Valle schreibt über Auserwählte und Bestimmung. Da ich ein übergeordnetes Thema für die Gamescom gesucht habe, hat sich in diesem Sinne Freiheit angeboten. Wie frei sind wir, über unser Zukunft zu entscheiden? Und viel wichtiger: Wie sehen unsere zukünftigen Konsolen und Spiele dann aus?
Hallenverstopfung
Freiheit ist ein viel umworbener Begriff bei Spielen. Die Freiheit alles tun zu können, was im echten Leben unmöglich, oder manchmal moralisch verwerflich wäre, kann man hier ausleben. Für den Anfang habe ich mir aber erst einmal die Freiheit auf der Messe selbst angeschaut. Und da wird schnell klar, dass einem nicht viel Bewegungsfreiheit bleibt.
könnte man meinen (es lief vor kurzem wieder der 50 Cent Film im Fernsehen). Anstehen vor den Ständen, Wühlen durch die Gänge, Schreien für Werbegeschenke – die einen nicht selten einfach nur zur Werbefläche degradieren – gehören zum Messealltag des gemeinen Besuchers. Um mal ungefähr einen Eindruck zu bekommen, startet einfach den GC-Simulator, den ich euch gebastelt habe 😉
Beyond
Aber kommen wir zu den Spielen. Beyond war mein erstes Spiel auf der Messe, nachdem ich fast zwei Stunden (am Fachbesuchertag!) anstehen musste. Doch sucht mal nach Freiheit in einem von David Cages Spielen… Ich bekam eben genau das, was ich erwartet hatte. Man darf zwar zwischendurch herumlaufen. Und durch eine übernatürliche Fähigkeit kann Jodi aus ihrem Körper schlüpfen und auf Geist machen. Aber würde man die Präsentation herunterschrauben, würden nur aufleuchtende Tasten zurückbleiben, die es zu drücken gilt. Versteht mich nicht falsch. Ich werde Beyond genau wie Heavy Rain verschlingen. Doch was mir fehlt, sind Freiheiten. Bei einem Trainingskampf wollte ich unter dem Schlag des Gegners hinwegducken. Doch das Spiel zwingt mich zu Kontern. Eine einfache Weiche im Code hätte das viel komfortabler gestaltet. Ich will doch nicht die grenzenlose Freiheit, aber doch ein paar mehr Möglichkeiten!
Aber eventuell liegt die Freiheit bei Beyond wirklich im Spielverlauf. Angeblich wird es kein Game Over geben, sondern sogar weitergehen, wenn Jodi stirbt. Abwarten wie dynamisch das ist, doch vermutlich wird es auch hier extrem vorbestimmt sein und man kann nicht wirklich jederzeit sterben. Sondern wird sich immer nur zwischen einer handvoll möglichen Enden hin und her triggern.
Xcom: Enemy Within
Doch weg von den Besucherhallen, hin zu einer exklusiven Enthüllung. Gut, man hätte sich denken können, dass Fireaxis ein Xcom Addon vorstellt. In entspannter Atmosphäre und im kleinen Kreise (Dank an Björn für den kurzfristigen Termin!) durfte man bei 2k Games das neue Xcom anspielen. Enemy Within ist zwar nur eine Erweiterung des schon guten Xcoms, doch packt das Grundspiel nochmal mehr an der Freiheit an. Spezialeinheiten haben nun die Möglichkeit auf Dächer hinaufzuspringen, Mechs bieten mehr Bewegungsfreiheit auf der Map und sorgen dazu mit ihrem Faustschlag für meterweite Flüge der damit getroffenen Aliens. Eine neue Ressource wird mehr Möglichkeiten im Forschungsabschnitt bieten. Xcom ist ein sehr gutes Beispiel für die Freiheit, die ein abgerundetes System bieten kann. Eine übergeordnete Story beschreibt den Kontext, aber der Spieler schreibt auch seine eigenen Geschichten auf dem Schlachtfeld.
Mad Max
Danach ging es gleich rüber zu Warner Brothers, wo das Spiel zu den Kultfilmen Mad Max präsentiert wurde. Ein Open-World Spiel! Komplette Bewegungsfreiheit auf der Karte und dazu die Freiheit, sein Auto mit gefundenen Teilen zu tunen (angeblich über 1 Millionen Möglichkeiten). Auch im Kampf bieten sich mehrere Möglichkeiten an, den Feind auszuschalten. In der Demo konnte man so z.B. den Schaftschützen auf einem Turm selbst herunterschießen, oder man befestigt eine Seilwinde am Turm und bringt ihn mit einem beherzten Druck aufs Gas zum Einstürzen. Weiterhin interessant waren die Events, die in der Welt oft mal getriggert werden. So kann der Spieler entscheiden, ob er eine Autokolonne angreifen oder doch lieber in Frieden lassen soll. Hoffentlich kommt zum Gameplay noch eine gute Story hinzu. Doch auch so sieht Mad Max nach einem Abenteuerspielplatz aus, der zwar sehr grau/braun und neblig daherkommt, aber viele Freiheiten bieten wird.
Project Spark
Spark definiert Freiheit ein bisschen umfassender: Es lässt euch ganz eigene Spiele kreieren. Wie ein vereinfachtes Unity lässt euch der Editor von Sparks simple Relationen aufbauen. Objekte werden über Befehle mit anderen verbunden, wodurch Events getriggert und Aktionen ausgeführt werden können. In der Art des Spiels sind dabei kaum Grenzen gesetzt. In der kurzen Präsentation konnte man einen Top-Down Shooter, ein Action Adventure und sogar einen Limbo-ähnlichen Platformer sehen. Besonders interessant war das Terraforming: Durch Smartglass kann auf einem Tablet die Umgebung gestaltet werden – simples Wischen mit dem Finger lässt Berge entstehen oder Flüsse fließen. Die ganze Erstellung ging sehr schnell und einfach. Eine „richtige“ Engine wie Unity wird Sparks natürlich nie ersetzen. Für Programmier-Neulinge ist das aber eine Möglichkeit, zu verstehen, wie Spiele aufgebaut sind. Und vor allem wird es Spaß machen, seine eigenen Spiele mit der Community zu teilen und in dem Zuge auch unzählige Spiele von anderen auszuprobieren.
Everquest
MMOs. Was soll da noch kommen? World of Warcraft war lange Zeit der unangefochtene Platzhirsch, Guild Wars 2 hat sich im „Free to Play“ Sektor seinen Spitzenplatz erkämpft und Elder Scrolls Online verspricht alle Fans von düsterer Fantasie abzuholen. Wieso dann noch Everquest?
Die Antwort der Entwickler: Everquest besitzt eine Umgebung aus Voxels. Theoretisch ist dadurch die komplette Welt von Everquest zerstörbar. Kämpfe hinterlassen deutliche Spuren und Spieler können die Umgebung verändern, um sich einen taktischen Vorteil zu verschaffen. Diese absolute Freiheit in der Welt wird leider wieder etwas durch das Spiel eingeschränkt. Es soll natürlich nicht vorkommen, dass sich Spieler geradewegs nach unten „graben“ oder eine größere Gruppe wichtige Städte komplett ausradiert. Sobald das Spiel aber den Spieler lässt, kann der unheimlich viel Unfug treiben.
Diese Dynamik wurde auch auf die Mobs übertragen. Statt an vorgegebenen Stellen zu erscheinen, ziehen sie selbständig durch die Welt und begegnen euch immer unterschiedlich. Sinnloses Grinden an einer Stelle sollte Geschichte sein. Freiheit durch Zufall und Variation, zusätzlich die Möglichkeit, die Welt zu verändern. Man kann gespannt sein, wie die Welt nach den ersten Monaten aussehen wird.
Achja. Das Rennen durch die Welt macht durch das Sliden, Schweben und Springen extrem Spaß…
Hotline Miami 2
Jetzt wird es schwierig meine Objektivität zu wahren. Als Fanboy vom ersten Teil, habe ich mir sichtlich aufgeregt natürlich den zweiten angeschaut. Dazu kam, dass auch noch Dennis Wedin dabei war, der Artist des Spiels. Ich wusste nicht, was ich zuerst umarmen sollte.
Hotline Miami ist ein Spiel, in dem es darum geht, möglichst schnell alle Personen im Raum zu töten. Der zweite Teil ist mehr davon. Und natürlich noch mehr meta und deep als der erste. Anruf über Anruf rutschte der auserwählte Jacket in die Tiefen der Gewalt ab, bis es für ihn kein Entkommen mehr gab. Seine Freiheit wurde ihm im Rausch von Blut, flimmernden Farben und 80er Jahre Synthiemukke genommen. Doch jetzt wo alle „Bösen“ (wer ist noch gut oder böse?) in ihrem eigenen Lebenssaft am Boden herumkriechen. Wer sollte den Morddrang in HM2 verspüren und die Geschichte fortführen? – Nachmacher, Trittbrettfahrer, „Fans“. Die, die nicht in der tragischen Situation von Jacket stecken, aber sich aus freiem Willen dazu entscheiden den Weg der Gewalt zu gehen. Gewalt ausüben als Ausdruck, zur Perversion, für die Massen, nicht um eine böse Macht oder einen schlechten Menschen zu beseitigen – das wäre zu eindimensional. Mein Sinn für Subtext spielt verrückt, als ich diese Zeilen schreibe. Kommentar auf den Spieler, der die Gewalt reflektiert, welche in Medien dargestellt wird, welche die überzeichnete Realität abbilden. Und das alles dreht sich im Kreis, bis ich selbst gewollt bin [und da kommen die Männer und ketten mich zurück an mein Bett].
Hotline Miami 2 wird ein sehr gutes Spiel werden. Und ich habe mir die Freiheit genommen hier ein bisschen Fanboy zu sein.
Freiheit
Die Messe ist vorbei, die Leviten sind gelesen. Zurückt bleibt der geschundene Körper, der sich nach Urlaub sehnt. Doch die Entwicklung im interaktiven Medium ist zu spannend, um jetzt komplett abzuschalten. Die Freiheit im Spiel wird immer größer. Im bald erscheinenden GTA V gibt es eigentlich nichts, was man nicht machen kann. Auch in der Produktion und Vermarktung scheint alles einfacher zu werden. Wo vorher noch unglaublich teuere DevKits angeschafft und lizenziert werden mussten, kann man auf seiner eigenen Spielekonsole entwickeln und (man mag Microsoft kaum glauben) sogar vermarkten. Doch wollen wir diese Freiheit? Ist es nicht auch mal schön, sich von einem Heavy Rain eine Geschichte erzählen zu lassen? Beides hat seine Vor- und Nachteile und wir haben die Möglichkeit mit beidem zu jonglieren. Und wie mein Vater immer schon zu sagen pflegte:
Ich kenn keinen Spaß. Nur Schmerz.
Ich nehme den im Raum liegenden Gedanken und werfe ihn zurück. Du kaufst was dein Umfeld dir vorschlägt – Freunde, Magazine, Werbung. Du setzt dich hin wenn dir dein Umfeld (und deine alte) es dir erlaubt. Du bist nicht zuletzt geleitet von deinen eigenen Bedürfnissen. Und hast du Spaß dabei?
Jeder Vater, der seinen Sohn als „Sohn“ anspricht, verdient nen Daumen hoch.
Auch will ich den Gerdanken „Metafreiheit“ in den Raum werden. Die Freiheit die eigene Freiheit zu wählen. Sündenfall all over again. Beginnt meine Freiheit erst im Spiel? viel früher, wenn ich das Spiel auswähle? Wenn ich mich überhaupt hinsetze?
Wow, sehr guter Artikel! Besonders auf Mad Max bin ich gespannt, weil ich die Filme liebe 🙂