Die Filmemacherin Sally Potter begibt sich mit ihrem poetischen Drama auf Neuland, wenn auch der Plot ein altbekannter zu sein scheint: Mann begehrt verheiratete Frau.

„Er“ (Simon Abkarian) und „Sie“ (Joan Allen) begegnen sich in einem Restaurant, wo sie mit ihrem Mann (Sam Neill), einem untreuen Politiker, zu einem Empfang eingeladen ist. Während ihr Mann flirtet und den Trubel sichtlich genießt, fühlt sie sich immer unbehaglicher, verlässt den Raum und trifft dann im Flur auf ihn. Er arbeitet als Kellner und Koch in dem Restaurant.

Er: Als Frau, so ganz allein. Ich würde niemals…

Sie: Niemals was?

Er: So eine Schönheit aus den Augen lassen, nicht mal für einen Augenblick. Und außerdem will ich sie dem Mann stehlen, der nicht die Königin in Ihnen sieht. Wann sind sie frei?

Die Nummern werden ausgetauscht und wenig später kommt es zu einem ersten Treffen. Schüchtern und distanziert spazieren sie durch den Park, können jedoch nicht lange an sich halten und fallen wenig später übereinander her. Die leidenschaftliche Affäre nimmt ihren Lauf. Neben der aufblühenden Begierde zerbricht parallel dazu ihre Ehe. „Sie“ erkennt, dass ihr Privatleben in Trümmern liegt. Gespräche zwischen ihr und ihrem Mann gibt es nicht. Die Kommunikation findet über Zettel statt.

Und auch zwischen ihr und ihrem Liebhaber liegen Welten. Die erfolgreiche Molekularbiologin stammt aus Irland, lebt jedoch seit ihrem zehnten Lebensjahr in London. „Er“ lebte in Beirut, wo er als Arzt arbeitete, was ihm in England verwehrt bleibt. Es treffen nicht nur die östliche und die westliche Welt aufeinander, sondern auch Ansichten über Glaube und Gott, das Leben und die Vergänglichkeit.

Am Arbeitsplatz, in der Küche, wo er geschickt die Messer schwingt, diskutieren die Kollegen in reimendem Versmaß, wobei immer wieder Vorurteile aufkommen, mit denen „Er“ nicht leben kann. Es kommt zu einem Eklat und „Er“ spürt, dass es so nicht weitergehen kann. Der anfangs so selbstsicher wirkende Verführer bricht unter dem Druck der Vorurteile und des Rassismus zusammen. Und auch ihr werden die Grenzen des Lebens aufgezeigt. Während sich ihr Ehemann bei ihrer Nichte ausweint, liegt nun auch noch ihre geliebte Tante in Irland (Shirley Hancock) im Sterben. Mit dem Tod der Tante krempelt „Sie“ ihr Leben um, packt den Koffer und reist nach Kuba, wo sie ihn wiedersehen möchte. „Yes“, scheint sie zum Leben und ihren Träumen zu sagen, die sie lange unterdrückt hat.

Sally Potter gibt ihren Protagonisten keine Namen und doch sind ihre Charaktere ausgefeilt und geradlinig, jedoch in ihren Positionen austauschbar. Wunderbar verbindet Potter in „Yes“ politische Weltansichten und hingebungsvolle Leidenschaft. Und so erinnert nicht nur der Plot an Shakespeare, der zwei Liebende zeigt, die Welten trennt, sondern auch die in Versmaß verfassten Dialoge

„The verse form seems to give a kind of flow to the combination of thoughts and dreams that the characters are struggling with. I believe that verse takes us closer to the kind of stream of consciousness that everyone has inside their heads somewhere in the back of their minds. People don’t think in organized paragraphs and sentences, but more like a tumbling torrent of thoughts and feelings and associations. A flowing river of thought, image, feeling, dream, fear, God, dirt, love, sex, war, food. All the things that make up our consciousness, I think, are all mingled somewhere in the mind. Call it verse, call it poetry, call it rap, call it the song form, it allows for us, with a lyric structure, to contact that secret part of the mind and the heart.”, sagt Sally Potter.

Unterstützt wird die außergewöhnliche Erzählform durch die Bildsprache, die vereinzelt an Wong Kar-Wai erinnert. Zeitlupen, verwischte Bilder und Aufsichten durch eine schwarz weiß Videokamera stellen Nähe und Distanz her, sprechen Ungesagtes aus und lassen Gesagtes verschwinden. So auch manche Dialoge und Monologe aus dem Off, die die Gedanken der Protagonisten verraten.

„Yes“ regt zum Nachdenken an, lädt zum Verweilen ein und lässt reflektieren. „Yes“ ist aber auch einfach ein lebensbejahender Film, der uns daran erinnert, wie schön das Leben sein könnte und uns schonungslos vor Augen führt, wie schnell man in einem goldenen Käfig landen kann, den man sich vielleicht sogar selber baut.

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Yes (2004), Regie: Sally Potter