Am Ende großer Mühe steht der Lohn: Über den Bildschirm flimmert die finale Zwischensequenz. Denn ich habe Super Meat Boy durchgespielt. Gut, nur die Standardlevel, die schwierigen habe ich ausgelassen. Das Jump-and-Run ist schließlich so schon schwer genug. Zahlreiche Stunden hatte ich fluchend in meinem Zimmer verbracht, nur um mich jedes Mal wieder in den sicheren Tod zu werfen. Was also sollte mir den Sieg nun madig machen? Nur um sicherzugehen, was ich in der „Dark World“, die härtere Versionen der normalen Level, verpasst hatte, schaute ich auf YouTube vorbei.

Und dann sah ich ihn: Diesen Spieler, der den Plattformer wie ein Kinderspielzeug aussehen ließ. Der mich quasi mit jeder Bewegung, jedem geschafften Level verhöhnte. In unter zwei Stunden schaffte er nicht nur das, was mir die vergangenen Wochen Hass und Qual brachte. Er komplettierte das Spiel ─ 106 Prozent ─ und zeigte sich am Ende seines Durchmarsches sogar noch unzufrieden. Was ist das für ein Typ, „Breakdown“ genannt, der meine motorischen Fähigkeiten derart in den Schatten stellt und eines der schwierigsten Spiele wie im Schlaf durchspielt?

Nach kurzer Suche begriff ich: Der Spieler ist ein Speedrunner. Das Event, an dem er teilnahm, eine Wohltätigkeitsveranstaltung namens „Awesome Games Done Quick“ (AGDQ). Und er ist mit seinem Talent nicht alleine. Als ich weiterstöberte, entdeckte ich verschiedenste Spiele, die von weiteren Speedrunnern in bahnbrechender Zeit absolviert wurden. Metroid Prime: Keine 90 Minuten. Skyrim: Nicht einmal eine Stunde. Super Mario 64: Unter 25 Minuten. Wie ist das alles möglich?

Zeit für etwas Aufklärung: Wie der Name schon verrät, geht es in einem Speedrun um das schnellstmögliche Durchspielen eines Spiels. Die Speedrunner selbst verbringen Stunden über Stunden damit, ihren Titel auswendig zu lernen. Denn jede Sekunde ist von Bedeutung. Für das Erreichen des Ziels gibt es diverse Möglichkeiten. Die einfachste: Üben, üben, üben. Im anfänglichen Beispiel des Super-Meat-Boy-Profis waren keine Hilfsmittel gegeben. Zwischen Spieler und Sieg standen nur ein Controller und die eigene Fähigkeit.

Doch manche Zeiten lassen sich nicht mit normalen Mitteln unterbieten. Ein Beispiel dafür ist ein fünf-Minuten-Speedrun der grünen Edition von Pokemon ─ auf japanisch. Die Sprache hat mehrere Gründe. Zum einen umfassen die japanischen Schriftzeichen mehr Text als die lateinischen und lassen sich somit schneller wegdrücken. Zum anderen handelt es sich bei der japanischen Version oftmals um die Originalfassung, die im Gegensatz zu anderssprachigen Versionen andere Glitches enthält. Und diese Glitches, also unbeabsichtigte Fehler im Spiel, nutzen Speedrunner oftmals aus, um das Spiel in sonst nicht erreichbarer Zeit zu beenden. Im Beispiel Pokemon Grün teleportiert sich der Spieler quasi in die Ruhmeshalle, was das Durchspielen in der Rekordzeit möglich macht.

Neben Glitches helfen auch technische Hilfsmittel weiter. Bestimmte Tools lassen das Spiel beispielswiese in Zeitlupe abspielen oder gar zurückspulen. Eine Manipulation des Spielstandes kann ebenso diverse Stunden Zeit ersparen. Bei all den Möglichkeiten stellt sich jedoch auch die Frage: Wie darf ein Spiel durchgespielt werden? Warum mühevoll die verstecktesten Ecken des Spiels durchforsten, wenn das Ausnutzen eines Spielfehlers das bessere Ergebnis birgt? Aus diesem Grund gibt es verschiedene Speedrun-Kategorien. Teilweise reicht es, das Spiel einfach nur durchzuspielen. Manchmal sind aber auch 100 Prozent gefordert. Und dass Glitch-Runs von den normalen Runs getrennt werden, verlangt alleine schon die Fairness.

Letzteres haben zwei Speedrunner auf der diesjährigen Speedrun-Veranstaltung „Awesome Games Done Quick“ eindrucksvoll vorgeführt. Den Beginn machte ein Spieler mit dem Namen „Oginam“, der Dark Souls 2 in rund einer Stunde durchspielte. Anschließend führte der Spieler „Noobest“ den Titel mit Glitches noch einmal vor und brauchte dafür nur ein Drittel der Spielzeit seines Vorgängers.

Kreative Speedrunner spielen ihre Titel nicht nur schnell, sondern auch mit Handicap durch. „Sinister1“, wie sich der Spieler nennt, hat zu seinem Durchgang von Mike Tyson’s Punch Out!! gleich auch eine Augenbinde mitgebracht. So kämpft sich der Speedrunner quasi blind durch das Box-Spiel. Wie er sich schlägt? Schaut es euch an! Und wenn ihr mich entschuldigt: Ich muss jetzt Super Meat Boy üben.