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Dem Sonnenuntergang entgegen reiten und das Spiel glücklich zur Seite legen, das wollte ich. Nichts anderes hatte sich John Marston verdient, den ich durch zahllose Abenteuer des Wilden Westens geführt hatte. Ein trostloses, unfruchtbares Land, in dem die Gesetzlosigkeit regierte und dessen einzige Hoffnung jetzt im Staub lag – von etlichen Kugeln durchbohrt. Schon häufiger hatte ich ins Präriegras gebissen, was ja auch kein Wunder ist, wenn man sich mit Banditen, Bären, Indianern und der mexikanischen Armee anlegt. Doch jetzt machte es keinen Sinn, einfach einen Spielstand zu laden – es lag nicht an meiner Ungeschicktheit wie damals, als ich das Duell mit einer Eisenbahn verlor. Nein, der Tod war nun geplant und hatte auf John Marston seit Beginn des Spiels gewartet. Egal, wie wild ich um mich schoss, es gab keinen Ausweg. Grausam. Aber auch der wichtigste Grund, warum Red Dead Redemption zu den besten Spielen der letzten Jahre zählt.

Verantwortlich für den Tod des John Marston und all die spaßigen Stunden davor ist Rockstar Games, das Red Dead Redemption im Mai 2010 für die Playstation 3 und Xbox 360 veröffentlichte.  Die Entwickler blieben sich dabei selbst treu und erschufen eine Art Grand Theft Auto im Western-Ambiente, was natürlich für einige Besonderheiten sorgt. Statt mit Autos durch Großstädte zu rasen, reitet man 1911 im amerikanisch-mexikanischen Grenzgebiet auf Pferden durch die endlose Wildnis. Kommt John dann endlich in einer Siedlung an, stehen nicht Golf oder Tennis als Zeitvertreib auf dem Programm, sondern Hufeisenwerfen und Pferde einreiten. Ganz nach GTA Manier bietet das Spiel eine wendungsreiche, spannende Geschichte und unzählige kleinere Missionen am Wegesrand – ein Sandkasten, der herrlich viele Freiheiten lässt. Das Setting ist unverbraucht und wird auch angemessen präsentiert – die fast vier Jahre alte Grafik kann sich durchaus noch sehen lassen. Besonders stylisch ist die Dead-Eye gelungen, eine Art Bullet-Time, bei der John Marston in Zeitlupe seine Ziele anvisieren kann, um sie dann in einem wahren Kugelhagel zu vernichten. Traumhaft schön ist auch die Musik, die passend zu besonderen Momenten in der Story eingespielt wird, wie hier beim ersten Ritt in Mexiko.

John wuchs mir im Laufe der vorbeifliegenden Stunden immer mehr ans Herz, denn seine Geschichte wird einfühlsam erzählt. Als Mitglied einer Bande von Outlaws wurde er bei einem gescheiterten Raub schwer verletzt im Stich gelassen. Ein guter Zeitpunkt, um auszusteigen. John versuchte daher, sich mit Frau und Kindern ein neues Leben aufzubauen, doch die Regierungsbehörde Bureau entführte seine Familie und erpresst ihn nun, alle Mitglieder seiner ehemaligen Bande zur Strecke zu bringen. Sicher, John Marston war ein Verbrecher, doch jetzt will er einfach seine Familie retten. Er bleibt seiner Frau trotz zahlreicher Angebote treu, nimmt es im Namen der Gerechtigkeit mit ganzen Armeen auf und hilft nebenbei noch jedem Opa am Straßenrand. John wirkt fast schon ZU gut – ein Vorbild und ein Idol für die Menschen im Westen und in Mexiko, die nicht gerade in rosigen Bedingungen leben.

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Nachdem der Auftrag nach langem Kampf erledigt wurde, scheint alles auf ein Happy End zuzusteuern. John geht mit seinem Sohn Jack in aller Ruhe jagen, genießt die Zeit mit seiner Frau und die Geschichte wird stark entschleunigt. Die kleine Familie Marston steuert auf eine glückliche, harmonische Zukunft zu, doch nach wenigen Monaten trauter Zeit wird John verraten und getötet.

Dass man danach mit Jack Marston das Land erkunden und dabei sogar Johns Tod in einer kleinen Mission rächen kann, ist eine gute Idee. Auch der Multiplayer-Modus überzeugt, da man wie bei GTA 5 alle Freiheiten hat und viele spaßige Stunden verbringen kann. Sogar ein Add-On mit dem Titel Undead Nightmare wurde veröffentlicht, in dem John kurz vor seinem Tod eine Zombieapokalypse zu überstehen hat. Alles ganz nett, doch trotzdem hat sich das Ende von John Marston und meine Machtlosigkeit am meisten ins Gedächtnis eingebrannt. Das Familienglück, für das ich so lange gekämpft hatte, war einfach zerstört worden. Grausam und genial – und auch, wenn ich es nur ungern zugebe: Um Längen besser als jeder Ritt in den Sonnenuntergang. Sorry, John.