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Wie fängt man an mit so einem Artikel über einen Mann, der einen musikalisch schon sehr lange begleitet? Er ist gewiss nicht mein Bob Dylan, aber ich hatte eine Zeit, wo ich mit ihm abgeschlossen habe. Ich bin mit seiner Entwicklung seines Musikstils nicht sofort mitgegangen, aber habe nach Jahren wieder zu ihm gefunden. Ich spreche von Cro. Als ich neun Jahre alt war, ging der große Erfolg von ihm los. Easy, Du oder Einmal um die Welt belustigten mein kindliches Ich mit ebenso kinderfreundlichen Mitmachtexten. Wenn ich ehrlich bin, würde ich seine damalige Musik als nostalgisch legendär bewerten, aber dennoch diese Musikepoche Cros heutzutage auf einem ähnlichen Level wie KiKa Tanzalarm sehen. Gute Stimmung wie bei einem studentischen Animateur in einem 3 Sterne-Ferienressort. Nach weiteren Jahren dieser Musik entschied sich Cro seinen eigenen Weg zu gehen und eine melancholischere Musikrichtung mit dem Album „tru“ einzuschlagen. Mein mittlerweile 14-jähriges Ich war noch nicht bereit für den melancholischen und ruhigen Sound seiner Musik. Vier Jahre später sah das wiederum anders aus, durch Freunde entdeckte ich wieder die Musik Cros und fand diesmal mehr Gefallen daran, da das Album „trip“ meiner Meinung nach einen Ausgleich zwischen Freude und Melancholie schaffte. Letztes Jahr war ich dann auf einem Open-Air-Konzert,  was mir von Cros Performance sehr gefiel, aber mir gerade die handyfilmsüchtige und nicht mit dem Künstler auseinandersetzende Crowd negativ auffiel. Ich verstehe es ja mega, wenn man mal ein Video von dieser Show mit Flammen und Feuerwerk macht, aber dann Leute zu sehen, die während dem Konzert auf Insta rumdaddeln oder Nachrichten schreiben, finde ich relativ respektlos gegenüber dem Künstler. Einige Tage später war ich auf dem Konzert von Peter Fox und sah, dass auch beides gut sein kann, Crowd und Künstler, eine Symbiose, die sich jeder Konzertbesucher gerne wünscht.

Konzert am ersten Advent

Nach dieser gemischten Erfahrung war ich mir unsicher, ob ich ein weiteres Konzert von Cro besuchen möchte oder ob meine Zeit als Hörer abgelaufen ist. Bin ich nicht mehr der Adressat seiner Musik? Dennoch wagte ich den zweiten Versuch, der uns in die Gegenwart bringt. Ich ging zusammen mit zwei Freunden, beide große Cro-Fans, zum Konzert nach Hannover, also das erste Mal Indoor. Im Gegensatz zum Open Air fiel mir auf, dass die Dauer des Konzertes gleich, aber effektiver organisiert war. Beim Open Air kam lange nichts und dann etliche Voracts, bis endlich der Hauptact dran war. Diesmal war die Setlist chronologisch, das heißt, es ging los mit den Songs, die ich mit neun Jahren angefangen habe, zu hören und er führte durch seine zwölfjährige Musikepoche. Gerade in der Phase meiner Cro-Abstinenz wippte ich eher zur Musik als textsicher dabei zu sein. Dennoch konnte ich trotz der Handysuchtis ein positiveres Konzerterlebnis verzeichnen. Die Gruppendynamik auf Konzerten ist nicht wie im Weserstadion in Bremen, was ich am vorherigen Tag besuchte, wo die langjährige Liebe zu einem Fußballverein einen verbindet. Dennoch muss man sich von Konzert zu Konzert daran gewöhnen, dass Handys nie mehr gehen werden. Es ist zwar einerseits traurig, dennoch macht es mir Hoffnung, dass ich nur auf Cro-Konzerten solche Erfahrungen gemacht habe und auf Festivals nur sporadisch gefilmt wurde und das Erlebnis im Vordergrund stand. Seien wir mal ganz ehrlich, gerade TikTok ist nach drei Tagen Cro-Tour voll mit Videos, reicht das uns nicht? Das klingt zynisch, aber brauchen wir in Zeiten von Datenschutzproblemen wirklich unser eigenes verwackelt aufgenommenes Video noch auf dem Handy?

Cro bleibt ein Künstler, der wagt, sich neu zu definieren und genau das ist es, was ihn besonders macht. Die Konzerte, ob Open Air oder Indoor, verdeutlichen jedoch eine Veränderung in der Konzertkultur, die ich schwer ignorieren kann. Die ständige Präsenz von IPhones und das Bedürfnis, Erlebnisse digital zu konservieren, stellen einen Widerspruch zur Intimität und Energie eines Live-Erlebnisses dar. Doch trotz dieser Herausforderungen bleibt die Freude, Musik live zu erleben, ungebrochen, auch wenn es eine gewisse Anpassung braucht, um sich von den ständigen Handydisplays nicht ablenken zu lassen. Vielleicht ist es genau das, was Cro mit seiner Reise durch zwölf Jahre Musikgeschichte aufzeigt. Es lohnt sich, im Moment zu sein, die Songs zu fühlen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: den Künstler, die Musik und die Emotionen, die sie transportiert.

Für mich bleibt Cro ein fester Bestandteil meiner musikalischen Biografie und auch wenn ich vielleicht nicht jedes Konzert besuchen werde, schätze ich die Momente, in denen sich unsere Wege musikalisch kreuzen. Ob mit neun, vierzehn oder heute, Cros Musik erinnert mich daran, dass Veränderung nichts Schlechtes ist, sondern eine Möglichkeit, Altes neu zu entdecken und sich selbst dabei neu zu finden.