„Es“ war nach „Carry“ das 2. Buch von Stephen King, das ich gelesen habe. Ich war also schon etwas mit dem Grusel-Faktor seiner Bücher vertraut, aber „es“ spielte nochmal in einer ganz anderen Liga mit Spannung, komplexen Handlungsträngen und einer guten Portion schwarzem Humor.
Wenn man sich erst einmal dazu überwunden hat den 1000-Seiten Wälzer aufzuschlagen, taucht man in eine Welt ein, die gleichzeitig extrem fantastisch und realistisch ist.
Die Handlung verläuft auf zwei Zeitebenen, die im Buch parallel beschrieben werden; hier möchte ich den Inhalt aber zum besseren Verständnis in zeitlich chronologischer Reihenfolge darstellen.
Die Geschichte von „es“ spielt in der erfundenen Kleinstadt Derry irgendwo in Maine. Für den etwas geübteren Stephen King-Leser ist das sicher nicht verwunderlich, denn fast alle seine Bücher spielen in irgendeiner Kleinstadt in Maine (vorallem deshalb, weil der Autor selbst in einer solchen aufgewachsen ist…). In dieser Stadt erhebt sich in einem Rhythmus von 27 Jahren ein namenloses Grauen, das irgendwo in der Kanalisation von Derry haust, dann eine Reihe von Kindern ermordet und sie in sein „Nest“ verschleppt, um sie aufzufuttern. Wie genau „es“ aussieht, weiß niemand. Meist erscheint es in der Gestalt des Clowns Pennywise, ansonsten nimmt es gern die Gestalt dessen an, wovor sich sein Opfer am meisten fürchtet; also etwa die eines Werwolfs oder riesigen Raubvogels. (Fraglich ist, ob Joanne K. Rowling sich hier die Inspiration für den Irrwicht in ihrem 3. Harry-Potter-Teil geholt hat; das war zumindest meine erste Assoziation.)
In Derry selbst findet sich zu dem Zeitpunkt als „es“ sich mal wieder erhebt (Ende der 50er Jahre), eine Gruppe von 7 Kindern (den Protagonisten) zusammen, die alle eine Begegnung mit „es“ hatten, ihm jedoch entkommen sind. Ihre Namen sind Bill Denbrough, Mike Hanlon, Ben Hanscom, Beverly Marsh, Stan Uris, Richie Tozier und Eddie Kaspbrak. Bei so vielen Hauptpersonen ist es zunächst etwas schwer den Überblick zu bewahren, erleichtert wird das aber dadurch, dass jedes dieser Kinder ein mehr oder weniger schlimmes „Handicap“ hat: Bill stottert, Ben ist übergewichtig, Beverly ist arm und wird von ihrem Vater geschlagen, Richie ist vorlaut und Brillenträger Eddie klein und kränklich. Stan und Mike hingegen haben als Jude beziehungsweise Schwarzer mit ihrer Rolle in der Gesellschaft zu kämpfen.
Diese Kinder, die alle auf unterschiedliche Weise von dem Schulhof-Schlägertyp Henry Bowers drangsaliert werden, treffen beim Bau eines Staudamms zusammen und erkennen, dass sie mit all ihren Fehlern im Kollektiv eine Art „Einheit“ bilden. So gründen sie den „Club der Verlierer“ und beschließen, auf die Suche nach „es“ zu gehen, um es zu vernichten. Bill, der zum Anführer der Gruppe wird, will nebenbei noch seinen kleinen Bruder Georgie rächen, der das erste Opfer von „es“ wurde. Nun beginnt eine Abenteuer-Grusel-Geschichte, bei der die Kinder mehrere Male gegen „es“ aber auch gegen den Schläger Henry Bowers (der auch von „es“ manipuliert wird) kämpfen müssen. Zuletzt steht der „Club der Verlierer“ in der Kanalisation unter Derry dem vermeintlich letzten Kampf mit es gegen über, in dem die Kinder zum Sieg über „es“ ihre eigenen Schwächen überwinden müssen (Bill, der Anführer, also z.B. sein Stottern). „es“ wird aber im Kampf nur verletzt, nicht getötet, was die Kinder nicht mit bestimmtheit wissen – sie hoffen, dass es ihnen gelungen ist, „es“ zu töten. Denn noch schwören sie, zurück zu kommen und den Kampf erneut aufzunehmen, sollte „es“ sich erholen, und wiedererkehren.
Damit komme ich zum 2. Zeitstrang der Geschichte. Dieser spielt 27 Jahre später in den 80er Jahren, als „es“ sich wieder erhebt, dieses Mal mit dem Ziel, Rache an dem „Club“ zu nehmen. Dessen Mitglieder haben sich inzwischen auf der ganzen Welt verstreut und sind in unterschiedlichen Berufsbranchen sehr erfolgreich. Die meisten haben ihr früheres Handicap überwunden (Bill stottert nicht mehr, Ben ist nicht mehr übergewichtig usw.) und sie alle haben ihre Begegnung mit „es“ vergessen.
Nur Mike, der als einziger in Derry geblieben ist, hat das nicht geschafft; als „es“ wieder zu morden beginnt, trommelt er die alte Truppe zusammen. Stan folgt dem Ruf als einziger nicht; er hat offenbar noch lebhaftere Erinnerungen an damals und schlitzt sich die Pulsadern auf, um nicht nach Derry zurück zu müssen.
Nun als Erwachsene müssen sich die verbliebenen sechs Mitglieder des „Clubs der Verlierer“ erneut dem Kampf gegen die Schrecken ihrer Kindheit stellen. Auch Henry Bowers ist wieder da und trachtet ihnen nach dem Leben. Sie selbst müssen wieder innerlich zu den Kindern von damals werden, um „es“ besiegen zu können. Mit jedem Schritt werden ihre Erinnerungen an damals lebendiger, was unterhalb der Kanalisation auf sie wartet, fällt ihnen aber erst wieder ein, als sie ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen.
Dieses „was“ will ich hier nicht verraten, weil jeder diese Stelle selbst lesen sollte. Sie ist aber auch für mich nicht der Grund, warum ich Stephen Kings „es“ zu meinem Lieblingsbuch gewählt habe, dafür gibt es andere Gründe.
„Der Schrecken, der weitere 28 Jahre kein Ende nehmen sollte – wenn er überhaupt je ein Ende nahm – begann, soviel ich weiß und sagen kann, mit einem Boot aus Zeitungspapier, das einen vom Regen überfluteten Rinnstein entlangtrieb.“ Stephen King, „es“, S.10.
Einmal finde ich, dass „es“ den besten Anfang hat, den man sich für ein Buch ausdenken kann, was genau daran so genial ist, finde ich jedoch sehr schwer zu beschreiben. „Es“ beginnt mit dem Mord an Georgie, Bills jüngerem Bruder. Dieser ist an einem regnerischen Tag draußen in den Straßen von Derry unterwegs und lässt ein kleines Papierboot auf dem Wasserstrom im Rinnstein fahren. Er läuft in seinem gelben Regenmäntelchen und seinen roten Gummistiefeln dem Boot nach, bis es in einem Gulli verschwindet – und in diesem Gulli lauert „es“ in Gestalt der Clowns Pennywise. „Es“ gibt vor, Georgie sein Papierboot zurück geben zu wollen, doch als Georgie seinen Arm danach in den Gulli steckt… war’s das sowohl mit dem Arm als auch mit Georgie.
Mich hat dieser Anfang wegen des Kontrasts zwischen kindlichem Spiel und schrecklicher Grausamkeit sehr beeindruckt; wenn ich heute an „es“ denke fällt mir als erstes immer dieser kleine Junge in seinem gelben Mäntelchen ein, der nichts böses ahnend seinem Boot hinterher auf den besagten Gulli zuläuft. Im Prinzip funktioniert dieses Bild auch stellvertretend für die gesamte Stimmung des Buches: der Staudamm-Bau, die Clubgründung und das gemeinsame Rüsten der Kinder gegen „es“, stehen der Grausamkeit dieses Monsters gegenüber, dem absoluten Bösen, und schaffen eine Grundspannung, die mich sehr in Atem gehalten hat.
Das Unwissen, was sich denn nun hinter der letzten Tür verbirgt, was „es“ denn nun wirklich ist, fungiert als der Motor des Buches und hier macht Stephen King seine Sache wirklich sehr gut, in dem er den Leser ca. 800 Seiten lang selbst die schrecklichsten Formen von „es“ erdenken lässt.
Auf der anderen Seite habe ich in diesem Buch aber auch den Humor der Autors zu schätzen gelernt, der besonders durch das Gruppenmitglied Richie Tozier zum Ausdruck kommt. Oben habe ich geschrieben, dass dieser Junge „vorlaut“ ist, was grundsätzlich bedeutet, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt, in den unmöglichsten Situationen noch mit einem witzigen Spruch aufwarten kann, und auch über seine Feinde – selbst über „es“ – noch lockere Sprüche reißen kann. Aber auch die anderen Charaktere und der Erzähler der Geschichte selbst, legen oft eine schöne Menge schwarzen Humor an den Tag, welcher die Schrecken des Buches ironisch kommentiert.
Zum Schluss kann das Buch auch mit einer gehörigen Portion Schicksal aufwarten, die vielleicht nicht jedem zusagt, mir aber in diesem Buch sehr gefallen, weil dadurch der Kampf gegen „es“ zu einem Kampf gegen das Böse selbst in der Welt wird. „es“ kann, wenn überhaupt, nur von diesen 7 Kindern besiegt werden, sonst wird es sich auch in Zukunft immer wieder erheben und schreckliche Morde begehen. Diese Kinder, die zwar für sich allein schwach und unscheinbar sind, bilden zusammen aber eine so starke Allianz, dass sie selbst das personifizierte Böse besiegen können. Ein bisschen Gänsehaut-Feeling muss eben auch dabei sein…
Ich bin durch dieses Buch zum Stephen King-Fan geworden und kann es nur weiterempfehlen. Wer sich selbst einmal an den Werken dieses Autors versuchen will, findet den King of Horror bei „es“ in Bestform vor!
mein lieblingsbuch ist der anschlag:
http://www.robinbook.ch/rb/product/buch/romane/spannung/der-anschlag/1/2542306
werde „ES“ aber noch lesen.