Als ich mir die Frage nach meinem Spiel des vergangenen Jahrzehnts stellte, fiel mir nicht auf Anhieb ein Titel ein. Es war mehr mein Lieblingsentwicklerstudio, dass für mich vieles definiert hat. Die Rede ist von Platinum Games, der japanischen Actionsspielschmiede ehemaliger Capcom Mitarbeiter. Unter anderen gegründet von Größen wie Shinji Mikami (Director Resident Evil 1, 4), Atsushi Inaba (Viewtiful Joe, Okami, God Hand) und Hideki Kamiya (Director Resident Evil 2 und Devil May Cry) bin ich bei jedem neuen Spiel äußerst gespannt. Kein anderes Studio kann einfach so Actionspiele wie Platinum Games machen. Also kann mein Spiel des Jahrzehnts nur das für mich beste Platinum Spiel dieser Zeit sein: Nier Automata
Mit Spielen wie Bayonetta 2 und Metal Gear Rising Reveangece fiel mir die Wahl jedoch keineswegs leicht. Nier Automata ist für mich aber wegen den folgenden Gründen einfach noch großartiger!
Woran es bei Platinum Games nämlich immer mangelte war die Story. Bei Nier Automata ist dies jedoch nicht der Fall. Aber erstmal eine Kurzfassung der bisherigen Geschichte. Nier Automata spielt im Jahr 11.945 und somit ca. 7000 Jahre nach Nier. Anfang des Jahres 5000 fielen Aliens auf die Erde ein und erklärten mit massenproduzierten Maschinenlebensformen der Menschheit den Krieg. Diese weiß sich mit hergestellten Androiden etwa zur Wehr zu setzen, sieht sich aber gezwungen die Erde aufzugeben und die letzten Überlebenden Menschen ziehen sich auf eine auf dem Mond errichtete Basis zurück. Nun liegt es an der übrigen Androidenarmee, der YoRHa die Erde zurück zu erobern und den nunmehr 14. Krieg gegen die Maschinen und Aliens zu Ende zu bringen. Somit schlüpft man als Spieler in die Rolle der Androidenpartner 2B und 9S und begibt sich auf eine Reise, die viele Geheimnisse birgt.
In der Story gibt es viele interessante Entwicklungen, die ihr aber am besten selbst herausfinden solltet. Den oder wohl eher die vier(!) Vorgänger muss man dazu aber nicht gespielt haben. Es gibt zwar nur zwei namentliche Nier Spiele, aber diese spielen nach der Drakengard Trilogie. Da mal durchsteigen zu wollen, ist schon eine Kunst an sich.
Verantwortlich für die somit riesige Handlung zeichnet sich Director Yoko Taro. Alle Endings der Spiele werden mit Buchstaben bezeichnet und eigentlich spielt Nier nach Ending E des Spiels Drakengard 1. Angesiedelt als Fantasy Action RPG folgt man im Endkampf dem Endboss, Queen Beast, durch ein Dimensionsportal, dass den Spieler und Gegner in unser 21. Jahrhundert nach Tokyo katapultiert. Nachdem das Queen Beast dann besiegt ist, löst sich dieser in Natrium Chlorid auf. Dieser Vorfall löst eine Infektion aus und gewalttätige Monster erscheinen. Mitsamt der unheilbaren und tödlichen Krankheit leitet dies dann das Post Apokalypsen Setting für Nier ein und mündet dann in dessen Ending E in Automata.
Als ob das nicht schon kompliziert genug ist hört Yoko Taro hier noch lange nicht auf. Was mich nämlich noch mehr an dem Ganzen fasziniert ist, dass andere Medien, wie Manga, Light Novels und sogar Theaterstücke mit zum Canon der Story gehören und alle einen Platz haben. Leider ist jedoch nur Nier Automata ein wirkliches Meisterwerk, da bei den anderen Spielen außerhalb der Story nicht viel begeistern konnte. Daher auch die Zusammenarbeit mit Platinum Games.
Falls ihr trotzdem alles erfahren wollt, dann empfehle ich euch dieses Video, dass gut alles zusammenfasst.
Transportiert wird dieses Epos dann obendrein von einem wunderschönen Soundtrack, der Seinesgleichen sucht. Jedes Stück hat eine einzigartige Atmosphäre und egal ob beim Erkunden der Open World oder im Kampf, hier ist jeder Song einfach unglaublich! Ein Grund dafür ist vor allem die Einzigartigkeit. Sängerin Emi Evans und Komponist Keiichi Okabe haben mit ihrer sogenannten Chaos Language nämlich etwas ganz Neues geschaffen. Mit Versatzstücken aus Englisch, Französisch, Deutsch, Japanisch und auch fast ausgestorbenen Sprachen wie Chamicuro, einer Sprache aus Peru, wurden hier neue Wörter erfunden, die eine seit Jahrtausenden im Chaos befindliche Welt widerspiegeln sollen, in der sich Sprachen nach und nach vermischten. Hört doch mal auf Spotify rein! Da ist der gesamte OST nämlich seit einigen Wochen endlich zu finden.
Wie auch schon im Vorgänger spielt sich Automata zudem sehr unkonventionell. Flüssig wird durch veränderte Perspektiven aus einem 3rd Person Action Spiel auf einmal ein Oldschool Shoot´em Up ala Ikaruga oder Gradius. Das Gleiche passiert natürlich auch umgedreht, aus einer Topdown Vogelperspektive oder auch seitlich. Somit wird immer wieder für Abwechslung in den Story Missionen gesorgt und das Kernstück, der Nahkampf macht auch verdammt Spaß. Dieser überzeugt mit Zeitlupenfunktion beim genauen Ausweichen, wie man es aus Bayonetta kennt, ist stets super flüssig und bietet mit mehreren Waffen, zwischen denen man in Echtzeit wechseln kann, viel Kombopotenzial. Obendrauf hat man noch einen fliegenden Drohnenkumpanen, der mit wechselbaren Special Moves auf Knopfdruck unterstützt.
Auch beim Equipment ist Nier Automata eigensinnig und hat ein Chip System, dass erst ziemlich bodenständig daherkommt, aber doch etwas für mich komplett Originelles war. Jeder Chip hat eine andere Wertigkeit und nimmt daher mal mehr oder weniger Platz im Speicher weg. Infolge dessen behält man nur die nötigen und kann die anderen entfernen. Soweit noch ganz normal. Aber Automata geht so weit und lässt dem Spieler auch die Entscheidung, ob man die Chips für die Funktionen des HUDs, also der Lebensanzeige, Karte usw. auch behalten will. Nur den OS-Hauptchip sollte man vielleicht nicht entfernen, den dann heißt es nämlich Game Over.
Und das bringt mich auch schon zum nächsten Punkt, den ich an Nier Automata liebe. Neben der sowieso schon grandiosen Story, die von Ending A-E stattfindet, gibt es nämlich noch Ending F-Z. Diese sind jedoch mehr Bonus und eher Wege, bei denen die Story anders hätte ausgehen können. Aber die herauszufinden macht echt Spaß! Neben dem Entfernen des OS-Chips, kann man auch mal die Selbstzerstörung in der Basis der Androiden ausprobieren und schon ist der Krieg verloren. Oder vielleicht hat man bei einer Rettungsmission einfach keine Lust und läuft lieber in die entgegengesetzte Richtung? Dann werden die anderen wohl im Stich gelassen und man geht einen anderen Weg. Etwas gegessen, dass ein Android nicht verdauen kann? Wohl auch Game Over. Es gibt also viele lustige Möglichkeiten, aber auch andere interessante geheime Ausgänge für die Story.
Hauptsache ist, dass man nicht nach Ending A aufhört, wie es einige bei Release getan haben. Die Geschichte scheint sich zu wiederholen in Story B, aber sie geht anschließend weiter, ist anders und führt mit C, D und E dann alles zusammen und verläuft sehr unvorhergesehen. Ending E hat es dann nochmal geschafft mich richtig zu beeindrucken. Um das Spiel abzuschließen steht man ganz zum Schluss vor einem äußerst schwierigen Shoot´em Up Minispiel. Für mich nach vielen Versuchen unschaffbar, wurde mir irgendwann vom Spiel Hilfe angeboten. Diese nahm ich nach einigen weiteren Anläufen dann doch an und ein anderer Spieler, der die Sequenz schon beendete eilte, mir selbstlos zur Hilfe. Und das im wahrsten Sinne. Schließt man so nämlich das Spiel ab, wird man gefragt, ob man sich auch als Helfer anbieten will, um anderen die letzte Endsequenz auch zu ermöglichen. Tut man dies jedoch werden alle Speicherdaten von Nier Automata sofort gelöscht. Will man also alle Endings und andere Sachen noch erledigen oder alles aufopfern, um andere auf der Welt zu unterstützen? So gesehen ist man dann doch sehr den Androiden ähnlich, die als Maschinen zwar den Menschen ähneln, aber ihnen nur helfen und ihre Zerstörung unausweichlich ist. So eine nahe Verbundenheit zu einer Community, in einem eigentlichen Einzelspielerspiel, hatte ich bis dato auch noch nie erlebt und hat mich einfach mit Bewunderung verabschiedet. Zusammenfassend gesagt ist Nier Automata für mich ein hochqualitatives Action RPG untermalt von einem fantastischen Soundtrack, dass mich in eine Welt voller Trauer, Hoffnung und auch philosophischen Gedanken über das Menschsein, dem Leben und der Zivilisation einfach mitgerissen hat und mich bis an die 100 Stunden fesselte. Vielleicht kann es ja für euch das Gleiche sein.
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