Eine Hitzewelle jagt die nächste, es ist schlimm und es wird nur schlimmer. Als Dachgeschossbewohner reicht auch das fromme Dicht-Machen nur bedingt aus, um die Temperaturen in der eigenen Wohnung erträglich zu halten. Zum Glück gibt es da aber das hippe Team der Social-Media-affinen Journalist*innen von FUNK, dem Jugendangebot der Öffentlich Rechtlichen, die ihren Rat in dieser misslichen Lage bereitwillig anbieten – verpackt als Content natürlich. Ralph hatte in diesem Artikel bereits die grundlegenden Mechanismen dargelegt, denen Funk auf Instagram folgt. Daran schließt dieser Artikel an, und zwar in Form der Diskursanalyse nach Utz Maas. Der Soziologe bietet uns ein 5-stufiges Modell an, mit dem man den Sinn von Diskursfragmenten in Erfahrung bringen kann. Zentral ist hierbei ein genaues und ergebnisoffenes Vorgehen, um verschiedene Bedeutungsebenen freizulegen. Zu sagen, Funk ist doof, ist einfach, aber leider auch langweilig. Ich möchte unter anderem in Erfahrung bringen, nach welcher Logik dieser Beitrag eine Depolitisierung der Hitzewellen vornimmt und dabei das Werkzeug dieser Art der Diskursanalyse vorstellen. Um dahin zu kommen, müssen aber zunächst noch einige methodologische Feinheiten geklärt werden:
Für die Analyse wurde der Beitrag transkribiert und die Zeilen nummeriert. Zusätzlich wurden Sätze oder Halbsätze in Lexien unterteilt, um auf kleinere Bedeutungseinheiten zu verweisen. Der untersuchte Text beinhaltet sowohl die Botschaft, welche als Bilddatei hochgeladen wurde, als auch die Bildunterschrift, mit welcher das Bild in die Plattform eingebettet ist. Dazu kommt noch eine zweite Bilddatei, die ebenfalls Text beinhaltet, da sie als zweite ‚Folie‘ hinter dem ersten Bild mit einem Wischen freizulegen ist. Somit ist der Beitrag in seinen wesentlichen Bestandteilen erfasst. Ausgespart werden Elemente des User-Interface, welche der Plattform Instagram eigen sind, sowie die Kommentare zum Beitrag.
Der Beitrag ist auf Instagram zu finden. Die Transkription folgt hier:
(I) Angabe des (selbstdeklarierten) Inhaltes/Gegenstandes des Textes
Der Beitrag soll Ratschläge in Form von Handlungsanweisungen für einen erträglicheren Umgang mit der Hitze im eigenen Wohnraum vermitteln. Wie im Titel (Vgl. Lexie 1) angemerkt, geht es hierbei nicht um die messbare, sondern die „gefühlte“ Wärmebelastung.
(II) Beschreibung der Inszenierung des Inhaltes
Die Inszenierung dieser Botschaft kann in mehrere Aspekte aufgeteilt werden:
a) Der Text folgt dem Prinzip der Vereinfachung, sowohl in der Strukturierung als auch in der Sprache. Zunächst fällt das bei der Aufteilung der wesentlichen Inhalte des Beitrags in vier Absätze (Vgl. Lexien 2 – 9) auf. Diese lassen sich thematisch mit den vier Begriffen: Teppich, Schrank, Luftzug, Fenster beschreiben. Jeder Absatz beinhaltet eine Forderung und einen Halbsatz oder Satz, der diese Forderung durch das Zuführen von Informationen unterstützen soll. Die Sätze sind dabei kurz und einfach gehalten. Der Ausdruck ist umgangssprachlich und bleibt dabei einfach. Links neben den Absätzen ist jeweils ein Emoji zu sehen, welches das Thema bildlich widerspiegelt. Diese Emojis sind in den meisten Smartphones-Apps als Bildchen verfügbar, weshalb es wahrscheinlich ist, dass sie den Betrachter*innen bereits bekannt sind. Dabei handelt es sich um einfache, undetaillierte und nicht-verortete Signifikante, die einen Gegenstand darstellen.
b) Ein weiterer Aspekt der Inszenierung stellt die Formulierung der Tipps dar. In den ersten zwei der vier Absätze sind diese als direkte Aufforderung formuliert und durch fett-gedruckten Text markiert (Vgl. Lexien 2 – 5). In den anderen zwei Absätzen werden die Aufforderungen nicht als solche ausformuliert, sondern im Infinitiv nur indirekt angedeutet (Vgl. Lexien 6 – 9).
c) Der Begriff des Gefühlten nimmt eine wichtige Rolle in der Inszenierung ein. Zunächst wird er in der Überschrift (Vgl. Lexie 1) mit Anführungszeichen markiert. Im Verlauf wird der Wortstamm „fühl“ weitere dreimal aufgegriffen (Vgl. Lexie 3; 6; 12). Zweimal mit der eingrenzenden Ergänzung „zumindest“ (Vgl. Lexien 3; 6). In der Bildunterschrift wird das gefühlte Wärmempfinden der „idealen Raumtemperatur“ zugunsten ersterer entgegengestellt (Vgl. Lexie 12).
d) Die Selbstreferenz stellt ein weiteres wichtiges sprachlichen Merkmal der Inszenierung dar. So wird in der Bildunterschrift das „Wir“ bedient (Vgl. Lexie 10), was sich auf die Redaktion der Funk-Instagram-Seite bezieht. Dieses „Wir“ wird in den Zusammenhang des An-der-Hitze-Leidens gebracht. Es findet also eine miteinbeziehende Selbstreferenz zum Thema der gefühlten Hitzebelastung statt.
e) Zudem sind an zwei Stellen Interaktionsaufrufe zu bemerken, die ein Überschreiten der Trennlinie zwischen der Redaktion und den Rezipient*innen darstellen. Zum einen auf der zweiten ‚Folie‘, bei der sich für die Interaktion mit dem Beitrag in Form eines „Likes“ bedankt wird. Damit geht die implizite Aufforderung einher, eben das zu tun. Dem Dank ist ein Bild von Zebras beigefügt (Vgl. Lexie 16). Die zweite Aufforderung findet man in der Bildunterschrift. Es wird nach weiteren Tipps gefragt (Vgl. Lexie 13).
(III) Analyse des Sinnes der Inszenierung
Der Sinn der Inszenierung lässt sich dem folgend auf vier Aspekte reduzieren. Zum einen die Selbstzuschreibung von Funk. Der einfache, kurze Stil, in welchem inhaltsbezogene Handlungsanweisungen nur indirekt und unter Einbezug ihrer selbst formuliert werden legt es nahe, dass Funk nicht als autoritäre Institution, sondern als nahbare Organisation von Peers auftreten möchte. Es werden keine Anweisungen aufgrund von Expertise gegeben, die mit komplexen Erörterungen unterfüttert werden, sondern naheliegende Handlungen als Ratschläge dargeboten. Zusätzlich wird die Nähe zum Publikum gesucht und Interaktion in Form der eigenen Meinungs- und Wissensäußerung nahegelegt, was bei einer Anweisung oder Expertenmeinung weniger naheliegen würde. Blickt man auf die Quellen (Vgl. Lexien 14 – 17), so sieht man, dass diese eher traditionelleren Journalismus-Plattformen zuzurechnen sind. Dem entgegengesetzt positioniert sich Funk, welche dieselben Inhalte für ihre jüngere Zielgruppe aufbereiten.
Zum anderen wird ein hoher Wert auf die Gefälligkeit und quantitative Performativität des Beitrags gelegt. Neben der graphischen Überarbeitung der Ratschläge verweist auch das Tierbild mit der indirekten Bitte zum ‚Liken‘ auf eine solche Zielsetzung.
Außerdem ist die Behandlung des Themas eine, die einfache, alltagsnahe Linderungsversprechen anbietet und diese schnell begreifbar und anwendbar macht. Es geht also um grundlegende Wissensvermittlung. Erfolgt diese, wird sich mit dem Bild eines Tieres bedankt.
Zuletzt ist anzumerken, dass in der Unterscheidung der gefühlten Temperatur zur, im Beitrag ausgelassenen, tatsächlichen Temperatur, eine Priorisierung der ersteren stattfindet und es somit nicht um die objektiv messbaren Auswirkungen der Hitze auf die Umgebung geht, sondern um die pragmatische Umsetzung der Ratschläge und einer darauffolgenden Linderung der Beschwerden. Trotzdem wird das Gefühlte in Anführungszeichen gesetzt und somit die dichotomische Markierung des individuellen Befindens in Abgrenzung zur Raumtemperatur anerkannt, jedoch, außerhalb einiger Relativierungen, inhaltlich nicht wesentlich umgesetzt.
(IV) Vorläufige Zusammenfassung der Analyse
Funk inszeniert sich als nahbar und für die jüngeren Generationen attraktiv. Das Thema des Beitrags wird oberflächlich, dafür jedoch leicht begreifbar und in den Alltag übertragbar in Form von Ratschlägen behandelt. Die Wissensvermittlung wird hier jedoch untrennbar in die sich nach innen und außen ausbreitende Markenbildung und -bindung mit eingebunden.
(V) Entwicklung konkurrierender Lesweisen
Angesichts der immer häufiger auftretenden, länger anhaltenden und intensiver wirkenden Hitzewellen drängt sich die Notwendigkeit auf, diesem Trend entgegenzuwirken. Auf individueller Ebene gestaltet sich das jedoch ausgesprochen schwierig, da klimatische Entwicklungen und politische Entscheidungen, die erstere beeinflussen, nicht direkt erreicht werden können. Der Beitrag von Funk stellt ein Handlungsangebot dar, welches einfach und direkt umzusetzen ist. Dabei findet die Verdrängung komplexer, systematischer Zusammenhänge zugunsten individueller, momentaner Linderung statt. Anstatt der Gefahr der Überforderung durch die Verknüpfung der Hitzewellen mit politischen Vorgängen und globalen Klimatrends zu riskieren, wird dieser Schritt übersprungen und direkt das Bedauern über einen nicht-änderbaren Zustand kundgetan. Die Redaktion lenkt dabei von ihren eigenen journalistischen Handlungsspielräumen ab, indem sie sich selbst in den Kreis der Leidenden miteinbezieht und ihre Handlungsziele an Reichweiten und Interaktionsraten festmacht und die journalistischen Aufklärungsansprüche bereits bei Tipps zum Lüften erfüllt sehen.
Fazit
Der Beitrag zeigt Priorisierungen von inhaltlichen und strukturellen Zielen von Funk und deren Auswirkungen auf die Inszenierung. Eine ausweitende, stichprobenhafte Auswertung der Beiträge in Verbindung mit offiziellen Selbstzuschreibungen von Funk liegt in der Folge nahe.
Tatsächlich gibt es die Kategorie “News zur Klimakrise, die ihr nicht wirklich hören wollt, aber wenn wir mal ehrlich zueinander sind, schon irgendwie echt hören solltet”. Es gibt also durchaus Bestrebungen, den eigenen Lehrauftrag für Zusammenhänge außerhalb individueller Kontexte zu sensibilisieren. Diese Art von ambitionierteren Beiträgen machen jedoch keine Mehrheit auf Funks Instagram-Seite aus, weshalb fraglich ist, inwiefern das eine das andere (oder andersherum) in Bezug auf die depolitisierende Wirkung ‘aufwiegt’. Zudem weist auch dieser Beitrag deutliche Übereinstimmungen der Inszenierung auf, unter anderem bezüglich der Fokussierung auf eine Reichweitenmaximierung. Eine detailliertere Analyse hierzu wird nicht folgen, aber vielleicht konnte euch die Demonstration von Maas´ Methode gemeinsam mit diesem Ausblick davon überzeugen, euch dieser intellektuellen Aufgabe selbst anzunehmen.
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