Buchadaptionen haben zur Zeit Hochkonjunktur: Ken Follet oder Iny Lorentz, „Effie Briest“ oder „Der Seewolf“, sie alle finden ihren Platz in Kino und Fernsehen. Dabei halten längst nicht alle Werke, was ihr Titel beziehungsweise ihre Vorlage verspricht. Oder mit anderen Worten: Ich habe mich im Grunde gefreut, als ich hörte, dass einer meiner Lieblingsromane, „Twelve“, verfilmt wird – seit ich die Besetzung und die Vorschau kenne, habe ich ein wenig Angst.
Warum tue ich es mir eigentlich an? Diese Frage stelle ich mir leider nicht allzu selten, wenn ich die Verfilmung eines von mir gelesenen und geschätzten Buches angesehen habe. Wenn wieder mal ein per se nicht schlechtes Werk der Zerstörungswut von entweder zu sehr oder zu wenig eifrigen Drehbuchautoren zum Opfer fiel. Dabei muss eines klar sein: künstlerische Freiheit ist nicht nur gut, sie ist wünschenswert. Niemand will ein Literaturkino zurück, das die Romanvorlage Zeile für Zeile verfilmt. Klar muss auch sein, und damit beantworte ich auch schon meine Eingangsfrage, dass nicht jede Buchverfilmung schlecht ist. Erst kürzlich hat etwa „The road“ dafür einen überzeugenden Beweis geliefert. Fest steht aber auch – und es treibt mich jedesmal in den Wahnsinn – dass dies ein Sonderfall ist . Insbesondere im Fernsehen wird einem allzu oft vorgesetzt, was ich gerne an einem jüngeren Beispiel erläutern würde: „Die Wanderhure“.
Die junge Marie wird durch eine Intrige ihres Bräutigams eingesperrt, vergewaltigt, verurteilt, verbannt. Die Ironie an der Sache: Um zu überleben muss sie nun genau das werden, was die Verleumdungskampagne aus ihr machte – eine Hure.
Es hätte alles so schön sein können. Das Gemeinschaftswerk der Autoren Iny Klocke und Elmar Wohlrath, besser bekannt unter ihrem Pseudonym „Iny Lorentz“, bietet in vieler Hinsicht eine gute Vorlage. Es spielt in Deutschland, ein Vorteil, bedenkt man, dass selbst 2010 noch nicht alle Schauspieler in der Lage sind, einen englischen Namen englisch auszusprechen. Hier besteht keine Fremdschämgefahr: Die Handlungsstätten sind Konstanz, Köln etc, die Protagonisten heißen Marie, Michel, Mechthild und so weiter. Die Story ist gut, stringent, verzichtet auf unnötige Ausschmückungen, die das Adaptieren anderer Werke wie etwa das Mamutprojekt „Herr der Ringe“ so schwierig gemacht haben. Man folgt also einfach dem Gegebenen und alles wird gut – wenn man es denn nur täte!
Die Vorlage besticht durch zwei Faktoren: Zum einen durch die Entwicklung Maries von der braven, bescheidenen Klischee-Bürgerstochter, die durch das Erlittene zur starken, unabhängigen Frau wird, die für ihr Recht eintritt. Zum anderen ist da die wirkungsvolle Darstellung der mittelaterlichen Welt. Mit beidem bricht die Adaption und nimmt sich dadurch alles: Hier ist die Figur zu Beginn bereits so modern wie am Ende. Ohne die Entwicklung, die den Charakter im Buch so lebensnah macht und hier völlig wegfällt, ist ein Einfühlen in die Figur kaum mehr möglich, alles geht irgendwie spurlos an einem vorbei. Das liegt weniger an Alexandra Neldels Darstellung (sie gibt sich redlich Mühe) denn an der umgeschriebenen Story. Sie hat jeden Tiefgang verloren und das nicht zuletzt Dank des übereifrigen Dichterehrgeizes der Drehbuchautoren: Statt Mittelalter einfach Mittelalter sein zu lassen, werden Motivationen erfunden, die weder im Original vorhanden sind noch innerhalb der Geschichte irgendeine handlungstragende Berechtigung einnehmen, aber offenbar irgendwelchen sinnlosen Erklärungsmodellen folgen. Sie werden wenig ausgeführt, damit der Film keine Überlänge erhält, da sie aber dennoch Platz einnehmen, verlieren einzelne Handlungsstränge und Figuren aus dem Buch an Raum zur Etablierung und somit unvermeidlich an Tiefe. Der Effekt: Der Film ist etwa so spannend wie die zehnte Wiederhohlung vom „Traumschiff“, vom finsteren Mittelater ist ungefähr soviel zu spüren wie auf einem Mittelaltermarkt in einem oberfränkischen Kuhkaff.
Das muss ja schief gehen: Wer den Roman gelesen hat, fragt sich dauernd, was das soll, wer es nicht gelesen hat wird es nun sicher nicht mehr tun. Von dem, was das Buch gut machte, bleibt nur ein blasser Abklatsch. Es wurde weichgespült bis es papierdünn wurde. Wer regelmäßig Buchverfilmungen in Fernsehen und Kino sieht, dem dürfte dieses Gefühl nicht gänzlich unvertraut sein. Dabei geht es doch auch anders. Es gibt gute Buchverfilmungen, ich weiß es, ich habe sie gesehen. Ich habe verschiedene Verfilmungen verschiedener Bücher gesehen und festgestellt, es kristallisieren sich – betrachtet man die Buchadaptionen der letzten Jahre – drei große Gruppen heraus, die sich natürlich in mehrere Unterkategorien unterteilen lassen.
Da hätten wir Typ A, nennen wir ihn „Typ Herr der Ringe“.
Das Buch, das diesem Filmtyp zugrunde liegt, fand eventuell großen Anklang, allerdings besteht oder bestand kein so großer Hype darum, wie etwa um „Harry Potter“. Es können hier auch weniger bekannte Werke Vorlage sein wie zum Beispiel „Shutter Island“, das auf einem Thriller basiert. Geliebt wird die Vorlage hauptsächlich von einem, nämlich von dem, der daraus einen Film machen will. Dementsprechend ist er behutsam in der Adaption, kürzt und stellt zwar um, aber nur so viel, wie dem Werk guttut, das natürlich nicht eins zu eins verfilmt werden kann – dazu unterscheiden beide Medien sich zu sehr.
Natürlich wird es weiterhin einige geben, die nicht zufrieden sind, die diese Sequenz zu wenig ausgearbeitet, jene Kürzung unverzeihlich oder eine bestimmte Figur zu wenig beachtet finden. Da jeder anders liest, kann eine Buchverfilmung nie perfekt sein. Aber immerhin wurde hier alles getan, um diesem Zustand nahe zu kommen: Es geht in diesem – leider sehr seltenen – Fall tatsächlich einmal um die Geschichte und den Wunsch sie so wiederzugeben, wie man sie beim Lesen empfunden hat.
Sehr leicht zu verwechseln mit Typ A ist Typ B, der „Harry Potter –Typ“.
Ein Buch wie Harry Potter schlägt ein: Tausende haben es gelesen, ein Hype entwickelte sich, an dem auch die Anteil haben wollen, die eigentlich gar nicht gerne lesen – die lieber einen Film sehen würden. Man könnte dieser Gruppe auch das Twilight Phänomen zuschreiben, es passt wohl sogar noch etwas besser, weil hier genau das passiert ist, was diesen Typus Buchverfilmung kennzeichnet: Die Produktionen sind aufwändig, es werden Helden geschaffen und im besten Licht dargestellt. Herausgehoben wird die offensichtliche Handlung, sie bleibt relativ naturbelassen, wird jedoch jeglichen Tiefgangs entkleidet, um stattdessen den spannenden Momenten noch etwas mehr Raum zu lassen. Das MTV-Prinzip findet Anwendung: Angepasst an ein Publikum, das schnelle und farbenprächtige Bilder gewohnt ist, ist der Erzählfluss im Film oft schneller als der Geschichte gut tun würde, oft können Einzelcharaktere sich kaum etablieren und im Effekt steht man ihnen etwas kühl gegenüber, auch wenn man sie beim Lesen vielleicht geliebt hat. Die äußere Hülle wird so schön gestaltet wie möglich, ungeachtet etwaig anderslautender Beschreibungen im Original, und jeder Witz, der gut ankommt, wird wie Kaugummi bis zur Geschmacklosigkeit durchgekaut. Solche Filme sind im Grunde Barbiepuppen: Äußerlich schön, aber trotzdem aus Plastik, und schraubt man den Kopf ab, sieht man in einen Hohlraum.
Doch ich sehe mir lieber tausend Barbiefilme an, als immer wieder dem Typ C, unter den auch unsere „Wanderhure“ fällt , zu begegnen. Um zu verdeutlichen, dass in diese Kategorie nicht nur Fernsehproduktionen fallen, nenne ich sie „Typ Effie Briest“. Zwei Dinge sind augenfällig: Zunächst einmal handelt es sich meist um in Deutschland hergestellte Filme, zum anderen sind es entweder Werke der höheren Literatur, die verfilmt werden, oder Bücher, die tendenziell eher für Frauen geschrieben wurden. Wie „Die Wanderhure“. Im Fall höherer Literatur scheint es ein Ehrgeiz dieser besonderen Filmemacher zu sein, dem Werk einen sogenannten „eigenen Touch“ zu geben: Effie Briest zum Beispiel stirbt am Schluß nicht, sondern wird modern. Das dadurch dem Buch sein Kernsatz genommen wird, fällt den Damen und Herren, die die Verantwortung tragen, wohl nicht auf. Wir haben es bei „Dorian Gray“ gesehen, beim „Seewolf“: Zwanghafte Modernisierung, die weder passt noch genügend etabliert wird, die sogar den Eindruck erweckt, statt dem betreffenden Buch, hätte der Drehbuchautor nur die Zusammenfassung von wikkipedia gelesen. Der Geschichte wird eine Geschwindigkeit aufgedrängt, die sie so beliebig wie eine bessere Folge „Verbotene Liebe“ werden lässt.
Es sind leere Hüllen die übrig bleiben, schaut man sich Werke wie „Die Buddenbrocks“ an, und – im Gegensatz zu Typ B – sind die nicht einmal besonders schön, meint man doch, der Hochwertigkeit der Vorlage durch eine besonders blasse Gestaltung Tribut zollen zu müssen: Schließlich ist die Vorlage ja „ehrwürdig“. So nimmt man dann auch den „Buddenbrocks“ jeden Charakter, der dem Buch Witz verliehen hat, und lässt nur noch die stocksteife Grundhandlung, angereichert mit ein paar unnötigen und zum Teil frei erfundenen Nebenbeziehungen, zurück. Na klar, weil Thomas Mann seit Ewigkeiten tot ist, müssen sich seine Werke wie Grabsteine anfühlen. Macht Sinn.
Zumindest für manche Leute.
Hat man hingegen sogenannte Frauenliteratur vor sich oder etwas weniger stigamtisierend „Belletristik“, ist das Resultat noch schlimmer. Insbesondere die Werke Charlotte Links fallen hier einem besonders schwerwiegenden Fall von Weichspülerei zum Opfer: Wie in der Wanderhure-Adaption werden sentimentale Nebenstränge eingeführt, alles herausgekürzt, was der Geschichte ursprünglich einen Hauch von Bildungswert verlieh, und so wird aus einem Werk, das vielleicht von vornherein eher für sentimentale Gemüter gemacht war, erst recht rosaroter Trash: Aus einem Buch für Frauen wird ein Film für ziemlich dumme Frauen.
Man nennt es wohl verschlimmbessern: Höhere Literatur sinnentleeren und Belletristik weichspülen, bis man sie mit dem Strohalm trinken kann – das zeichnet Typ C aus. Dem Leser bleibt nur Irritation und die leicht verzweifelte Frage, warum man denn nicht einfach beim Original bleiben hätte können – oder wenn das nicht möglich ist, es einfach sein gelassen hat. Doch Mangel an Einfällen?
Buchadaptionen sind eine knifflige Sache: Sie können gut bis sehr gut sein und sind nur zu oft ziemlich scheiße. Da sich die Filme in beiden Fällen in die Hülle relativ guter Romane einkleiden, kann man das aber im vornherein nie sagen – und stolpert immer wieder in die Falle. Dabei ist es schwierig zu sagen, wo künstlerische Freiheit aufhört, und wo die völlige Missachtung anfängt: Ein Werk wie Dorian Gray auf eine moderne Ebene zu holen mag angemessen sein und würde einem Autor wie Wilde wohl sogar gefallen, dem Protagonisten aber Motivationen zu unterstellen, die so einfach nicht da sind, wirkt schnell gekünstelt. Der Verdacht drängt sich auf, dass hier jemand etwas nicht verstanden hat und diese Wissenslücke durch Dichtung zu schließen bemüht ist. Kreativ, aber auch ein bisschen traurig.
Ich persönlich rate daher zur Vorsicht, wenn der Trailer ein Werk nach dem Autor so und so ankündigt. In jedem Fall, was jedem klar sein dürfte, wird man nie das vorfinden, was man erwartet, im positiven wie negativen Sinn.
Ohja. Literaturverfilmungen im Kino sind eine wahre Herausforderung.
Hast du die „Buddenbrooks“ Verfilmung gesehen; mit Jessica Schwarz in der Rolle der Toni und Armin Müller Stahl als Konsul Jean Buddenbrook? Interessant war eine andere Lesart zu sehen. Während Christian Diel für mein Literaturverständnis perfekt die Rolle des Christian Buddenbrook spielte, konnte ich mich mit der Darstellung der Toni weniger anfreunden. In dem Buch empfand ich sie als eniger taff und mutig, eher als wehleidig Frau, der nichts im Leben so Recht gelingen wollte und die immer wieder von der Familie aufgefangen wurde.
Und Filme wie „Die Päpstin“ wollte ich mir nicht ansehen um mir meine Illusionen nicht nehmen zu lassen. Wir stellen uns bestimmte Figuren vor, sehen Handlunsgspielräume ganz individuell und bewerten das Gelesene je nach Erfahrung und Lebenssituation vollkommen unterschiedlich. Und genau das kann wiederum auch etwas sehr Spannendes sein. Deshalb war ich auf die „Dorin Gray“ Verfilmung auch total gespannt. Für meine Vorstellungen etwas zu dunkel inszeniert, denn nach meiner Vorstellung war das Setting romantischer, und doch ein durchaus gelungener Film -sieht man mal von der ganz persönlichen Romaninterpretation ab.
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