David O. Russell (I Heart Huckabees) wurde wieder auf die Bühne des Filmgeschäfts gerufen. Und das auf jeden Fall nicht unerfolgreich. Die geschätzten 25.000.000$ Budget hat er schon längst wieder um ein Vielfaches drin, zwei Oscars gingen an Christian Bale und Mellisa Leo, für fünf weitere war der Film nominiert (u.a. Bester Film, Beste Regie, Bester Schnitt).

Hauptdarsteller und Produzent Mark Wahlberg dürfte nicht unglücklich sein. Der Film wurde sogar als großes Schauspielkino und eine ausgefeilte Milieustudie angekündigt. Doch hält er auch das, was er verspricht?

Als großartige Milieustudie kann man „The Fighter“ zumindest nur schwer bezeichnen. Das hat Rocky für uns getan. Als psychologische Talfahrt in die innersten Winkel der selbstzerstörerischen Seele, die nach Ausgleich sucht, ebenso nicht. Das hätte Darren Aaronofsky sicher getan, der ursprünglich den Film hätte drehen sollen. Das wäre dann aber andererseits wohl nach „Black Swan“ „The Wrestler – Teil III“ geworden.

Doch so abwegig ist die Vorstellung gar nicht. Mickys Halbbruder Dicky (Christian Bale) ist nämlich genau so ein Typ, der sich in sich selbst verliert und das Ganze mit seiner Traumsportart ausgleichen will. Das kann er aber schon längst nicht mehr, weil er viel zu kaputt und auch alt ist. Eigentlich wird Dicky dadurch in großen Teilen des Films sogar zum eigentlichen Hauptdarsteller – ähnlich wie Clint Eastwood in „Million Dollar Baby“.

Und hier sind wir auch im Zentrum der Geschichte: die Beziehung von Micky (Mark Wahlberg) zum einen zu Bruder und Boxtrainer Dicky und zum andern zu Freundin Charlene (Amy Adams). Angeborene vs. gewählte Familie. Der Trainer, der es nie geschafft hat und sich nun in seinem Schüler verwirklichen will. Und auf der anderen Seite der brave Junge, der die ganze Familie ernährt und trotzdem immer im Schatten seines Bruders steht.

Klingt alles etwas klischeehaft, alles etwas nach Hollywoodschem Herzschmerz – und das ist es auch. Der beste Hinweis dafür: Es ist kein Geheimnis, sondern auch im Film schon sehr bald klar, dass sich all die Tiefen(un)schärfe am Ende in Wohlgefallen auflösen wird. Nicht zu reden von der albernen und oft gesehenen Familienkonstellation: Mickys Familie besteht aus einer dominanten, betont gepflegt auftretenden Mutter, einem fettleibigen Vater, der nichts zu melden hat und einer achtköpfigen Töchterschar, die noch zu Hause lebt und als Mutters verlängerter Arm funktioniert. Zu guter Letzt gibt es dann wie erwähnt noch seinen Halbbruder, der immer der Liebling und Held der Familie und die vermeintliche Stütze für Micky ist, aber eigentlich selbst sein Leben nicht auf die Reihe bekommt.

Klischeehaft – ja. Doch zumindest so gut umgesetzt, dass man es beinahe nicht bemerkt. Leider nimmt es der Geschichte dennoch viel von dem Realitätscharakter, der mühsam versucht wird aufgebaut zu werden.

Interessanter anzusehen ist da schon das Spiel der Akteure: Mark Wahlberg, Amy Adams, Melissa Leo und natürlich der heiß umredete Christian Bale – die Hauptdarsteller machen ihre Sache brilliant. Bale spielt einen drogenabhängigen Selbstdarsteller, der an dem Erfolg zehrt, dass er vor Jahren einen bekannten Boxer kurzzeitig zu Boden geschlagen hat. Ein Spannungsfeld zwischen Selbstüberschätzung und Minderwertigkeitskomplexen wird aufgebaut, zwischen Kind- und Erwachsensein. Und Bale ist natürlich in seiner bekannten Method-Acting Manie abgemagert. Denn das muss man im Gegenzug schon auch sagen: der dicke, fette Oscar steht wie Nachbars Lumpi auf Typen, die versuchen, sich in abgewrackte Rollen einzuleben.

Doch auch Amy Adams gibt ihrer Rolle der Außenseiterin, die abgestürzt und am Ende scheint, sich jedoch als starke Frau mit Selbstvertrauen entpuppt, das Stück Ambivalenz, das ihr eine Oscarnominierung einbrachte. Und Mark Wahlberg scheint nun auch seine Rolle gefunden und endlich akzeptiert zu haben, dass er einem handfesten, ehrlichen und stringenten Typen am meisten Leben einhauchen kann.

Und dann sind da natürlich noch die Kämpfe. Doch die erscheinen leider etwas gezwungen – in einem Boxerfilm müssen schließlich irgendwo Boxkämpfe eingebaut werden! Gerade der Endkampf ist so unmotiviert wie der Beilagensalat im Wirtshaus, den man zu Schnitzel und Pommes bekommt. Gehalten in wackelig-beobachtenden Halb-Dokumentarstil sind sie allerdings trotzdem unterhaltsam. Dass O. Russel eher auf Realismus setzt denn auf physische Gewalt, kann man halten wie man will.

Und eines noch – sozusagen als Nachschub: Das Tamtam um „Nach einer wahren Geschichte“ hätte sich der Film sparen können. Er hat es nicht nötig. Im Film selbst geht es nicht die Bohne darum, ob das jetzt nach wahren Begebenheiten war oder nicht – und es interessiert auch kein Schwein, außer vielleicht das Marketing-Team. Der Film ist ganz einfach nicht so erzählt und die Charaktere nicht so gesponnen, dass man sich denkt: „Puh, der hatte ja ein Leben!“. Im Abspann sieht man dann sogar den „richtigen“ Dicky und Micky. Doch was soll mir das sagen und was soll es bringen? Die hätten da auch den Onkel des Regisseurs hinstellen können und es hätte ebensoviel Aussage. Wer weiss, vielleicht ist er es ja sogar. Dass der Film realistisch rüberkommen will, ist klar, doch wird er das durch so einen unmotivierten Rahmen?

Fazit: Wer einen außerordentlichen, tiefenpsychologischen Film sehen will, wird hier eher nicht bedient. Doch wer sich einfach nur an etwas gut Erzähltes und sehr Unterhaltsames erfreuen will, der ist mit „The Fighter“ richtig dran. Jammerschade, dass der Film das selbst nicht erkannt hat. Auf keinen Fall Flop, aber auch nicht richtig Top.

Kinostart: 07.04.2011