Beyond: Two Souls erzählt von unserer Welt und der Infrawelt, in der sich die Seelen der Menschen aber auch von Monstern aufhalten. Doch das sind nicht die einzigen zwei Seiten, die sich bei dem Spiel gegenüberstehen. Selten kämpft der spielerische Aspekt so sehr mit der Geschichte wie bei Spielen von David Cage (Heavy Rain, Fahrenheit). Denn die Vision von Cage ist umstritten. Wo einige (oder auf jeden Fall er) die Zukunft des interaktiven Mediums sehen, halten es viele für langweilig, unausgereift oder beschränkend.

So infantil diese „Rezension“ auch ist, es steckt trotzdem (irgendwo ganz tief) ein wirklicher Kritikpunkt drin: Beyond besitzt oft wenig Freiheit. Und auch im linear und filmisch gehaltenen Design kann das schlecht sein. Aber um weiter ins Detail zu gehen, will ich im Folgenden die Narrative von der Ludologie trennen, um beide Aspekte des Film-Spiels würdig analysieren zu können.

Narrative

Beyond will eine Geschichte erzählen und mit ihr den Spieler berühren. Ellen Page macht eine verdammt gute Figur und schafft es ihre Emotionen auch in diesem Medium zu transportieren. Ihr Charakter Jodie ist mit einer Identität, dem Geist Aiden, verbunden, der sie immer umgibt. Das führt natürlich schnell zu Problemen in der Familie, wenn Aiden wieder einmal ein Kind würgt, das eigentlich nur mit Jodie spielen wollte. Beyond springt ständig zwischen den wichtigen Abschnitten in Jodies jungem Leben hin und her und erzählt, wie sie lernt, damit umzugehen. Natürlich wird schnell die Regierung auf sie aufmerksam und will sie als Waffe benutzen. Folglich kommt es auch zu pompöser inszenierten Levels, die über Kinder-Würgen hinausgehen. Mag es vielen Spielern sauer aufstoßen, wenn in der Story so herum gesprungen wird, war es für mich einer der Aspekte, wieso ich unbedingt weiterspielen wollte. Es ist abwechslungsreicher, da langweilige Übergänge gestrichen und immer sofort in die relevanten Szenen gesprungen werden kann. Am meisten Spaß macht Beyond aber bei langsamen Tempo. Wenn die Charaktere in der Nahaufnahme sind und miteinander agieren, dann ist das Erlebnis am intensivsten. Und das Finale ist zwar an manchen Stellen übertrieben, bietet aber endlich die gravierenden Entscheidungen, die man sich das ganzen Abenteuer über gewünscht hat.

Drücke Strg + A um in die Infrawelt zu wechseln.

Dem gegenüber steht der Charakter von William Dafoe, Nathan Dawkins. Der Forscher zieht Jodie auf und führt mit ihr die Tests zur Erforschung von Aiden und der Infrawelt durch. Seine Charakterentwicklung hat mich extrem genervt. Seine, und vor allem die Storywendungen gegen Ende hin, wirken konstruiert und die Einleitung vom Finale hätte nicht klischeebehafteter sein können. Erzählerisch hatte ich an diesem Punkt meine größten Probleme mit Beyond. Einige Abschnitte sind nur dazu da, zum nächsten Ereignis überzuleiten und sind daher schlecht geschrieben. Es ist anscheinend schwer, einen Film zu schreiben, der auf die Länge eines Spiels ausgedehnt werden muss. Zu Nathan Dawkins gesellt sich noch der CIA-Agent und Möchtegernliebhaber Ryan, mit dem ich einfach nicht sympathisieren konnte. Und nach dem Finale folgt ein kurzer Ausblick, bei dem ich immer noch nicht weiß, ob er ernst gemeint war. Beyond will manchmal mehr sein, als es ist. Es hätte dem Spiel vielleicht gut getan, wenn man den Fuß vom Gas genommen und eine kleinere, komplexere Geschichte – ähnlich wie die von Heavy Rain – erzählt hätte.

Ludologie

Spielerisch gibt es vor allem ein gutes Element: Den Kampf. Fliegen die Fäuste auf Jodie ein, verlangsamt sich die Zeit. Nun gilt es mit dem rechten Analogstick Jodies Bewegungen zu folgen. Greift sie an, drückt man in Schlagrichtung, verteidigt sie sich oder weicht aus, drückt man entsprechend ihrer Körperbewegung. Es entsteht eine gewisse Dynamik und die Auseinandersetzung bleibt durchgehend spannend. Gewohnt gut sind die Dialoge, in denen wir verschiedene Antwortmöglichkeiten haben. Das Geschehen wird dadurch beeinflusst und wir formen Jodie etwas mehr zu dem Charakter, den wir persönlich spielen. Auf Knopfdruck kann man meistens zu Aiden wechseln und die Szene aus der Sicht des Geistes beeinflussen. Wer immer mal den Poltergeist spielen wollte, bekommt genug Gelegenheit dazu. Hat man erst einmal alle Steuerungsschemata verinnerlicht, kommt man schnell in einen Fluss und man merkt gar nicht mehr, wie schnell die Zeit vergeht.

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Leider überwiegen die negativen Eigenschaften bei der Ludologie. Auch hier will Beyond mehr sein, als es ist. Heavy Rain war ein Dialog- und Erkundungsspiel. Beyond will das und zusätzlich noch Schleich- und Shooter-Mechaniken bieten. Die Engine ist aber einfach nicht dafür gemacht, Jodie wie Snake oder Sam Fisher zu steuern. Ist man Spiele wie Metal Gear Solid gewohnt, fühlt man sich in diesen Abschnitten extrem limitiert. Wieso kann ich mit Aiden nicht selbst entscheiden, wie ich mit den Gegnern umgehe? Stattdessen ist genau vorgegeben, ob ich ihn erdrosseln, übernehmen oder in Ruhe lassen muss. Ich habe nichts gegen ein linear gehaltenes Gameplay, aber an den Punkten an denen Entscheidungsfreiheit möglich wäre, hätte ich sie mir auch gewünscht. Auch Aidens Einlagen sind nicht immer ganz so gut gestaltet. Durch manche Wände kann man durchfliegen, durch andere wiederum nicht. Man muss genau das machen, was sich David Cage gedacht hat, um durchzukommen, ohne irgendwo dagegen zu stoßen. Oh Entschuldigung, „dagegenstoßen“ ist der falsche Begriff, denn nicht einmal das ist möglich. In den Fahrsequenzen wird man in einem Art Schlauch festgehalten, damit man ja nicht von der Strecke abkommt. Ich hätte mir als Spieler schon ein bisschen mehr Vertrauen gewünscht. Es ist das Gegenteil eines Systems, das Spiele wie Super Meat Boy auszeichnet. Beyond ist kein kohärentes System, in dem die Mechaniken ineinander greifen und zusammen mit der Spielwelt einhergehen. Stattdessen gleicht Beyond einem Filmset: Schaut man durch die Kamera, ergibt sich ein wunderschönes Bild. Führt man genau die Aktionen aus, die sich der Regisseur gedacht hat, folgt die Kamera und das wunderschöne Bild wird aufrecht erhalten. Dreht man dagegen den Kopf, hört der Greenscreen plötzlich auf und man sieht, dass man umgeben ist von einem Set mitsamt Crew und Technik. In diesem Moment ist die Illusion kaputt und die Emotionen – sind sie auch noch so gut – werden nicht mehr übertragen. Beyond hat leider zu viele solcher Stellen, um ein Meisterwerk zu sein.

Beyond zwei Meinungen

Ich war selten so hin- und hergerissen bei einem Spiel wie bei Beyond. Noch Tage nach dem Durchspielen weiß ich nicht, ob es jetzt die spielerische Zukunft, oder ein peinlicher, missglückter Versuch ist. Doch was ich sagen kann ist: Ich hatte Spaß. Ich habe mit Jodie mitgefiebert. Und ich wollte wissen, wie die Story endet. Und da ist es doch egal, ob Beyond jetzt mehr Film oder mehr Spiel ist. Es erzählt seine Geschichte. Und die erzählt es meist gut. Die spielerischen Einlagen wirken zwar manchmal überflüssig, halten die meiste Zeit aber trotzdem bei Laune. Zehn Stunden zugesehen hätte ich nicht, aber zehn Stunden das Gefühl zu haben, ich könnte was bewirken, hat mir die meiste Zeit gereicht. Doch der Blockbuster und die Hoffnung auf eine Gameplay-Revolution wie Heavy Rain ist es nicht. Und wenn das schon alles war, was David Cage aus seiner Mechanik machen kann, dann bin ich enttäuscht.

Somit gebe ich Beyond: Two Souls 11/10 Filmkuchen aber nur 3/8 Spieltorten.
Denn Torten sind mir wichtiger als Kuchen, aber beides schmeckt mir prinzipiell gut.

Aber am liebsten mag ich sowieso Muffins.