Fußball-WM vorbei, Prüfungen überstanden. Endlich kann man sich wieder auf die wirklich wichtigen Dinge des Lebens konzentrieren – Kino, selbstverständlich. Franken hat da glücklicherweise neben Trans4mers-kontaminierten Multiplex-Ketten auch noch so einiges Aufregendes zu bieten: Das Programmkino Odeon in Bamberg wurde frisch restauriert, der Uferpalast in Fürth lockt mit dem Open-Air-Programm „Mauerflimmern“ zur Dispostiverweiterung unter freiem Himmel, und das Nürnberger Filmhaus schließt nach seiner John-Ford-Western-Retrospektive thematisch passend eine Werkschau der amerikanischen Independent-Regisseurin Kelly Reichardts an, inklusive Deutschland-Premiere! Am spannendsten ist jedoch der technische Schritt, den das Nürnberger Casablanca vor Kurzem wagte. Das ohnehin schon sorgfältig ausgewählte, anspruchsvolle Programm wird jetzt visuell noch tiefgründiger, nämlich mit dem Sprung in die dritte Dimension. Heißt das jetzt, dass demnächst auf der Markise neben französischen Autorenwerken auch „Iron Man 5 – 3D“  in fetten Lettern prangt? Wir haben Programmleiter Matthias Damm zur Rede gestellt, was es mit dem Ausbau auf sich hat.

Felix: Auf Ihrer Website steht, dass Sie die 30-jährige Tradition des alten Casablanca-Kinos fortführen. Können Sie uns Bayreuthern kurz erklären, was das heißt und wie die Geschichte Ihres Kinos aussieht?

Damm: Das Casablanca ist eines der kleinen, klassischen Kinos in Nürnberg, die es schon ganz lang gab. Seit ’67 besteht das Kino hier, davor war es ein Theater. Es zählte lange zu den legendären Nürnberger Filmkunstkinos, ist dann aber so ein bisschen verblasst in seinem Ruhm und wurde 2009 geschlossen, weil es irgendwann zu wenig Besucher hatte und der damalige Betreiber beschloss, dass es sich nicht mehr für ihn lohne. Daraufhin hat sich eine Gruppe von Leuten zusammengefunden, die das Casablanca retten wollten. Im Laufe von einem halben Jahr haben wir es dann geschafft, das Kino komplett zu renovieren, mit neuer Technik auszustatten und wieder neu aufzumachen . Es wird jetzt von dem Verein „Casa e.V.“ getragen, der inzwischen über 700 Mitglieder hat. Und inzwischen ist es eben wieder ein ganz neu renoviertes, technisch auf dem neuesten Stand befindliches, schmuckes Kino.

Felix: 2009, da haben Sie also noch den Umstieg von analoger zu digitaler Filmprojektion mitgemacht. Ist die jetzige Erweiterung auf 3D vom Aufwand her vergleichbar, oder war es einfacher, weil mittlerweile eh alles digital vorliegt?

Damm: Es ist jetzt sehr viel einfacher gewesen. Wir haben den Umstieg zu digital damals in mehreren Schritten gemacht. Anfang 2009 haben wir schon mit sehr einfachen Anlagen digital gespielt und danach eigentlich überwiegend die ganze Zeit digital gespielt. Analoge Projektoren waren zwar noch vorhanden, aber auch die waren schon lang nicht mehr im Einsatz, weil im Arthouse-Bereich die Digitalisierung viel früher vollzogen wurde als im Mainstream-Bereich. Für uns gab es einfach nur noch sehr wenige Kopien analog. Letztes Jahr haben wir dann also komplett digitalisiert, mit der entsprechenden Förderung, und neue Anlangen nach dem aktuellen Standard angeschafft. Zu dem Zeitpunkt wurde noch kein 3D eingebaut, weil es nicht voll förderfähig gewesen wäre und weil wir auch gesagt haben, dass das jetzt erstmal nicht so wichtig sei. Mit der Zeit kam dann aber doch irgendwie nochmal die Idee auf, konkret wegen des Films Kathedralen der Kultur von Wim Wenders und anderen (u.a. Michael Glawogger, Robert Redford; Anm. d. R.). Diese Architektur-Dokumentation, bei der Bauwerke in 3D gezeigt werden. Wir haben hier ja so eine kleine Architektur-Filmreihe und es hätte sich angeboten den Film auch im Casablanca in 3D zu zeigen, weil die Technik bei dem Film eben auch sehr viel Sinn macht. Die Frage war dann einfach, müssen wir so eine Anlage ausleihen oder können wir die nachrüsten. Unsere Technikfirma hier hat dann einfach gesagt, sie hätten eine gebrauchte Anlage rumliegen, die sie uns günstig verkaufen können, was wir dann letztlich auch gemacht haben. Es ist vielleicht kein ganz zwingender Schritt für ein kleines Kino. Wir sind eines von sehr wenigen Filmkunstkinos, die jetzt auch 3D spielen können – in Nürnberg sind wir sogar das einzige.
Wir werden nach wie vor natürlich trotzdem unseren weit überwiegenden Teil in 2D spielen. Es gibt einfach nicht viele 3D-Filme, die für uns interessant sind, aber es kommen halt jedes Jahr zwei bis drei im Arthouse-Bereich ins Kino und die können in Nürnberg jetzt eben auch in einem echten Arthouse-Kino gezeigt werden. Nicht nur in den großen Kinos, wo sie vom Programm her nicht besonders gut reinpassen.

Felix: Die Filme, die es in den vergangenen Jahren schon gab – „Pina“, auch von Wim Wenders, oder die „Höhle der vergessenen Träume“…

Damm: Genau. Werner Herzog und Wim Wenders sind natürlich die zwei großen 3D-Vertreter in Deutschland. Deren Filme waren natürlich, insbesondere mit diesen beiden Titeln, auch für Arthouse-Verhältnisse zwei sehr erfolgreiche Filme.

Felix: Könnten Sie sich vorstellen, die jetzt nochmal zu zeigen, oder ist sowas eher schwierig mit dem Verleih?

Damm: Das ist nicht schwierig mit dem Verleih, das können wir durchaus machen. Also wir werden uns das überlegen. Der Film, den wir auf jeden Fall nochmal zeigen werden, ist Kathedralen der Kultur. Der wird dann im Herbst in der Architektur-Reihe laufen. Die anderen Filme werden sicherlich einen Platz finden. Eigentlich wollten wir ja unseren 3D-Start im September machen zu unserem fünften Geburtstag. Also das Wochenende um den 19., 20. September ist unsere Geburtstagsfeier, wo wir fünf werden. Dass wir jetzt doch schon im Juli mit 3D starten, liegt einfach daran, dass mit Die Karte meiner Träume von Jean-Pierre Jeunet auch ein Film ins Kino kommt, wo es sich anbietet, den auch in 3D zu zeigen. Und das wollten wir jetzt einfach noch mitnehmen, weil es werden dieses Jahr nicht noch 20 weitere 3D-Titel kommen, die für uns interessant sind. Vielleicht ein oder zwei und das ist eben einer davon.
Wir haben auf jeden Fall für den September, für unseren Geburtstag, auch einen 3D-Programmpunkt, den ich noch nicht ganz konkret benennen kann, weil tatsächlich noch offen ist, was wir zeigen. Es wird aber ein alter 3D-Film gezeigt werden. Es gab ja in den 50er-Jahren schon eine 3D-Welle, die heute vergessen ist und da hat unter anderem auch Alfred Hitchcock einen Film in 3D gedreht. Das weiß aber heute keiner me…

Felix: …“Bei Anruf Mord“!

Damm: Genau. Es könnte dieser Film werden, es könnte aber auch noch einer von einigen anderen werden. Auf jeden Fall einer dieser Klassiker aus den 50ern, die heutzutage digitalisiert vorhanden sind. Das Problem dieser Filme war eben, dass sie damals nur von extrem wenigen Kinos gezeigt werden konnten und damals im Kino eigentlich nicht wirklich ausgewertet wurden, weil es analog extrem aufwendig war, 3D zu zeigen. Das ist heute natürlich sehr viel einfacher.

Felix: Sie haben auch ein umfangreiches Kurzfilmprogramm, das Sie hier regelmäßig zeigen. Könnten Sie sich vorstellen, zum Beispiel Animationskurzfilme, die vor Disney- oder Pixar-Produktion laufen, in 3D zu zeigen? Letztes Jahr wurde ja „Get a Horse“ für den Oscar nominiert, ein Film, der alte und neue Filmtechnik recht interessant verbindet.

Damm: Das würden wir sicherlich sehr gerne machen. Da kann ich mir aber vorstellen, dass Disney eventuell Probleme macht. Also mit Disney-Filmen ist es kompliziert. Wir haben dieses Jahr auch die Oscar-Nominierten Kurzfilme gezeigt und konnten da leider die nominierten Animationskurzfilme nicht zeigen, weil eben genau da Disney ein Problem mit gesehen hat. Also der Mensch, der das organisiert deutschlandweit hat, hat einfach die Rechte nicht bekommen. Das kann ich insofern also nicht versprechen. Es  würde sich anbieten, aber ich kann’s nicht versprechen.
Aber seit wir bekannt gegeben haben, dass wir 3D zeigen können, kamen auch so schon ein paar Ideen auf uns zu. Es gibt hier in Nürnberg einige Filmstudenten und da gibt es durchaus ein paar kleine Projekte, die in 3D gemacht werden. Da sind wir natürlich offen, wenn irgendwie Ideen da sind oder jemand eine Abspielmöglichkeit sucht für sowas. Auch letzte Woche schon bei unserem normalen Kurzfilmprogramm haben wir einen Bonusfilm in 3D gezeigt. Da gibt’s im Moment noch nicht viel Angebot, aber da lief jetzt bei uns Flamingo Pride, auch ein sehr schöner deutsch-israelischer Animationsfilm, den sicherlich viele schon in 2D gesehen haben, den wir auch schonmal gezeigt haben und den gibt es aber tatsächlich auch in 3D. Also wann immer sowas da ist, kann es hier gezeigt werden.

Felix: Bevor wir vorhin den Film („Die Karte meiner Träume“) gesehen haben, haben Sie noch kurz etwas zu den Brillen erklärt, die ganz anders als in großen Kinos funktionieren. Können Sie nochmal zusammenfassen, was da der Unterschied ist?

Damm: Genau, also wir haben ein aktives System, das heißt die Brillen sind Shutter-Brillen – man sagt die Brillen sind „aktiv“. Wir haben also in jedem Brillenglas ein kleines LC-Display, das abwechselnd beide Augen dunkel schalten kann, genauso wie es eben auch im Home-Cinema-Bereich üblich ist. Das ist eine Technik, die große Vorteile hat. Die Qualität ist sehr viel besser als mit den sonst üblichen Polfilter-Verfahren, weil einfach die Kanaltrennung sehr viel besser ist. Man sieht quasi mit jedem Auge nur genau das Bild, das das Auge auch sehen soll. Bei den Polfilter-Systemen ist es immer so, dass ein bisschen von dem „falschen“ Licht durchkommt – von einem falschem Signal – sodass man auf der Leinwand leichte Schattenbilder sieht, die sehr störend sind. Unser System jetzt hat sich trotzdem im Kino eigentlich nicht durchgesetzt, einfach weil die Brillen sehr viel teurer sind. Das ist bei uns aber kein großes Problem, weil wir mit einem kleinen Saal nicht sehr viele brauchen. Also wir brauchen keine 5000 Brillen, weil wir längst nicht so viele Plätze haben. Außerdem haben wir hier, da wir immer Personal da haben, die Möglichkeit darauf zu achten, dass Brillen auch wieder zurückkommen. Also die heute üblichen Wegwerf-Brillen kosten 50 Cent, die werden ja sowieso ausgegeben und nicht wieder eingesammelt, da ist es dann egal. Der Ablauf, dass man die Brillen wieder einsammelt und reinigt, ist in den großen Kinos einfach nicht machbar. Dazu kommt außerdem noch, dass das Verfahren, das wir hier haben, auf einer weißen Leinwand funktioniert. Die meisten anderen Verfahren brauchen eine metallbedampfte Silberleinwand. Das geht hier aus verschiedenen Gründen auch nicht. Wir haben zum einen hinter unserer Leinwand noch unsere Bühne. Die Leinwand ist also rollbar und es gibt keine Silberleinwände, die rollbar sind. Und selbst wenn das möglich wäre, würden wir das nicht machen, weil die Silberleinwand das Bild für 2D schlechter macht und das kommt für uns natürlich nicht in Frage, weil weiterhin unser überwiegender Teil des Programms in 2D gespielt wird. Da können wir es uns nicht leisten, das Bild bei den Vorstellungen schlechter zu machen. Deswegen ist für uns dieses aktive System wirklich eine fantastische Lösung, weil es eben qualitativ sehr gut ist. Aber ich kann natürlich völlig verstehen, dass in den großen Kinos sich dieses System nicht durchgesetzt hat.

Felix: Als ich vorhin mein Ticket gekauft hab, war ich ganz überrascht, dass es trotzdem nur 5,50 Euro als Student gekostet hat. Das ist man von 3D-Filmen ja eher nicht gewohnt. Wird das so beibehalten, oder war das heute ein Premieren-Preis?

Damm: Dass es heute keinen Aufpreis gekostet hat, war tatsächlich heute für die Premiere eine gesonderte Lösung. Es wird einen kleinen 3D-Aufschlag geben von einem Euro. Deswegen ist es trotzdem weiterhin bei uns so, dass wir eine sehr große Spreizung zwischen dem ermäßigten und dem normalen Preis haben: Die Nicht-Ermäßigten haben heute 8€ Eintritt bezahlt. Für Studenten wird es in Zukunft bei 3D-Filmen dann 6,50€ kosten, für die Nicht-Ermäßigten 9€. Das ist, denke ich, immernoch ein moderater Preis.

Felix: Sie haben über Facebook erwähnt, dass Sie auf dem Filmfest in München waren. Haben sie dort schon etwas entdeckt, was sie unbedingt im Casablanca zeigen möchten?

Damm: Ich hab diverse Sachen gesehen, die wir hier mit Sicherheit im Programm haben werden. Insbesondere einen Film, bei dem wir sehr wahrscheinlich den Regisseur als Ehrengast zu unserem Jubiläum einladen werden. Da sage ich aber noch keinen Titel, weil das noch nicht ganz fix ist. Was ich leider nicht sehen konnte, ist der neue 3D-Film von Godard (Goodbye to Language, Gewinner des Jury-Preises in Cannes; Anm. d. R.). Da bin ich sehr gespannt, ob der es ins Kino schafft. Ich habe mit dem Verleih schon geredet, der die Rechte für Deutschland hat, aber der weiß noch nicht, ob er den Film ins Kino bringen wird. Also wir müssen dann mal überlegen, vielleicht gibt es auch eine Möglichkeit eine Sondervorstellung zu machen. Das wär natürlich auch ein Film, der für uns ausgesprochen interessant wäre, aber da muss der Verleih natürlich mitspielen.

Felix: Da heißt es dann Daumen drücken. Vielen Dank für das Gespräch.

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Wer demnächst also noch überlegt, ob er wirklich 12,50 Euro für drei Stunden Transformers in Bayreuth ausgeben möchte, sollte vielleicht stattdessen mal die umliegenden Kunstkinos in Betracht ziehen. Mit Studenten-Rabatt und geteilter Fahrkarte kommt man preislich aufs Selbe hinaus. Somit unterstützt man dann direkt diejenigen, die den Verleihern auch mal auf die Füße treten, um die Kinokultur hier nicht aussterben zu lassen. Ansonsten ergeht es bald allen progressiven Filmen wie neulich Under the Skin.

Einen Überblick vom Kinoprogramm des Casablancas bekommt ihr hier.