in die Kinos.
Erst der 3D-Effekt, dann der Ton, dann die Farbe. Wer hätte das gedacht?
Dann der 3D-Boom in den 50ern: der Heimfernseher schnappte dem Kino die Zuschauer weg. Die neue 3D-Optik sollte alles wieder richten. Bwana, der Teufel war 1952 ein Erfolg, doch alles was danach kam war unerfolgreich und auch totaler Mist. Es waren Effekt-Filme, in denen Pfeile auf die Zuschauer flogen und Haie ins Publikum bissen. Die Bewegung ging also fast ausschließlich in den Zuschauerraum aber nicht in die Tiefe der Leinwand. Und überhaupt: im Kino will man doch Geschichten erzählt bekommen und nicht ein paar Effekte betrachten, die einfach nur für sich stehen.
Doch abgesehen von der Qualität der Filme war die Technik im 20. Jahrhundert absolut unausgereift. In Berichten kann man sogar von Leuten lesen, die das Kino verließen, weil sie sich übergeben mussten oder ihnen schwindelig wurde.
Heute
Und jetzt haben wir beinahe die gleiche Situation: das Kino durchlebt wegen Raubkopien, HD-Beamern und vor allem HD-Heimbildschirmen eine Flaute. Doch dann kommt Avatar ins Kino und macht Hoffnungen auf ein neues Erlebnis, das es im Kino und auch wirklich nur dort zu sehen gibt.
Viele Produzenten und Filmemacher setzen nun alles darauf und hinterfragen gar nicht, ob das, was sie tun, auch Sinn macht. Oder wie. Auf Optik, Story und Erzählweise wird weniger geachtet. Hauptsache 3D. Die Folge ist einfach: wie in den 50ern werden auch wir mit Schrott zugemüllt, auch wenn ein bedeutender Unterschied zu damals besteht: die Technik ist heute ausgereifter und es war (und ist) so oder so an der Zeit, die Kinos mit digitalen Projektoren auszustatten.
Die Zeit, in der 3D-Filme auch 3D-Optik besitzen werden, wird also hoffentlich bald kommen. Es mag für den einen oder anderen seltsam klingen, wenn Resident Evil: Afterlife als der nächste ernstzunehmende 3D-Film seit langem bezeichnet wird. Über die Qualität des Films wird sich auch gewiss streiten lassen, aber im Bezug auf die Technik ist die Aussage mehr als wahr: im Gegensatz zu Prince of Persia, Harry Potter und die Heiligtümer des Todes, Step Up 3D, und und und wurde er nämlich bewusst fürs 3D-Kino konzipiert und gedreht.
In Fällen wie Resident Evil mag es Sinn machen, ebenso bei Camerons Avatar, Rodriguez Shark Boy and Lava Girl und Burtons Alice im Wunderland. Aber warum plötzlich Harry Potter in 3D ansehen? Es ist, als würde man Murnaus Nosferatu von 1929 nachträglich mit Farbe versehen und synchronisieren. Der Film wurde nicht für diese Optik gedreht und würde geradezu ins Lächerliche gezogen werden. Diesen Effekt nur des Effektes wegen zu benutzen, mag ganz nett für uns sein, auf Dauer allerdings ziemlich sinnlos und langweilig. Die Erzähltiefe geht oft verloren oder die Optik hat zu leiden, und irgendwelche Rauptiere, Monster oder Waffen, die auf uns zufliegen, können uns höchstens einmal erschrecken.
Kein Wunder, dass Saw VII nun Saw 3D heißen wird. Neuerungen sind ja schön und gut, aber manche Dinge sind auch überflüssig und passen in den Fortschritt überhaupt nicht hinein. Wer weiss, vielleicht wird ja Saw 98 dann mal Saw 5D heißen.
Ja klar, das war einfarbig. Eigentlich ein ganz guter Vergleich – die Tinte ist da ja wirklich Gestaltungsmittel, das für die Erzählung Sinn macht, und nicht nur Effekt …
@Bene:
Stimmt, da hab ich mich nicht klar ausgedrückt: mit Farbe meinte ich richtig farbig – also verschiedene Farben, die das Bild im Endeffekt kontrastreich gestalten. Soweit ich weiss, waren diese Tönungen damals einfarbig und gleichmäßig – änderten also nicht viel an der Bildgestaltung und behielten im Endeffekt die Schwarz-Weiß-Optik bei.
Schöner Artikel! Und gleich mal Entschuldigung für die Klugscheißerei: „Nosferatu must have been in colour at the time of its release in 1922 – ‚tinted‘ and perhaps also ‚toned‘. We make this assumption not only because this was normal in Germany at the time, but also because a vampire does not walk around in broad daylight, as he does in all the black-and-white prints of the film.“
Es ist eigentlich schade, dass 3D von so vielen nur zum Marketing und nicht zur Gestaltung genutzt wird. Wobei selbst das was hat, da kommt manchmal großartiger Trash bei raus 😉