Klein, österreichisch, stark.
Romans Leben ist bestimmt durch den Tod. Wegen Totschlag sitzt er in der Jugendstrafanstalt, als Bewährungsauflage wählt er einen Job bei einem Bestattungsunternehmen und das titelgebende Moment ist sein Trauma des Erstickens. Klingt tragisch, ist es Dank der zurückgenommenen Inszenierung und dem wunderbar trockenen österreichischen Humor (der dem englischen näher scheint als dem deutschen) aber überhaupt nicht. Denn Karl Markovics‚ Atmen macht all das richtig, was so viele pseudo-sozialrealistischen Dramen aus Deutschland falsch machen. Durch seine behutsame Stilisierung transzendiert der Film seine sorgfältig recherchierte Thematik und liefert seine Charaktere nicht den durch fake-dokumentarische Bilder provozierten, mitleidig-voyeuristischen Blicken der Zuschauer aus. Atmen will nicht glauben machen, dass man wirklich in ein fremdes Milieu eintauchen kann. Denn es gibt kein „wirklich“, nur den Film. Er zeigt und lässt beobachten, erzwingt jedoch keine perverse Partizipation.
Die Figuren kommen dem in ihrer Konzeption entgegen. Roman versucht seine Probleme entweder mit Schweigen oder mit (unterlassenem) Handeln anzugehen. Reden tut er nur aus erzwungener Notwendikeit. Ihm gegenüber steht Rudolf, sein Ausbilder und distanzierter Skeptiker. Er wird für Roman zur zentralen Konfliktfigur, aber auch zum Schlüssel des Aufbrechen seiner Blockaden. Glücklicherweise ist Atmen kein Film, der daraus emotionales Kapital schlägt, sondern der peinlichen und erzwungen Szenen gekonnt aus dem Weg geht. Die Figuren erfahren keine schlagartige Katharsis, werden nicht in konstruierte Veränderungen gezwungen, sondern erkennen schlicht das deutlicher, was sie eigentlich schon sind.
Atmen traut sich auch mit Andeutungen zu arbeiten. Lässt durch bestimmte Szenen bestimmte Handlungstränge antizipieren, diese dann aber weiter unberührt ins Leere laufen und bricht somit mit der typischen kausalen ABC Dramaturgie. Das macht diesen Film trotz bzw. gerade wegen dieser ausgewiesenen Filmlichkeit wirklicher als so machnen krampfhaft authentisch inszenierten Sozialrealismus-Schmachtstreifen. Die Wirklichkeit (wenn man so etwas denn überhaupt definieren kann) zeichnet sich doch hauptsächlich durch ihre Brüchigkeit aus, wo eben auf A nicht zwangsläufig B folgt, wo nicht jedes Ereignis eine sichtbare Konsequenz hat. Atmen vermittelt das oft in kühlen, symmetrisch komponierten Bildern und hebt die filmische Wirklichkeit dadurch noch weiter als Paradoxon hervor, gibt ihr damit aber erst Glaubwürdigkeit.
Auch wenn das jetzt so scheinen mag: Atmen ist kein radikal selbstreferentielles Post-Drama. Es ist eher ein sensibles und klares Drama, das den Zuschauer und seine Figuren respektiert und beiden Parteien die Tragik nie wirklich ins ungeschützte Gesicht klatscht. Wenn das Wort nicht schon so unsäglich oft vergewaltigt und prostituiert geworden wäre, dann würde ich sagen: Es ist ein ehrlicher Film.
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