1. Grundsatz: Was soll Film? Unterhalten. Warum ist Nebensache. Das kann eigentlich missinszenierter „Aguirre“, weil die Lächerlichkeiten schlicht köstlich sind. So auch einigen Fehlinterpreten von „The Expendables“ passiert. Auch gleichsam ein guter Film? Nicht notwendigerweise.
2. Grundsatz: Was soll Filmrezension? Unterhalten! Was sonst, wenn dank des neuzeitgeistigen Hyperindividualismus die besten Filme aller Zeiten im Universalschrank jeglicher abgegebener Meinungen in der Schublade „Sicher-damals-gut,-aber-doch-so-stinklangweilig“ eingeordnet werden. Wenn schlechte KeinohrparfümTwilighthasen trotz negativer Kritiken unterhaltungssüchtige Weltbürger auf Turkey in die Kinosäle wuseln. Kritik bewirkt immer weniger, dann doch bitte ein paar kurzweilige Minuten. Vis á Vis. Mit größtem Vergnügen. Selbstzweck für alle!
Der beste Stoff ist endlich wieder zu haben:
Harry Potter geht in üppigen 140-Gramm-Päckchen beim örtlichen Blockbusterdealer weg wie Bertie Botts Bohnen fast aller Geschmacksrichtungen. Und das Zeug haut rein! – Inklusive aller Nebenwirkungen.
Noch beeindruckender als Windows-Desktop-Hintergründe agieren Potterweasleygranger vor den schönsten Herbstlandschaften Britanniens. Das Gewand des Films präsentiert sich als protzigste Haute Couture des Mainstreamkinos: Hochgeschwindigkeitsjagd durch Englands Flora, Geisterfahrt mit magischen Motorrad auf der Autobahn, Zeitlupenmesserwurf, fantastische wie Scherenschnitt anmutende Animation. CGI-gestreckt in den Flashback-Trip.Was nützen schönste Kirschen, wenn die Torte bitter schmeckt?
Es strotzt vor Szenen, die Gänsehaut unter den Fußsohlen verursachen. Nur kurz das böse Amulett aus dem Herr-der-Ringe-Fundus abgelegt, da haben Harry und Hermine endlich wieder Freude und Luft in der Seele um die Plakativität beim Tanzen zu Nick Cave zu bejubeln.
Oder Ron, der ein Zweiminuten-Referat über leuchtende Liebeskugeln zum Besten gibt.
Nein, doch wieder Hermine und Harry fast nackt, nippelfrei, als grüne Rauchwesen eng umschlungen. Bitte Plakate davon drucken! Endlich mal mehr Knistern als das einseitige Hin-und-Her-Sprühen knalliger Zauberspruchfunken in dieser Pubertätspropagandafantasterei. Plakativität als stärkste Geste!
Ron ist tierisch sauer und poltert durch die Szenen wie Hayden Christensen kurz vorm Darth Vader, mit Satansaugen und einem Wutkiefer, der gleich aus den Angeln zu springen droht.
Nach 140 Minuten Film hat sich der Handabdruck auf der Stirn schon Pottermal-mäßig eingebrannt.
Die Sätze fallen den Mimen wie Holzlatten aus dem Maule. Gründe für diesen Dialoggraus gibts genügend: Übersetzung, Drehbuch, Schauspielführung, darstellerisches Talent – da nützen weite Teile Original-Buch-Dialoge auch nichts mehr. Großartig performativ-pathetisch erklärt Harry beispielsweise, dass er einen Elfen allein beerdigen will, ohne Zauber. Wozu Bild, wenn’s der Text mir sagt?
Wenn der ’Spirit’ der Vorlage im Pomp untergeht, reicht keine Inhaltstreue um zu fesseln. Tiefe, auf emotionaler, wie auf Figurenebene, taucht seltenst auf. Schauwertregisseur David Yates schenkt dem Zuschauer Augenschmaus und entreißt ihm gleichsam das Hirn und der Film bleibt durch die Paradoxie der Inszenierung als Playmate des Jahres zurück.
Einerseits kracht und knallt es an allen Baumlichtungen, andererseits wird das Ende des 1. Teils im Haus der Malfoys z.B. derart kraftlos und ohne Spannung auf die Leinwand geschludert. Um den Geldsegen der niedrigeren Jugendfreigabe zu garantieren, inszeniert Yates dann doch wieder mit Schalldämpfer – oder der Cutter durfte Edward mit den Scherenhänden spielen.
Wie markzerfressend die Schlange aus Bathilda Bagshot platzt – sehen wir nicht.
Hagrids vermeintlicher Tod? Nein. Wurmschwanz‘ tragischer Verrätertod durch die eigene Eisenfaust? Nada. Bills Narben als graue Bleistiftstriche im Gesicht – schon beängstigend.
Wo ist Voldemort, wo ist Voldemort? In Harrys Hirn – als spannungssteigernde Gefahr taucht er nicht auf. Wo ist die spürbare und nicht nur mimsch-sichtbare Verzweiflung der Helden, die einer schier unmöglichen Aufgabe gegenüberstehen, diese Leere? Vielleicht hinter mancher Zuschauerstirn.
Durch die leichte Federführung mangelt es nicht an Rasanz und mit derselben locker-hohlen Rezipienteneinstellung ist das alles amüsant verschmerzbar. Jedoch nicht gut.
Metaphorisch gesprochen malt der Film, malt der Regisseur großartige Bilder, doch benutzt er anstelle des Pinsels eine Streitaxt… aus Plüsch.
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