Hallo.
Ich bin Jonas.
Und ich habe das Grauen gesehen.

Prolog: Einmal im Jahr ist Gamescom in Köln. Das reicht auch, finde ich. Bitte nicht falsch verstehen, ich bin Videospieler aus Leidenschaft, und ganz sicher der Letzte, der eine der größten und wichtigsten Spielemessen der Welt doof findet. Was ich aber doof finde ist Laberei. Schrecklich ist das!

Gerade an solchen Großevents findet man Laberei an jeder Ecke. Hat sich zum Beispiel mal jemand eine Pressekonferenz eines namhaften Vertreibers von Videospielen angeschaut? Lasst es bleiben. Wirklich. Da wird man des Lebens nicht mehr froh.
Ein Beispiel: Electronic Arts ist ja bekanntermaßen der Dieter Bohlen der Videospielindustrie. Unangenehm laut, an Unhöflichkeit kaum zu übertreffen und trotzdem thronend auf einem Haufen Zaster. Rundum reichlich ekelhaft. Aber das Modell hat (finanziellen) Erfolg, und deswegen auch eine gewisse Daseinsberechtigung.

Es begab sich also zu der Zeit, dass ein gewisser Andrew Wilson – seines Zeichens CEO und Obermehlsack von Electronic Arts – sein diesjähriges Über-Angebot an Videospielen dem Volke unter die Nase reiben wollte. So betrat also selbiger Wilson die Bühne: komplett in schwarz gekleidet, die Augenbrauen zu diabolischen Strichen des Zorns gezupft und ein Justin-Bieber-Gedächtnis-Mikrofon an den linken Wangenknochen gepappt. Kein Witz, würde man ein Biopic über den Teufel drehen, der Mann wäre meine erste Wahl. Also rein vom Ästhetischen her, versteht sich. Nackenhaaraufstellgarantie.

Als bald beginnt Wilson also mit seiner Laberei. Und, das lasst euch sagen, der Mann versteht sein Handwerk. In knapp unter zwei Minuten feuert er das gesamte Arsenal an inhaltslosen Buzzwords auf die paralysierte Zuschauerschaft ab. Granatengleich hagelt Marketingmunition wie ‚epic‘, ’new‘, ‚unique‘, ‚awesome‘ und ’stunning‘ auf die wehrlose Menge herab. Es folgen Zungenbrecher wie „we’ll emerse you in the intensity and exictement of competition“ – Manometer. In diesem durchdesignten Floskelsalat ist wirklich alles drin. Außer Inhalt!

Angeblich wird halt alles noch viel toller als es eh schon ist. Und actiongeladener. Und hübscher sowieso. Hübscherer quasi. Wer mal kurz an bereits vergangene Presseevents (gerne auch von anderen Publishern) zurückdenkt, wird schnell feststellen, dass die sich alle ähneln wie ein DSDS-Jurymitglied dem anderen. Sei es nun der (auf mich) bedrohlich wirkende Herr Wilson von EA mit seiner Einschüchterungstaktik, oder die superhippe, superjunge, superattraktive, super-meta-ige Aisha Tyler, die seit jeher versucht, Ubisoft’s Pressekonferenzen mit Vulgärsprache und „OH. MY. GAAAWDyouguysaregonnalovethis!“-Mentalität zu neuem Glanz zu führen.

Sieht man sich EA’s Pressekonferenz weiter an, stellen legere Entwickler-Normalos den frisch gedruckten Klappentext ihrer neuen Spiele vor, will heißen: „be the hero you want to be“, „it is the biggest and most immersive game we’ve ever made“, „this is the game we always wanted to create“ und ähnlich wohlklingender, faktenarmer Nonsens.

Hier stellt sich irgendwann zwingend die Frage: was hab‘ ich in den letzten 75 Minuten eigentlich erfahren, was ich nicht schon vorher hätte ahnen können? Selbstverständlich ist die Antwort darauf nicht „Nichts“, aber es ist schon verdächtig nah dran. Denn – Überraschung – es kommt ein neues SIMS, in dem man Häuser bauen und Charaktere visuell verschandeln kann. Es kommt ein neues Battlefield, in dem man auf böse Buben schießt, während ein KI-Kollege flapsige Sprüche ablässt. Es kommt ein neues FIFA, bei dem man Fussball spielt und die Spieler jetzt auch traurig sind, wenn sie verlieren. Es kommt EA’s Versuch auf den überladenen MOBA-Hype-Train aufzuhüpfen, mit einem Titel, der austauschbarer nicht heißen könnte: „Dawngate“. Sogar neue Ankündigungen sind hier alte Hüte.
Doch dann! Ja ist es denn die Possibility?! Eine ganz neue IP? Von Bioware?

„We think its unlike anything you’ve ever seen before“
*Schluck*
„….it’s an ACTION RPG!“

Aha? Ein Action RPG? Also ein neues Spiel aus dem überlaufendsten Genre überhaupt?
Ich wein‘ gleich.

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Gott sei Dank ist jetzt aber auch endlich Schluss hier. „Den-Sack-zu-Macher“ Steve Papoutsis hat die Aufgabe, allen noch viel Spaß zu wünschen und zu versichern, dass „wir“ ja alle hier seien, um „Games“ zu „playen“. Darauf hin dürfen alle Beteiligten wieder zu ihren Familien zurückkehren.

Ich liege entkräftet in Embryonalstellung am Boden.
Ich mag nicht mehr.

Mir tut alles weh, ich will nur noch in den Arm genommen werden. Will, dass jemand sagt, dass alles wieder gut wird. Mir egal ob’s gelogen ist oder nicht. Bitte. Bitte keine Laberei mehr. Bittebittebitte.

Aua.