Irgendein Priester wird lachen, wenn ich zu ihm komme, um zu beichten!“

Als dieser Schreiber gefragt wurde, ob er die Lieblingsbuchreihe abschließen will, musste er sich überlegen wovon er schreiben soll. Bei Büchern ist es tatsächlich nicht schwer. Unter all den großartigen Werken, die ich gelesen habe, stechen nur zwei besonders hervor. Zum einen Christopher Moores A dirty Job, das wegen unkontrollierbaren Lachkrämpfen schlaflose Nächte bereitet hat und dann noch das andere, düstere, ekelhafte….

Schon bald werdet ihr euch fragen: Was soll das alles? Was ist der Grund für eine Erzählung mit so viel Gewalt, soviel Entsetzlichkeit und Not? Ich kann das noch nicht erklären, nicht gleich zu Beginn. Nicht einmal die Hauptfiguren wissen zu Beginn, was sie eigentlich tun und warum. Aber sie lernen. Sie sind unter Schmerzen dabei, sinnliche und übersinnliche Erfahrungen zu sammeln. Und genau so wird es euch ebenfalls ergehen. „Lohnt sich das?“ werdet ihr fragen. Ich kann nur antworten: Nicht für jeden.
Vieles von dem was hier verhandelt wird, ist wahr, ist zumindest bezeugt worden, und was nicht direkt wahr ist, wurde in Alpträumen durchlebt. Niemand würde sich so etwas einfach nur ausdenken. Niemand, der noch nicht verloren ist.“

Tatsache ist, dass ich, noch bevor ich an dieser Stelle, die ihr gerade lest, angekommen bin Pause machen musste, und erst weiter schreiben konnte, nachdem ich die ersten drei Kapitel gelesen hatte. Es war einfach zu schwer, etwas aus der zeitlichen Distanz in Worte zu fassen, dass so anders ist. Außerdem fand ich das Buch so cool, dass ich es nochmal lesen wollte. Und zwar jetzt.

Anders ist überhaupt das richtige Wort. Als konservativ-pragmatischer Grünwähler, steht dieser Autor eigentlich nicht auf Dinge einfach nur weil sie anders, neu, cool oder innovativ sind, was auch immer jeder dieser Begriffe bedeuten mag. Er lebt eher die Prinzipien „Wenn es nicht kaputt ist, müssen wir es nicht reparieren“ und „Brauchen wir den Scheiß wirklich, oder verschwendet er nur unsere viel zu kurze Lebenszeit?“
Kunst funktioniert aber eben anders.

„Ich bin zu weit von der plausiblen, kausalen Alltagsdimension entfernt, um die Regeln des magischen Realismus nicht zu beherrschen“, sagte Hiob oben, mit einer Stimme, die im Unterland wie eine milde tektonische Bewegung klang. NuNdUuNs menschliche Modulation imitierend, fügte er ätzend hinzu: „Ihr könnt mich nich verarschen, dafür weiß ich viel zu viel, mein Blatt ist leer, doch ich kann bluffen: denn das ist Hiobs Spiel. Und muß ich wirklich euch berichten, wie ich schließlich siegen werd? Ich kann ein As im Ärmel züchten und ich falt daraus ein Schwert.“

Hiobs Spiel ist anders, weil es anders nicht sein könnte. Schon die Typographie hat keine Lust mit zu spielen und verselbstständigt sich auf jeder Seite neu. Hier ist der Rand ungeheuer dünn, da hat er viel zu viel Platz, hier wechselt die Schriftart, da ist etwas durchgestrichen, und dann ist eine Seite leer, weil die Buchstaben den Platz brauchen um abzustürzen. Das Schriftbild ist tatsächlich genau das: Ein Bild. Und zwar eines, das in jedem anderen Medium nicht funktionieren würde. Vielleicht wurde dieses herrliche Werk deshalb noch nicht verfilmt. Vielleicht auch, weil im Herbst erst Band Drei von Zwölf erscheint. Vielleicht auch, weil der Inhalt zu krass ist.

Hiob schloß die Augen und betete. Er betete zum Tarotschlüssel 16, zum Herrn der Tiefen, zu den Erfindern der Göttlichen Ausgleichenden Gerechtigkeit, zum konsequenten Untergänger Emeric Blackvale und zu den Marx-Brothers. Und er betete, daß all dies hier viel zu aberwitzig, viel zu böse, viel zu grotesk und viel zu satirisch übertrieben, um etwas anderes sein zu können als ein psychosomatischer Zwangssymbolismus seines nervenfiebernden, aufgeriebenen, selbstzerstörerisch depressiven Geistes.

Krass ist auch so ein Wort, das treffend scheint. Der Inhalt ist abartig krass. Was dargestellt wird sind Misshandlungen übelster Art, die zweifellos aus einem sehr düsteren Ort in Tobias O. Meißners Kopf kommen müssen, Seitenlange Aufzählungen, in denen sich der Protagonist über die Widerlichkeit der Welt auslässt, Sex, so verzogen, dass wir es auch heute noch als Tabubruch ansehen müssen, so zu reden. Die magisch Anziehungskraft, die dieses Buch auf seine Leser hat – ich habe dieses Buch inzwischen in einige Hände gelegt, und alle waren sie begeistert – kann ich so einfach nicht erklären. Man ist abgestoßen, wenn man noch ein Mensch ist, findet es widerlich und traut seinen Augen nicht, aber trotzdem muss man weiter lesen, denn es war doch so… so… packend.

Packend ist nämlich alles an dem Buch. Es packt dich und schüttelt dich und wirft dich um sich verschluckt dich, kaut dich durch, speit dich aus und lässt dich vergewaltigt zurück.
Wie das funktioniert kann ich euch leider auch nicht sagen. Es ist eine eigene Erfahrung.

Was hat es mit diesem Pakt eigentlich auf sich?“
„Das lohnt sich nicht dir zu erklären. Vier Jahre reichen nicht aus, um das Ganze zu erfassen.“

Ich hasse es eigentlich Infos über Geschichte zu verraten, weil jeder Satz ein Spoiler ist. Vor allem hier. Den Namen des Protagonisten erfährt man erst auf Seite dreiundzwanzig. Was er treibt, warum er eine alte krepierende Frau ausraubt, und was zur Hölle es mit der Katze auf sich hat – All das sind Dinge die man erst im Laufe der ersten Buches erfährt.

So ist die Lage: Hiob Montag, ein junger langhaariger Magier in Berlin hat NuNdUuN, den Herrscher des Wiedenfließ‘ zu einem uralten Spiel herausgefordert. Wenn Hiob eine gewisse Anzahl an Punkten erreicht, darf er NuNdUuNs Platz einnehmen. NuNdUuN ist irgendwie sowas wie der amtierende Teufel und das Wiedenfließ ist irgendwie sowas wie die Hölle. Nur das die Begriffe von Gut und Böse keine Rolle spielen, und Gott kein Teil des ganzen Systems ist. Hiob meint nur, er hätte sich erhängt, nachdem er die Erde erschaffen hat und sah, dass es nicht gut war.
Seine Punkte erhält er durch das meistern einiger Herausforderungen, die der „Teufel“ ihm stellt. Es ist wohl unnötig zu sagen, dass keiner jemals dieses Spiel gegen den Teufel gewonnen hat. Hiob in seinem jugendlichen Leichtsinn meint, er wird es schaffen. Er selber ist nebenbei bemerkt kaum sympathisch. Eigentlich ist er in seinem Vorhergehen ziemlich radikal. Er kennt Mitleid und kämpft wohl für das größere Gute, aber was zwischen ihm und seinem Sieg steht, ist ihm egal.
Aber die beiden sind nicht die einzige Hauptdarsteller. Da gibt es noch Widder, die Dämonin(?), die Hiob als Hilfe bekommen hat, seinen Vater und Lehrmeister der Magie, und natürlich die vielen Akteure, die gerne Seitenlang mit viel Hingabe vorgestellt werden, nur um dann in einer kurzen Szene von Hiob mit einem Raketenwerfer weggeblasen zu werden.

Ich will kein Fazit ziehen und euch erklären, wem dieses Buch gefallen könnte, wie ich es persönlich finde, und was der Weihnachtsmann damit zu tun hat. Ich will euch einfach nur nahe legen die – HEILIGE SCHEISSE, SIEBZIG EURO, die der erste Band inzwischen gebraucht auf Amazon kostet, AUF KEINEN FALL zu bezahlen. Kein Buch ist so viel Knete wert! Geht lieber und kauft was anständiges. Dafür könnt ihr euch die komplette Friends Superbox kaufen und habt dann noch genug Geld übrig, um euch im Plektrum ordentlich die Kante zu geben.
Ja, macht lieber das, als irgendwelche Bücher zu lesen.
Ist sowieso ein blödes Medium. Leuchtet nicht mal im Dunkeln und es per ICQ zu verschicken, ist ein irrer Schmerz im Arsch.

Tobias O. Meißner ist übrigens einer der vielversprechendsten und kreativsten Nachwuchsautoren Deutschlands. Bisher hat er mindestens achtzehn Romane, eine Comicreihe und wasweißichwas noch veröffentlicht. Ein beliebiges Werk aus seinem Oeuvre ist sicherlich eine ebenso spezielle Leseerfahrung wie Hiobs Spiel.