Sea of Thieves. In die Rolle eines Piraten schlüpfen, gemeinsam oder auch alleine in See stechen, gewaltige Schätze ausgraben, epische Seeschlachten schlagen und die See unsicher machen – ein Spiel, was schon vor seinem Release für gewaltige Furore in der Spielerschaft sorgte. Endlich ein richtiges Piratenspiel, in welchem man all das tun kann, was ein Pirat eben so den lieben langen Tag tut, und das sogar im Koop und Multiplayer-Modus! Genau das Spiel, worauf man schon seit seiner Kindheit gewartet hatte!

Als das Spiel letztendlich am 28 März 2018 released wurde, war die anfängliche Freude schnell verflogen. Das von einem ordentlichen Vollpreis von 70 Euro oder dem monatlichen Xbox-Pass bezahlte Spiel war von zahlreichen Bugs wie fliegenden Schiffen, schräg laufenden Spielern und nicht ladenden Texturen oder schlichtweg fehlendem Content, wie ein enttäuschender Kraken ohne Körper unter der Wasseroberfläche, sehr eintönigen und repetitiven Quests oder dem sehr schleppend progressierenden Rufsystem heimgesucht. Folglich wurde recht bald unter den Spielern der Titel als der “No Man’s Sky-Effekt” betitelt- oder auch treffender “No Man’s Sea”.

Schon in der Betaphase wurde gemutmaßt, ob Sea of Thieves sein Geld wert wäre. Sicherlich macht es Spaß, gemeinsam mit seinen Freunden, andere Spieler-Crews um ihre hart ergaunerte Beute zu erleichtern, doch reicht das alleine, um auf langer Sicht Unterhaltungswert zu bieten und vor allem sein Geld wert zu sein? Schließlich hatte man schon bei No Man’s Sky  seinen Batzen an 70 Euros investiert und wurde bitter enttäuscht. Was macht Sea of Thieves also in dieser Hinsicht anders? Letztendlich handelt es sich hierbei schlichtweg nur um ein zwar recht anschauliches, doch schnell sehr eintöniges Rumgeballer auf hoher See mit seinen Freunden, verpackt in einem nostalgischen Theme unserer Kindheit. Für 70 Euro erwartet man schon eine ganze Fülle an Content, eine belebte Welt voller Abenteuer und Spaß für unzählige Stunden.

Diesen Ansprüchen wurde Sea of Thieves vielen seiner Spieler nicht gerecht und geriet somit in Verruf, nichts als eine weitere Geldabzocke zu sein, die nichts zu bieten hätte. Und somit verließ der anfängliche Hype die weite See der fernen Gestaden – und zwar zu früh.

Kurz nach dem großen Hype kündigte das Developer Team ihre zukünftigen Ziele und kommende Inhalte für das Spiel an – alle umsonst, solange man das Spiel oder einen Monatspass besitzt und gab im gleichem Atemzug ein Statement zur nun wieder abflachenden Spielerwelle. “Dieses Spiel ist nicht für die ausgelegt, welche alleinig Spaß im Rumgeballer finden, sondern für die, welche sich auf die geschaffene Welt einlassen und gemeinsam mit ihren Bewohnern ihre eigene Geschichte schreiben und dadurch immer neue Abenteuer erleben… „. Und auch so spielt sich das Spiel: wie eine interaktive selbst erzählte Geschichte, welche durch emergent Storytelling aus den gegebenen Spielelementen eigene Geschichten erschafft. Aus diesem Grund versetzen sich zahlreiche Streamer und casual player rund um die Welt meist in gewisses Rollenspiel, wenn sie anderen Spielern in freundlicher Konfrontationen begegnen. So kann es sein, dass man auf seiner Reise über die weite See auf einer schmalen Sandbank einen gestrandeten Seemann trifft, welcher für seine Rettung seine Hilfe an Bord verspricht. Letztendlich erbeutet er mit einem selbst gewaltige Schätze – oder fällt einem mit seinen auf der Lauer liegenden Freunden in den Rücken.

Wer demnach kurzweiligen Rausch von schneller Action im Feuergefecht sucht, wird in Sea of Thieves nicht allzu fündig. Stattdessen steht hier ein oftmals sehr unbeachteter Aspekt in Spielen im Vordergrund: das visual adventure. Abgesehen vom oben beschriebenen roleplay geht es hier darum mit der lebendigen Welt alleine durch ihre Durchquerung eine visuelle Reise zu erleben. So sorgt ein gemeinsam angestimmter Shanty mit seiner Crew auf hoher See zur untergehenden Sonne für einmalige magische Momente, an die man sich gerne zurückerinnert. Das Schiff in mitten eines tosenden Sturmes sicher zum nächsten Hafen zu bringen für epische Augenblicke und ein Siegreicher Kampf gegen eines der gewaltigen Ungeheuer oder einer rivalisierenden Crew für heroische Stimmung.

Somit spielt das Sea of Thieves mit den Emotionen seiner Spieler. All seine hart verdiente Beute an eine andere Crew oder ein Seeungeheuer verlieren, in einer dunklen Höhle urplötzlich von schaurigen explodierenden Skeletten überrascht zu werden oder mit seinen letzten Trefferpunkten einen verfluchten Captain erschlagen und seine Beute einsacken – von Trauer bis Freude bietet das Spiel einiges an emotionalen Momenten.

Wer allerdings doch noch Content erwartet, lasse sich gesagt sein, dass die drei großen Kompanien, welche jeweils unterschiedliche Aufgaben zur verfügung haben stets mit steigenden Einfluss schwerere und somit spannende Quests bereit halten. So sammelt man in der Handelskompanie bestimmte Güter und liefert sie von A nach B, geht auf Jagd nach einer der zahlreichen verfluchten Skelettcrews oder geht auf eine reguläre Schatzsuche. Hinzu bieten die temporären Events immer neue optionale Abenteuer an, welche mit neuen kosmetischen Belohnungen belohntwerden.

Hinzu kommen die regelmäßigen Erweiterungen, welche zwar stetig in kleinen Schritten eintreten, doch die Welt von Sea of Thieves immer wieder aufs Neue bereichern und natloß hineinfließen. So wurde vor kurzem beispielsweise der spielbare Bereich durch ein Vulkangebiet erweitert, in welchem Spieler sich vor den, auf den Inseln stetig ausbrechenden, Vulkanen in Acht nehmen müssen, doch für ihre Mühen durch noch wertvollere Beute entlohnt werden.

Ebenso bringt das addon  Shrouded Spoils ein neues Wettersystem, das einen undurchdringlichen Nebel über die See legt. Diese neue Mechanik verlangt von den Spielern hervorragende Zusammenarbeit, um nicht in den nächsten Felsen zu fahren oder von Skeletten überrascht zu werden. Auch können andere Crews diesen Nebel nutzen, um sich nahezu unsichtbar anzuschleichen und ihren Feind schnell und hart zu treffen. Dass eine solch unbedeutend scheinende Änderung das gesamte Gameplay beeinträchtigen kann, lässt auf weitere spannende Ideen der Developer hoffen.

Dass Sea of Thieves ist nicht für jedermann. Vor allem Spieler, welche die schnelle Action und Gemetzel suchen, werden hier früher oder später enttäuscht. Vielmehr ist dieser Titel etwas für jene, die gemeinsam mit ihren Freunden ihr eigenes Piratenabenteuer erleben möchten und auch Freude an ruhigen und schönen Momenten finden und mehr dem Roleplay-RPG-Genre zugeneigt sind.

Bei den regelmäßigen Updates darf man auch als Spieler darauf hoffen, dass die Developer das eine oder andere an spannenden Inhalt dem Spiel kostenlos anheften werden, wodurch es somit an Möglichkeiten der Beschäftigung im Spiel nicht fehlen sollte.

So wurden auch auf Wunsch der Community beispielsweise streunende Skelettschiffe in die Welt gesetzt, um diesermehr Leben einzuhauchen. Auch weitere Comunityanfragen wie Haustiere, neue Shantys und anderweitige interaktionen mit anderen Spielern sollen bereits von den Developern in Entwicklung sein oder zumindest bedacht werden.