Das Konzept Crowdfunding
Crowdfunding ist ein Phänomen, welches schon mindestens so lange existiert, wie Geld das relevanteste Tauschmittel für die Gesellschaft ist. Ob WGs, Genossenschaften oder Vereine, das Konzept Geld in einen gemeinsamen Topf zu werfen ist eine der am häufigsten genutzten Methoden der Wirtschaft. Durch das Zusammenlegen von finanziellen Mitteln kann ein Kauf getätigt werden, der für den Einzelnen unmöglich gewesen wäre. Eine teurere Anschaffung mit weniger finanziellem Aufwand für das Individuum. Mit der Verbreitung der Massenmedien hat dieses Prinzip im Laufe des letzten Jahrhunderts ungeahnte Ausmaße erreicht. So wurde beispielsweise die Fertigstellung der „Statue of Liberty“ 1885 nicht von den Franzosen, sondern von amerikanischen Bürgern finanziert. Der Initiative, die damals über das Medium „Zeitung“ ins Leben gerufen wurde, gelang es immerhin eine respektable Summe von umgerechnet 2,3 Millionen US-Dollar zu fördern.
Das Internet als Plattform
Lange Zeit blieben gruppenfinanzierte Projekte in diesem Ausmaß jedoch die absolute Ausnahme. Dies änderte sich mit der explosionsartigen Verbreitung des Internets ab der Jahrtausendwende. Seitdem das Internet als öffentlicher Kommunikationsraum globalen Ausmaßes existiert, ist es möglich, die halbe Welt auf sich und sein Projekt aufmerksam zu machen. Bei etwa 3 Milliarden Internet-Nutzern reicht es ja auch, wenn nur ein winziger Bruchteil mitzieht. Man muss nur laut genug schreien.
Gewisse Seiten im Netz verkaufen oder verschenken sogar Megaphone, mit denen man dann sicher gehört wird. Voll einfach! Wären da nicht die anderen Leute, die auch noch schreien. Das Internet ist wie ein riesiger Marktplatz auf dem jeder seine Waren anpreist und alle Besucher wegen des Lärms allmählich taub werden. Adblocker sind dabei übrigens auch nur die 5€-Ohrenstöpsel, die einem der kleine Junge von der Ecke angedreht hat. Die Besucher werden fast taub und nehmen den ganzen Marktplatz nur noch als dumpfes Rauschen wahr. Nur wenn jemand ganz nah an einem Stand vorbei geht und er Interesse an den dort verkauften Produkten hat, gibt es überhaupt eine kleine Chance, dass der Kunde kurz stehen bleibt und zuhört.
Das ist ja alles schön und gut, werdet Ihr jetzt sagen. Als Verkäufer stehen meine Chancen relativ schlecht, aber als Kunde interessiert mich das alles doch nicht. Da habt ihr in den meisten Fällen auch recht, aber nicht beim Crowdfunding. Und das ist das zentrale Problem, welches dieses Konzept heute hat. Man weiß in den seltensten Fällen, ob nicht der benachbarte Stand größere Boxen aufbaut und euren Stand übertönt. „Aber das ist doch gar nicht mein Stand!“ Doch, denn sobald man beim Crowdfunding in ein Projekt investiert, wird man vom Käufer zum Verkäufer, weil man selbst am Erfolg des Projekts interessiert ist. Und dieser Sachverhalt ist einer, den man sehr schnell aus den Augen verliert, der jedoch für jedes Crowdfunding Projekt Relevanz hat.
Videospiele und Crowdfunding
Liste der 50 erfolgreichsten Crowdfunding-Projekte laut wikipedia.orgBlickt man etwas tiefer in das Phänomen Crowdfunding ein, wird man feststellen, dass ein großer Anteil der Crowdfunding-Projekte einer bestimmten Produktgruppe angehören, nämlich den Computerspielen. 21 der erfolgreichsten 50 Crowdfunding-Projekte aller Zeiten sind Videospiele, Konsolen und Gizmos für Videospiele. Warum ist das so?
Dafür gibt es mehrere Gründe. Zunächst sind Videospiele ein digitales Produkt. Das heißt, sie sind kostengünstig und in nahezu unbegrenzten Mengen, ohne Qualitätsverlust reproduzierbar. Dadurch hat jeder Investor am Ende gleich viel vom Produkt. Das heißt: Jeder hat eine Garantie dafür, dass er bei Erfolg des Projekts auch profitiert. Das ist bei analogen Produkten anders. Dort kann es immer noch zu Problemen bei der Logistik und der Vervielfältigung kommen. Beispielsweise könnte es passieren, dass ein zusätzlicher Häuserblock vor den eigenen gebaut wird, wodurch der Blick auf die schöne Statue verdeckt ist.
Der nächste Grund ist, dass die Gaming-Community eine der aktivsten im Netz ist und sich Informationen innerhalb jener sehr schnell verbreiten. Zudem sind gerade große Spiele-Publisher oft auf die aktuell erfolgreichen Genres fokussiert. Unabhängige Spiele-Entwickler versprechen mit der Förderung durch die Community deren Gier nach Innovation zu befriedigen. Dies betrifft übrigens nicht nur Neues, es gibt auch genügend Nostalgiker, die die perfekte Zielgruppe für kleine Indie-Studios bilden, die „Retro“-Grafik und anspruchsvolles Gameplay „wie in alten Zeiten“ versprechen.
Der entscheidende Grund ist jedoch, dass viele Gamer Crowdfunding für eine Möglichkeit halten, bei der Produktion des Spiels eingreifen zu können. Wie auch im Spiel spielt Interaktion für die Gamer hier eine große Rolle. Manche Projekte werben sogar damit „Community-Feedback“ entgegen zu nehmen und zu berücksichtigen. Und ja, das ist definitiv keine Lüge, aber ein sehr kluger Marketing-Kniff. Denn die meisten Gamer sehen darin das Versprechen (bzw. die Möglichkeit), ihre eigene Idee ins Spiel einzubringen. Jedoch bedeutet diese Klausel banal gesagt, dass die Community für Quality Assurance zu Rate gezogen wird. Und während es selbstverständlich Ausnahmefälle gibt, muss man verstehen, dass es sich dabei um die Leistung der „Community“, also des Kollektivs, handelt und nicht um die Leistung des Einzelnen. Wer also denkt, dass seine Idee – und sei sie noch so gut – eine hohe Chance hat, im Spiel umgesetzt zu werden, der liegt falsch. Commuity-Feedback is an sich keine schlechte Sache. Dennoch ist die Illusion, dem fertigen Produkt seinen eigenen Stempel aufdrücken zu können, der wichtigste Grund, warum Crowdfunding bei Videospielen derartig erfolgreich ist.
Tatsächlich haben Videospiele aber auch einige Probleme was Crowdfunding angeht. Das erste ist eines, das man sehr leicht beheben könnte. Meistens ist es nämlich so, dass die Entwickler, frei nach dem Motto „Erst das Geld, dann das Vergnügen“ die Gameplay Demo erst freigeben, nachdem man gezahlt hat. Man kann Spiele jedoch sehr schlecht ausschließlich durch den audiovisuellen Aspekt einschätzen, während sich beispielsweise Filme auf den audiovisuellen Aspekt beschränken. Das fehlen einer ludischen Demo macht das Einschätzen eines Spiels also beinahe unmöglich. Aber Spiele wie Super Hot zeigen, dass es durchaus möglich ist, einen frühen Prototypen seines Spiels zu veröffentlichen, damit potentielle Investoren sich ein Bild machen können.
Das größere Problem ist jedoch, dass selbst bei einer adäquaten Demo, Gameplay bzw. Gamefeel ein schwer zu fassender Bereich bleibt. Denn schon der kleinste Tweak am Gameplay kann ein Spiel fundamental ändern und es ist fast nicht vermeidbar, dass im Laufe der Entwicklung am Gameplay leichte Änderungen vorgenommen werden. Dadurch ist eine gute Einschätzung des endgültigen Produkts, gerade bei Videospielen, sehr schwierig.
Fazit
Im Grunde ist es jedoch so, dass all diese Punkte keine Rolle spielen, wenn man Crowdfunding nicht als „Investition“ betrachtet. Wenn man ein Spiel fördert (oder generell bei einem Crowdfunding Projekt Geld in den Topf wirft), tätigt man keine Investition, sondern kauft ein Los. Selbstverständlich hat dieses Los mal höhere, mal niedrigere Gewinnchancen, aber es bleibt ein Los. Und wie das bei Losen ist, bekommt man halt manchmal die Niete, oder den Trostpreis. Wenn man damit einverstanden ist, kann man gerne „crowdfunden“, es sind ja schon viele Leute damit glücklich geworden. Also: Wenn ihr das nächste mal auf IndieGoGo browst, ein Spiel seht, welches ihr super toll findet und kurz davor seid, auf „jetzt unterstützen“ zu klicken, dann stellt euch den Marktplatz vor, auf dem euch ein kleiner Junge (oder von mir aus auch ein kleines Mädchen, ich hab gehört da muss man heutzutage vorsichtig sein) mit einer Schüssel voller Zettel angrinst und mit leuchtenden Augen vom Hauptpreis an seiner Losbude erzählt.
Ich muss zudem noch anmerken, dass der Begriff „Crowdfunding“ durchaus mehr Bedeutungen hat, als diejenige, die ich in diesem Artikel betrachte. Ich beschreibe in diesem Artikel das Unterstützen von Projekten, welche noch nicht existieren. Im Englischen wird das als „Kickstarting“ bezeichnet. Jedoch ist auch „Kickstarting“ ein schwieriger Begriff, da dieser eine zu erreichende Festsumme am Beginn des Projekts bezeichnet und nicht die kontinuierliche Unterstützung durch die gesamte Entwicklung bezeichnet. Insgesamt kann man also sagen, dass das Konzept „Crowdfunding“ noch sehr jung ist und ein Mangel an konkreten Begriffen und öffentlichem Verständnis zu Problemen führen kann. In diesem Sinne: Erst denken, dann Geldbeutel zücken!
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