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Nachdem bereits im Sommer vergangenen Jahres durch den versehentlichen Post eines Studios nahe London die Gerüchteküche ordentlich zu brennen begann (wortwörtlich, weil dabei ein Selfie der gesamten Band mit einem Koch aus der Umgebung entstand), wurde das Internet ein Jahr lang immer wieder mit angeblichen Leaks zu Release-Datum, Genre oder sonstigen Details zu AM7, dem siebten Studioalbum der Arctic Monkeys, geflutet. Als Enjoyer der Band in ungesundem Ausmaß (Top 0,005% auf Spotify 2021, das muss ich kurz raushängen lassen) war ich natürlich vollkommen auf den Hypetrain aufgesprungen und jeden Tag auf Subreddits wie r/AMcirclejerk unterwegs, wo sich regelmäßig Fans die Köpfe einschlagen, wer jetzt mit seinen Vorhersagen rund um das neue Album vielleicht Recht hat. Im Nachhinein lagen aber dann doch alle natürlich vom ersten Moment an richtig, als es dann vor knapp drei Monaten auf dem Zürich Open Air zum ersten Mal einen neuen Monkeys-Song zu Hören gab – und meine Reaktion war schon eher gemischt. Aber erstmal warten auf den Release von The Car, die Studioversion wird bestimmt besser. Die folgte dann zwei Monate später. Ich war schon am Tag vorher unterwegs, um mir die Vinylplatte abzuholen, damit ich als Elitist das Album vor allen anderen hören kann. Geklappt hat das nicht, also hatte ich mein erstes Mal mit The Car in der Regio irgendwo zwischen Nürnberg und Bayreuth (natürlich dennoch Punkt 1 Uhr zum Release). So romantisch, wie es sich anhört, war es auch.

Manchmal würde ich mir wünschen, Single-Releases wären keine so ne Sache. Dann wäre meine erste Reaktion auf den ersten Song There’d Better Be A Mirrorball wohl anders ausgefallen, als ich das Album in seiner Vollständigkeit gehört habe.

Don’t get emotional, that ain’t like you”. Ok, Alex. Interessanter Opener, vor allem, nachdem das letzte Album mit dem genauen Gegenteil endete. The Ultracheese, der Closing-Track von Tranquility Base Hotel and Casino, ist ein Dialog zwischen Sänger Alex Turner und seinem Piano und wohl einer seiner persönlichsten Songs. Mit viel trauriger Nostalgie und Reue über das Ende alter Freundschaften bringt mich Alex bei jedem Hören zum Heulen; der Appell als Start ins neue Album kam dementsprechend unerwartet. Vielleicht soll es auch eine kleiner Reminder an ihn selbst, dass er nicht mehr so einen Einblick in seine Gedanken geben soll, wie er es doch öfter auf TBHC getan hat. Aber egal, das weiß nur er selbst. Ich will hier auch gar nicht weiter über den Text philosophieren, dazu kann man auch auf Genius oder sonstwelche Foren gehen. Für mich ist Mirrorball wie eine weiche Decke, die mich zum Start des Albums umhüllt; der perfekte Einstieg in eine neue Monkeys-Era: Der Anfang mit allen Instrumenten, die man auf dem Album so vorfindet, das unerwartete Ende des Intros mit den Pausen, emotionale und etwas kryptische Lyrics und ein abschließender Chorus, der zu Tränen rührt. Der ganze Song ist für mich ein konstantes Lächeln und entspanntes Atmen mit kurzem Stocken und Luftanhalten dazwischen. Mirrorball geht genau so weiter, wie TBHC geendet ist und funktioniert dementsprechend gut, wenn man beide Alben direkt hintereinander hört. 

Mit I Ain’t Quite Where I Think I Am stoppen dann meine Tränen, die mir eben noch gekommen sind. Es fühlt sich ein bisschen wie ein Filler-Track an und beschreibt mit dem Titel ein bisschen meine Gefühle zum Album. Irgendwie scheinen mir manche Songs unfertig und gescheitert an zu hohen Erwartungen; vielleicht auch an der Selbsteinschätzung der Monkeys. Der Track bleibt wenig im Kopf und wenn, dann nur durch die bisschen goofy wirkende Wah-Gitarre und das „Eyes roll back“. I Ain’t war der erste Song vom neuen Album, der live gespielt wurde und schon als ich die Aufnahme davon auf YouTube gesehen hab, dachte ich mir so „Ja, ist halt ein Song“. Abgehakt, kein zweites Mal angehört, keine weiteren Erinnerungen behalten.

Ganz im Gegensatz zu Sculptures Of Anything Goes: Wow. So in die Fresse ging noch kein Monkeys Song. Ich saß beim ersten Hören wirklich vier Minuten mit offenem Mund da und habs nicht gepackt. Gänsehaut bis auf die Knochen. Ich weiß nicht, ob ich mich nach diesen vier Minuten komplett erfüllt oder (im besten Sinne) absolut verlassen fühlen soll. 

Jet Skis On The Moat will mir dabei helfen und nimmt mich an die Hand mit seiner seltsamen Melancholie. Ein bisschen Badewanne und Wein, ein bisschen weinend am Kamin; Jet Skis ist zwar nicht hörbar in den meisten Lebenssituationen, schafft es aber, mich in die wenigen passenden hineinzuversetzen. Die Wah-Gitarre ist auch wieder da, ich kann mich immer noch nicht ganz mit ihr anfreunden, aber sie bringt wenigstens einen netten Kontrast zum wohl besten Chorus auf dem Album.

Zeit für die zweite Single, Body Paint. Nicht mehr ganz so Badewanne und Wein, aber schon noch gut traurig. Jetzt vibe ich aber mit  der Traurigkeit, besonders im letzten Drittel durch das erste Solo auf diesem Album. Ansonsten bleibt vieles recht gleich, groß überrascht bin ich nicht mehr. Jetzt ist es schon etabliert, dass die Songs ungewöhnliche Chord-Progressions oder Strukturen haben. Deswegen ist Body Paint aber trotzdem der Track auf dem Album, der auf einem Konzert zusammen mit den alten Indie-Rock-Songs am besten funktionieren kann.

Der Title-Track The Car wirft die gerade aufgebauten Erwartungen aber schon wieder über den Haufen und kommt übertrieben dramatisch um die Ecke, als würde man sich hiermit für den neuen Bond-Soundtrack bewerben wollen. Funktioniert aber nicht wirklich; mir kommt The Car mehr vor wie irgendeine Band, die Alex Turner für den Gesang dazugeholt hat. Damit will ich nicht sagen, dass die Monkeys nicht mal was Neues ausprobieren sollten, nur hätte der Song vielleicht eher auf eine B-Side gepasst. Der Song wirft mich komplett aus dem Album raus und befördert mich aus der Badewanne direkt raus in einen Spaghettiwestern. 

Bei Big Ideas muss ich doch nochmal kurz mit den Lyrics anfangen: Seit wann ist Alex Turner denn so schmerzhaft reflektiert unterwegs? So viel zu „nicht mehr so viel aus dem eigenen Kopf preisgeben“. Big Ideas scheint mir wie ein letzter viel zu offensichtlicher Hilferuf eines alternden Rockstars, der jung bleiben und Stadien füllen will, am liebsten aber weiter in seinem Zimmer Filmsoundtracks schreiben würde. Als würde er genau wissen, dass man als Hörer*in vom letzten Song verwirrt war, denn ab diesem Punkt geht es auch wieder weiter im cinematischen Bond-Getue.

So wenig ich mich an die letzten zwei Songs zurückerinnere, so sehr würde ich mir das bei Hello You wünschen. Aber nein, Hello You ist ein Skip. Mein Gott ist diese Melodie, die die Streicher gefühlt alle zwei Sekunden von sich geben, nervtötend. Thema hin oder her, das hat sich echt in mein Hirn eingebrannt und ich will es nicht mehr hören.

Mr Schwartz ist immer noch Kino pur, aber diesmal angenehm verpackt und nach drei Songs zum Vergessen wieder gut für meine Seele. Viel zu sagen hab ich aber trotzdem nicht darüber; ich mag den Track. 

Beim ersten Hören dachte ich, vielleicht könnte man den Closer, Perfect Sense, mit Mr Schwartz tauschen, aber nein. Das passt schon so. Mir gefällt Perfect Sense auch mittlerweile viel mehr als anfänglich, was auch daran liegt, dass man endlich mental aus dem Kino raus ist. Perfect Sense ist wieder down to earth, nicht mehr so abgehoben und es fühlt sich wie ein gelungener Abschluss zu diesem holprigen Album an, was sich auch textlich stark bemerkbar macht (ja ich weiß, ich wollte nicht mehr drüber reden). Als musste die Band jetzt eben diese drei Filmsoundtracks raushauen, um inneren Frieden mit sich schließen zu können.

Im Endeffekt ist The Car zum Teil schon das geworden, was ich mir vorgestellt hab. Aber irgendwie auch nicht. Meine (viel zu hohen) Erwartungen wurden nicht erfüllt, dann wiederum hab ich nicht mit einem Filmsoundtrack gerechnet. War jetzt nicht lebensverändernd, aber unterm Schlussstrich auch kein schlechtes Album. Das gleiche dachte ich mir aber auch beim ersten Hören von TBHC, welches sich aber mittlerweile mit seiner riesigen Portion Extravaganz und den catchy Instrumentals in die tiefsten Ecken meines Herzens gespielt hat. Also wer weiß, vielleicht werde ich irgendwann in der Zukunft ganz anders auf The Car blicken.