Warum die Delikatessen des Bayreuther Cineplex für Cineasten kein ausreichender Ersatz für ein Programmkino sind und die Stadtgröße keinen hinreichenden Grund dafür darstellt.

Provinzielle Milch-Mädchen-Rechnung: Laut dem Bayrischen Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung hat Bamberg 69 827 und Bayreuth 72 576 Einwohner (Stand 31.12.2009). Rein zahlenmäßig gibt es also eine größere Zahl an potenziellen Kulturkonsumenten. Das müsste sich doch dann auch in der Kino-Kultur-Landschaft widerspiegeln: Mehr Angebot für mehr Menschen?! Was wäre das einfach…

Es liegt doch nur in der Natur der Sache! Eine Stadt braucht ein Kino, am besten ein großes, schließlich gibt es Kulturstätten wie Bayreuth, Universitäts- und Festspielstadt. Die Finanzlagen zwingen die kreativen Geister zu großem Bombastkino und unterhaltsamer Mainstream-Kost. Die Regisseure wollen arbeiten, die Studios trotz der Wirtschafts- und Insolvenzhölle gut verdienen. Angebot und Nachfrage. Die Leute sollen das sehen wollen, was sie sehen wollen, oder so ähnlich. Das einzige Kino der Stadt muss dem Markt folgen. Was ist mit den Independent- und Kunstfilmen? Mit den Aulsandsoscar-Nominierten und den Gewinnern der Goldenen Palme? Bayreuth ist zu klein, in einer größeren Stadt ist das möglich, aber… Na gut Bamberg… Da kommt der Fuß unters Rad.
Bayreuther Kinogänger müssen sich mit den Delikatessen im Monopol-Lichtspielhaus Cineplex  begnügen. Das ist grundsätzlich eine super Sache für eine kleinere Stadt: Jede Woche kommen für Liebhaber europäischer Nischenfilme an zwei Tagen mit je zwei Vorstellungen die Arthaus-Filme, die sich im normalen Programm nicht lohnen würden. Die Ansprüche werden befriedigt, Filmfreunde ruhiger, mainstreamferner Kost kommen auf ihre Kosten und müssen nicht den teuren und weiten Weg in andere Städte auf sich nehmen.

Leichte Zweifel am Konzept beginnen zu keimen, wenn es die Flexibilität der Leute einschränkt. Die Kinogelüste können nicht spontan befriedigt werden, sondern erfordern genaue terminliche Planung. Läuft der begehrte Film nicht im normalen Programm, dann hofft man auf einen Release als Delikatesse. Nur kann das etliche Monate auf sich warten lassen – teilweise sogar bis zu vier Monate, auch wenn es ein namhafter und medienpräsenter Film ist (z.B. „Zerrissene Umarmungen“ von Pedro Almodóvar oder Michael Hanekes „Das weiße Band“, Gewinner der Goldenen Palme 2009). Wenn alle Hoffnungen aufgegeben wurden und die Ungeduld an einem nagt, dann versucht man das Bedürfnis in anderen Lichtspielhäusern zu befriedigen – und dem Cineplex schwinden die Interessenten. Allerdings ist dies für ein Programmkinoformat nicht ungewöhnlich, gehen die Kopien, deren Anzahl vor allem bei kleinen Filmen beschränkt ist, doch erst einmal an die Großstädte und vielbespielten Kinosäle. Erfahrungsgemäß sind dann eher zwei Monate Verzug der Standard. Welchen Status das Cineplex Bayreuth bei den Kinoverleihern mit Filmen kleinerer Kopienanzahl inne hat ist nicht bekannt.
Besondere Herausforderung für Rätselfreunde: Es ist nicht sicher ob denn dann der gewünschte Film auch wirklich läuft, auch wenn er nicht im regulären Programm erschien. Werke bekannter europäischer Regisseure oder solche, die in den Medien in aller Munde waren, können schon mal unter den Tisch fallen. Werner Herzog – das ist doch der mit dem verrückten Schauspieler, dem Kinski – hat man schon mal gehört. Sein „Bad Lieutenant“, von den meisten Kritikern nicht auf Händen getragen, wurde in Bayreuth nicht gezeigt. Ebensowenig das Gangster-Epos und Cannes-Augenmerk „Un prophète“ von Jaques Audiard. Deutschlands Schauspiel-Liebling Jürgen Vogel konnte in „Schwerkraft“ nur für das Publikum der Sneak-Preview glänzen. Eine der bittersten Pillen scheint das Ausfallen von Tom Fords „A Single Man“ zu sein, der im Fernsehen und in den Zeitungen ausgiebig diskutiert und gelobt wurde. Das Nichtzeigen dieser Beispiele ist in der Kategorie Delikatessen rein auf die Programmauswahl bezogen schlicht unverständlich.
Spekulationen nützen nichts. Fakt ist, dass es für eine Stadt kleinerer Ausmaße mit vermutlich eher geringeren Besucherzahlen bei den Delikatessen-Filmen schwierig ist für nur zwei Tage mit vier Einsätzen frühzeitig eine Kopie von den Verleihern zu bekommen.

Sein Gemüt beruhigen fällt da dennoch schwer, wenn man sich selbst mit dem Argument überzeugen will, es sei eine kleine Stadt, da wäre es normal. Vielleicht.

Ein Blick 70 km westlich nach Bamberg verwandelt das Argument in eine Lüge. Grob sind sich Bayreuth und Bamberg größentechnisch fast identisch. Doch hier teilen sich das CineStar Bamberg und Odeon/Lichtspiele die Kinobesucher. Die bekannte Kinokette beschränkt sich wie das Cineplex im Allgemeinen auf die bekannten, teuren Mainstream-Knaller und banal heruntergerechnet nimmt das Odeon den Rest, denen das CineStar kein Chance gibt/geben kann. So werden die bekannteren Filme gezeigt, die auch für ein breites Publikum sehr zugänglich sind wie z.B. „Mic Macs“ oder „Moon“, die in Städten wie Nürnberg auch in großen Kinopalästen laufen, aber das CineStar erst einmal beschränkt ist den Massen an Blockbustern und unzähligen Horror-, Comedy-, Kinder- und Jugendfilmen Zeit und Raum geben zu müssen, weil der Markt es vorschreibt.
Dagegen laufen im Odeon aber auch die unbekannteren, oft anspruchsvolleren, mitunter schwierigen Filme an. Bezogen auf das angekündigte Programm sind das z.B. deutsche Filme wie „Distanz“ und „Waffenstillstand“, „Das Konzert“ für Freunde des französischen Kinos oder „Bal – Honig“, der Gewinner des Goldenen Bären 2010. Teilweise als Originalversionen mit Untertiteln. Die ganze Palette wird bedient und Bamberg kann jedem Kinobesucher je nach Geschmack alles bieten.

Natürlich lassen sich die Delikatessen nicht 1:1 mit dem Programm im Odeon vergleichen, weil es nun mal ein vollständiges Programmkino ist und die Filme mehrmals in der Woche zeigen kann. Vielleicht existiert in Bayreuth auch gar nicht die Lobby, dass sich ein eigenes Programmkino hält oder, dass sich solche Filme im täglichen Programm lohnen.

Das Mindeste scheint dann jedoch zu sein, für die Cineasten und Dauerbesucher der Delikatessen wenigstens eine ausgefeiltere Auswahl zu servieren, dass bevorstehende und erhoffte Perlen nicht wieder verpasst werden müssen.

Ebbe ist erst einmal nicht wirklich in Sicht, wurde doch erst das neue Werk von Amélie-Regisseur und Publikumsliebling Jean-Pierre Jeunet „Mic Macs“ oder Independant-Sci-Fi-Filme wie „Moon“ oder „Mr. Nobody“ in die Kinos gebracht. Manch einem werden auch die neuen Werke von Isabel Coixets („Mein Leben ohne mich“) „Eine Karte der Klänge von Tokio“ mit Sergi López (als General aus „Pans Labyrinth“ bekannt) oder von Gaspar Noé („Menschenfeind“, „Irreversibel“) interessieren, die im August anlaufen.
Aus einer Antwort-Mail vom Cineplex bezüglich der Frage nach den oben genannten Filmen ging jedoch hervor, dass im August angelaufene Filme leider erst über das Delikatessen-Programm des November-Dezember-Zeitraumes ihren Weg ins Bayreuther Kino finden werden. Und ewig grüßt das Murmeltier…