
6 Monate. 30 Bücher. 5 ausgewählte Bücher aus der ersten Hälfte von 2025. Von einem Kind in einem Bombenanschlag, Familiendrama im wilden Alaska, Poesie aus dem 20. Jahrhundert, einer tödlichen Wette um den Klimawandel und der Ungerechtigkeit des juristischen Systems in Bezug auf Vergewaltigungen- es waren viele spannende Bücher dabei. In diesem Artikel stelle ich fünf Bücher vor, die mich besonders bewegt haben und über die ich auch Wochen später noch häufig nachdenke.
In meinen Träumen läutet es Sturm – Mascha Kaléko
Ich liebe Lyrik. Ich liebe es, neue Dichter*innen zu entdecken. Ich liebe es, wenn emotionale Erfahrungen in einer kunstvollen Form beschrieben werden. Immer wieder greife ich nach neuen Dichter*innen in der Hoffnung, tolle Werke zu finden. In den meisten Fällen werde ich dabei aber leider enttäuscht. Meistens ist ein Poesiewerk in eine der zwei Kategorien vorzufinden: Schwer verständliche, verstaubte Poesie von der höchstens ein allergisches Niesen ausgelöst wird, oder moderne “honey and milk- Poesie”, die hohe literarische Ansprüche weit hinter sich gelassen hat und einen stinknormalen Satz auf vier Zeilen aufteilt und das Poesie nennt (Ja, ich rede unter anderem von Rupi Kaur). Dementsprechend schwierig gestaltet sich die Suche nach Poesie, die zwar literarisch anspruchsvoll ist, aber nicht zwei Werktage Lieferzeit in mein Gehirn braucht.
Der Name Mascha Kaléko ist mir schon häufiger begegnet. Nach einem kurzen Blick auf ein paar Gedichte beschloss ich, dass “In meinen Träumen läutet es Sturm- Gedichte und Epigramme aus dem Nachlass” ein weiteres Experiment auf der Suche zwischen Staub und Rupi Kaur sein sollte. Das Buch wurde 1978 von Gisela Zoch-Westphal im dtv- Verlag herausgegeben.
Mascha Kaléko wurde 1907 geboren und verbrachte ihre jungen Jahre in Berlin. Schnell wurde sie zu einem bekannten Namen in der Stadt und veröffentlichte 1933 ihr erstes Werk “Das lyrische Stenogrammheft”. Leider war das Jahr aber auch von der Machtergreifung Hitlers geprägt, und die jüdische Mascha Kaléko bekam ein Berufsverbot durch die Nazis. Ihre Werke wurden verboten, und sie emigrierte mit ihrem Mann nach Amerika. Auch Gedichte über das Exil fanden ihren Weg in ihre Werke. Ihr Schreibstil ist geprägt von Gefühl und Ironie, von Alltag und Melancholie. Dabei sind ihre Gedichte relativ leicht zugänglich, bleiben dabei aber lyrisch kunstvoll. Das Werk ist aufgeteilt in verschiedene Bereiche: Lieder für Liebende, Im Exil, Zeit- und Unzeitgedichte, Das letzte Jahr und Epigramme.
Genau dieser Mix von Einfachheit und literarischem Anspruch und der Mix aus Alltag und historischer Tragödie haben mich in den Bann gezogen. Ich habe dieses Werk innerhalb von drei Tagen verschlungen- obwohl ich mir bei Poesie immer vornehme, mir Zeit zu lassen. Bei ganz vielen Gedichten habe ich die Seitenzahlen fotografiert, um die Gedichte später zu kopieren und in meinem Zimmer aufzuhängen. So kann ich sie mir öfter durchlesen, denn ich liebe Lyrik. Ich liebe es, neue Dichter*innen zu entdecken.
Liebe und Verderben – Kristin Hannah
Dieser Roman (und vor allem sein Ende) hat mich emotional so sehr getroffen, dass ich Schmerzensgeld verlangen möchte. Und mit diesem Schmerzensgeld würde ich direkt in den nächsten Buchladen gehen und mir das nächste Buch von Kristin Hannah kaufen. Oder in das wilde Alaska ziehen.
Es geht um Leni, die mit ihren Eltern in das wilde Alaska zieht. Dort baut sich die Familie ein eigenes Leben in einem kleinen Dorf auf. Der Vater kämpft mit dem Trauma des Vietnamkrieges, in welchem er kämpfte, und wird immer wieder gewalttätig gegenüber ihrer Mutter. Währenddessen verliebt sich Leni in den Sohn der Nachbarsfamilie. Über Jahre hinweg begleiten wir über den rauen, gefährlichen Alltag in Alaska sowie die Familie und die Liebe, die sich zwischen Leni und Matthew entwickelt. Während eines dunklen Winters spitzt sich die Lage zu, und Leni und ihre Mutter müssen Entscheidungen treffen, die ihr Leben definitiv verändern werden.
Dieser Roman beschreibt die Wildnis Alaskas in so einer beeindruckenden Art und Weise, dass man das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen kann. Neben der Landschaft werden auch die Tochter-Mutter-Beziehung und der Zusammenhalt unter den Nachbarn ausführlich thematisiert. Kristin Hannah schreibt sehr bildhaft und geht auf das Menschliche in jedem Leben ein, was mir persönlich sehr gut gefällt. Dadurch fühlt man sich noch mehr mit den Figuren verbunden und die ganzen dramatischen Wendungen am Ende treffen einen noch mehr. Weiterhin wirft der Roman wichtige Fragen auf, die sich um Gewalt, Liebe, Gemeinschaft und Natur drehen. Insgesamt ist “Liebe und Verderben” ein unfassbar menschlicher, schöner, grausamer und wichtiger Roman, der mich sehr bewegt hat und den ich bestimmt noch ein paar Male lesen werde.
Prima Facie – Suzie Miller
Wenn ich die ganze Welt zwingen müsste, ein Buch zu lesen, dann wäre es Prima Facie von Suzie Miller. Mit einer unglaublichen Wucht und starken Argumenten behandelt es ein Thema, was für alle relevant ist, jedoch so gut wie nie in der Gesellschaft diskutiert wird: Die Ungerechtigkeiten des juristischen Systems gegenüber den Opfern.
Die hoch angesehene Strafverteidigerin Tessa Ensler ist der Meinung, dass das Gesetz alle Menschen schützt. Sie ist exzellent in ihrem Beruf und verteidigt auch mutmaßliche Sexualstrafträter*innen. Dabei empfindet sie keinerlei Schuldgefühle, da sie im Gericht ja bloß Unstimmigkeiten bei den mutmaßlichen Opfern entdeckt und zur Sprache bringt. Selbstbewusst steht sie hinter dem juristischen System, bis sie eines Abends selbst Opfer sexueller Gewalt wird. Anschließend beschließt sie, in den Zeugenstand zu gehen, und erlebt die Gerichtsprozesse von der anderen Seite. Dort merkt sie, dass Kreuzverhöre nicht so eindeutig sind, wie sie immer dachte. Als Opfer lernt sie, dass die Situation des Übergriffes nicht chronologisch und perfekt erinnerbar ist, und verstrickt sich selbst in Unstimmigkeiten. Die einst hoch angesehene Strafverteidigerin Tessa Ensler merkt: Das Gesetz und das juristische System schützt eben nicht alle Menschen.
Auf dieses Buch bin ich gestoßen, weil ich im April 2025 das gleichnamige Stück im Schlosstheater Celle gesehen habe, und dies eine sehr prägende und schockierende Theatererfahrung war. Nach dem Theaterbesuch war ich mir sofort sicher, dass ich das Buch noch lesen möchte, um wirklich alles noch einmal langsam und bewusst aufzunehmen, da eine Geschichte wie diese nicht vergessen werden darf. Die gesamte Geschichte hat mich unglaublich wütend, traurig und verzweifelt gemacht, und ich habe mit ganz vielen Leuten darüber geredet, weil ich diese Erkenntnisse erst einmal verarbeiten musste und wollte, dass mehr Leute über Fragen wie diese nachdenken. Genau deshalb werde ich dieses Buch immer wieder empfehlen: Angelegenheiten wie diese müssen thematisiert und diskutiert werden.
Der Eisbär und die Hoffnung auf Morgen – John Ironmonger
In einem kleinen Fischerdorf fallen große Worte: Der Student Tom Horsmith wettet, dass der Politiker Monty Causley aufgrund des Klimawandels in 50 Jahren nicht mehr im niedrig gelegenen Wohnzimmer sitzen könne, ohne zu ertrinken. Sollte dies nicht stimmen, müsse er selbst ins Meer gehen und ertrinken.
Das ist die Ausgangssituation in dem Roman “Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen” von John Ironmonger. Das zentrale Thema dieses Werkes ist die Klimakrise, und der Autor beleuchtet das Thema unfassbar vielschichtig mit aktuellen Debatten, etwaigen Lösungsvorschlägen, menschlichen Gefühlen und persönlichen Erfahrungen der Figuren. Dabei geht es aber nicht nur um Politik, sondern auch um Romantik und das Alltagsleben.
Im Verlauf des Buches verfolgen wir die beiden Leben von dem Geowissenschaftsstudenten und Umweltaktivisten Tom Horsmith und dem Politiker Monty Causley getrennt. Neben Beruflichem erfahren wir auch etwas über ihre persönlichen Hintergründe, die Liebe, die Familie, innere Werte und Momente, die sie als Menschen prägen. Wir lernen die beiden kennen, bis es schließlich zum großen Finale kommt- und in diesem wird es um Leben und Tod gehen.
Ich denke, dass dies das Buch war, was mich in 2025 bis jetzt am meisten geprägt hat. Die Figuren waren moralisch unfassbar stark und gleichzeitig so menschlich, dass sie sehr inspirierend waren. Der Plot des Romans lässt einen gleichzeitig so hoffnungsvoll und verzweifelt fühlen, und am Ende des Buches ist man ein einzelnes emotionales Wrack (damit meine ich, dass ich so einigen Politikern schreiend an die Kehle gehen oder einem Eisbären zum Fressen vorwerfen wollte).
(Hinweis: Der Roman ist der zweite Teil einer Reihe, die Bücher können aber unabhängig voneinander gelesen werden.)
Der Distelfink – Donna Tartt
Dieser Roman ist eines dieser Bücher, die man beim Lesen als gar nicht so eindrucksvoll wahrnimmt, aber Wochen später immer noch mindestens jeden zweiten Tag darüber nachdenkt. Die Rede ist von dem 2013 erschienenen Distelfink von Donna Tartt.
Es geht um Theo, einen 13- jährigen Jungen, der mit seiner Mutter in ein New Yorker Kunstmuseum geht und in einen Bombenanschlag gerät. Er verliert seine Mutter und erlebt die letzten Momente eines fremden alten Mannes, der ihm rät, ein Gemälde (Den Distelfink von Carel Fabritius von 1654) mitgehen zu lassen. Im Verlauf des Romans verfolgt man den Rest der Kindheit, die Jugend und die erwachsenen Jahre von dem ehemaligen Kind Theo.
Donna Tartt legt in diesem Roman ein unfassbares erzählerisches Talent offen, das einen süchtig macht. Dazu sei unbedingt gesagt, dass der Roman sehr lang (über 1000 Seiten) ist, doch wen ein langsames Tempo nicht stört, wird das Detailreichtum und Ausführlichkeit genießen. Empfehlen würde ich es deswegen allerdings nicht jedem. Dafür wirken die Beschreibungen durch die Ausführlichkeit umso realistischer, und vermitteln die trostlose, düstere Stimmung umso besser. Es ist ein sehr atmosphärischer und einfühlsamer Roman, und bietet einer der besten Schreibstile, die ich je lesen durfte.
Das war meine (zugegebenermaßen sehr dramatische, ich glaube, je tragischer die Bücher, desto glücklicher die Maya) Liste von Büchern, die mich bis jetzt in 2025 bewegt haben.
Ich bin sehr gespannt, was mir in den nächsten sechs Monaten noch in meine Hände fällt!

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