Mit Pokémon Schwert und Pokémon Schild wurde letzten November die 8. Generation der Taschenmonster eingeläutet, genauso wie der Umzug der Hauptreihe auf die Nintendo Switch.

Bereits im Vorfeld des Releases wurden neue Spielmechaniken angekündigt, die wahrscheinlich jeden Pokémon-Veteranen misstrauisch aufhorchen ließen. Eine Welt mit nur 350 von insgesamt 896 bekannten Pokémon? Erfahrungspunkte nach dem Kampf werden standardmäßig auf das komplette Team aufgeteilt? Zugriff auf die PC-Boxen überall und jederzeit? Innerhalb des Kampfes wird angezeigt welche Attacken auf den Gegner besonders effektiv wirken? Hochhausgroße Pokémon dank einer neuen Funktion namens Dynamaxing? Zumindest bei mir schrillten alle Alarmglocken. Deswegen verzichtete ich zum Releasezeitpunkt dankend auf einen Kauf und legte den Wunsch wieder als Pokémontrainer durchzustarten erst mal zur Seite. Doch dann kam Corona und bei der Vorstellung einer zweiwöchigen Quarantäne, erschien mir das Herumwandern in einer neuen Pokémonwelt auf einmal sehr verlockend. Also kaufte ich mir schließlich Pokémon Schwert und legte sofort los.

Der Beginn des Spiels ist leider sehr langatmig und es dauert ein paar Stunden bis man das erste Mal wirklich in freier Wildbahn, aka der Naturzone, steht. Bis dahin besteht die Handlung hauptsächlich aus Dialogen zwischen den Charakteren, was direkt einen meiner Kritikpunkte offenbarte: In Pokémon Schwert und Pokémon Schild wird selbst in Cutscenes nach wie vor über Textboxen kommuniziert und die Charaktere bleiben das gesamte Spiel über stumm. Vielleicht kann man dem einen gewissen Retro-Charme abgewinnen, im Vergleich zu anderen Nintendo Switch Spielen wie Breath of Wild ist es dann eventuell doch eher ein Armutszeugnis.

Gleich am Anfang des Spiels deutet sich außerdem an, was nach den angekündigten Spielneuerungen zu befürchten war: Dem Spieler wird es so einfach wie möglich gemacht. So wird zwar beispielsweise wie in bisher jedem Spiel der Hauptreihe ein persönlicher Rivalen gestellt, dieser sucht sich aber nicht wie seit jeher gehabt das mir überlegene Starter-Pokémon aus, sondern genau das Gegenteil davon. So suchte sich mein Rivale Hop das Feuerpokémon Hopplo aus, nachdem ich das Wasserpokémon Memmeon gewählt hatte.

Zu Beginn überwog für mich also aus den genannten Gründen die Skepsis. Doch nach der Ankunft in Engine City und der erfolgreichen Absolvierung der offiziellen Eröffnungszeremonie für alle Arena-Challenger, wandelte sich meine Stimmung. Ab diesem Zeitpunkt geht das Spiel bekannte Wege, denn Ziel ist es, den amtierenden Poké-Champ Delion zu schlagen. Dazu müssen die Gebiete zwischen den verschiedenen Städten zu Fuß oder mit dem Fahrrad durchquert werden, um die eigenen Pokémon zu trainieren und die jeweiligen Arenaleiter zu besiegen.

Spätestens mit dem Fangen der ersten Pokémon wurde mir schließlich klar, dass einige Neuerungen der Spielmechanik dem Spiel tatsächlich gut getan haben. Durch den automatisierten EP-Teiler stellt es kein Problem dar, auch schwächere Pokémon zu fangen und aufzuleveln. Die neue Grundfunktion macht es leicht, unbekannte Pokémon zu fangen und einfach mitzutrainieren. Die eigene Probierfreudigkeit wird so enorm gesteigert. Unterstützt wird dieser Effekt durch den von überall möglichen Zugriff auf die PC-Boxen. Während ich in den früheren Editionen stets zur Fraktion derjenigen Trainer gehörte, die sechs Pokémon im Team hatten und bestenfalls noch eine Handvoll Ersatzpokémon im PC beherbergten, so habe ich jetzt ein bunte Sammlung an Pokémon aller Art im Schlepptau. Je nach Lust und Laune kann das Team munter ausgetauscht werden, was die Abwechslung und die Motivation, einfach alle Pokémon zu fangen, stark erhöht. Genau das birgt für mich auch den größten Spaßfaktor der neuen Edition: Während ich mich  in den früheren Editionen meist auf bekannte und bewährte Pokémon konzentriert habe, liegt mein Augenmerk jetzt durch das erleichterte Leveln und Teammanagement viel mehr auf den neuen Pokémon die mir begegnen. Bei jedem einzelnen will ich wissen wie stark es ist, welche Fähigkeiten es mitbringt und wie seine Entwicklung aussieht. Einziger Wermutstropfen dieser Mechaniken ist, dass auch sie sich in die Liste der Neuerungen einreihen, die das Spiel extrem vereinfachen – ohne dass an anderer Stelle nennenswerte neue Herausforderungen  dazukommen. Das führt dazu, dass ich meine verlorenen Kämpfe an einer Hand abzählen kann und der Spannungsbogen das gesamte Spiel über relativ flach bleibt. 

Neu sind natürlich außerdem die Pokémon der 8. Generation. Die meisten davon sind mir durch die Kreativität ihrer Macher positiv aufgefallen. So gehört beispielsweise Wagong definitiv zu meinen neuen Lieblingspokémon. Und dass man anstatt 896 nur 350 Pokémon fangen kann, tut dem Spielspaß keinen Abbruch. Selbst bei  nur 350 Pokémon gibt es genug Neues zu entdecken und gleichzeitig altbekannte Gesichter wiederzuerkennen.

Auch die Tatsache, dass während des Kampfes angezeigt wird, welche Attacken effektiv sind und welche nicht, stört den Spielspaß nicht. Als Pokémon-Veteran weiß man in den meisten Fällen sowieso was zu tun ist, und in den seltenen Fällen in denen man es nicht weiß, blinzelt man dann doch ganz gerne mal auf die entsprechende Anzeige.

Negativ ins Gewicht fällt jedoch die neue Funktion des Dynamaxing. Aus der Möglichkeit, Pokémon in stärkere XXL-Varianten ihrer selbst zu verwandeln wird leider nichts herausgeholt. Die Funktion begegnet einem überwiegend innerhalb von Arenakämpfen und hier ist sie leider sehr vorhersehbar: Der Arenaleiter dynamaxt stets sein letztes Pokémon. Das einzig Sinnvolle als Spieler ist es das Dynamaxing auch zu diesem Zeitpunkt einzusetzen, da das pro Kampf nur einmal möglich ist. Von taktischem Kalkül also leider keine Spur, was das Dynamaxing zu einem unnötigen und langweiligen Feature verkommen lässt. Auch das neue Spielelement des Pokécamps bleibt weit hinter seinem Potential zurück. Die Idee, in freier Wildbahn gemeinsam mit seinen Pokémon das Campingzelt aufzuschlagen, um Statuswerte zu regenerieren und mit ihnen zu spielen, klingt ja eigentlich nach einem lustigen Zeitvertreib. Die Interaktionsmöglichkeiten beschränken sich jedoch auf ein mehr schlecht als recht funktionierendes „Los, hol den Ball zurück“ und das Herumwedeln mit Stock und Glöckchen vor den Augen der Pokémon. Auch hier: Gähnende Langeweile.

Die neue Reihe Pokémon Schwert und Pokémon Schild hinterlässt gemischte Gefühle. Mein größter Kritikpunkt ist der stark gesunkene Schwierigkeitsgrad. Wer auf der Suche nach einer Herausforderung ist, sollte das Spiel also ganz klar meiden. Es ist aber in meinen Augen keine schlechte Sache, dass die neuen Spielmechaniken den Fokus auf das Sammeln und Entdecken von Pokémon legen. Für die nächste Generation würde ich mir deswegen wünschen, dass GAME FREAK eine Möglichkeit findet, die gelungenen neuen Spielmechaniken beizubehalten, aber gleichzeitig den Weg zum Poké-Champ nicht zu einem Spaziergang verkommen zu lassen.