Quelle: Old Spice Facebook

Ironie: Etwas sagen, etwas anderes damit meinen und das Gemeinte dabei noch deutlich werden lassen. Ironie: Oft genutzt, um versteckt Kritik zu äußern, häufig gewürzt mit einer leicht spöttischen Note des Sarkasmus. Ironie: eines der wohl populärsten rhethorischen Mittel, geliebt, häufig genutzt und – gehasst.

Das Rundschild gegen Kritik

Ja, Ironie ist immer noch das beliebte rhethorische Mittel, dessen Existenz von vielen Journalisten und Glossenschreibern gepriesen wird, dessen Benutzung in meinungsäußernden Texten von Lehrern unzählig oft gepredigt wird. Und doch führt die stetig steigende Beliebtheit ins Übel, das da Überbenutzung heißt. Die Zweideutigkeit, die die Ironie eigentlich ausmacht, ist als Schlupfloch entdeckt worden, um sich mit einer Aussage nicht festlegen zu müssen. Es ist eben viel bequemer, den Gesprächspartner im Unklaren zu lassen, als klar Stellung zu beziehen und dafür eventuell kritisiert zu werden. Mehr noch, die Ironie ist das Aushängeschild für defensives Verhalten schlechthin geworden: Wer sich über sich selbst witzig macht, ist unangreifbar. So belächelt man sich heute lieber selbst ironisch, bevor das ein anderer tun kann – das erspart Demütigungen.

„Irony is the most self-defensive mode, as it allows a person to dodge responsibility for his or her choices, aesthetic and otherwise.“

(Christy Wampole, New York Times)

Massenphänomen Ironie: Die Medien

Wie alltäglich die Ironie geworden ist, zeigen wohl die Medien am besten. Als Meister der ironischen Musik  könnte man zum Beispiel die US-amerikanische Metalband Steel Panther bezeichnen. Ihre Spezialität sind ironische Texte, wie z.B. im Song The Burden of Being Wonderful erkennbar ist.

„Why in a world of ugly faces should I be allowed to be so hot?“

Mit diesen Worten beginnt das Lied und lässt keinen Zweifel an dessen ironischer Färbung. Im Musikvideo dazu wird nicht nur der Protagonist, sondern auch die Band selbst durchgehend mit einem ironischem Augenzwinkern präsentiert.

Das Fernsehen steht dem in nichts nach. Wie häufig Ironie verwendet wird, ohne, dass man sie noch bewusst wahrnimmt, dürfte wohl The Big Bang Theorie verdeutlichen: Sheldon scheint gänzlich von der Fähigkeit, eine ironische von einer sarkastischen oder ernstgemeinten Aussage unterscheiden zu können, befreit zu sein. Deshalb muss sein Mitbewohner Lennart ein Schild mit der Aufschrift Sarkasmus basteln, damit Sheldon erkennen kann, welche Aussage nicht ernst gemeint ist.

Lennart: Hey Penny, how was work?“

Penny: „Great! I Hope I’m a waitress at the Cheesecake Factory for my whole life!“

Sheldon: „Was that sarcasm?“

Penny: „No.“

Sheldon: „Was that sarcasm?“

Penny: „Yes.“

Sheldon: „Was that sarcasm?“

(The Big Bang Theory)

Die Ironie geht auch in den Werbepausen weiter. Dort ist es inzwischen an der Tagesordnung, sich selbst nicht mehr zu ernst zu nehmen. So besingen Hunderte von Menschen in einem Werbespot für eine amerikanische Biermarke vor einer epischen Kulisse zu den Klängen von O Fortuna die Tatsache, dass sie sich gerade in einer rießigen, teuren Marketingkampagne befinden. Der Spot endet mit der Schlussfolgerung „This ad better sell some bloody beer“. Aber nicht nur Biermarken greifen auf solche herausstechenden Werbemethoden zurück. Mit Slogans wie „Unnecessary Freshness“ und markanten Werbespots ist Old Spice für kreatives Marketing bekannt geworden.

Ironie10: Hipster

Als Verkörperung des ironischen Lebensstils schlechthin, werden heute die Hipster gesehen: Mit neuartigen Frisuren, Nerdbrille, iPad und Vintage-Klamotten aus den 70ern gilt man als „voll retro“ und kann dann feiern, nicht wie all die Anderen zu sein. Doch erwächst das Zurschaustellen dieses Stils nicht etwa einer Liebeserklärung an längst vergangene Zeiten, sondern eher dem Wunsch, sich unangreifbar zu machen. In der heutigen schnelllebigen, vernetzten Welt ist es unheimlich anstrengend, ständig zu allem Stellung beziehen zu müssen. Die Ironie bietet unfreiwillig den gewünschten Freiraum, sich nicht festlegen zu müssen und grenzt einen außerdem von anderen ab.

Doch was ist daran noch ironisch? Inzwischen wird der Hipster-Kleidungsstil als Trend angesehen, nicht als Aussage. Wenn alles ironisch ist, was Hornbrillen, Karohemden oder Röhrenjeans trägt, was auch nur im geringsten zwei Bedeutungen haben könnte oder sich über sich selbst lustig macht, dann verfehlt die Ironie ihren Zweck. Es ist nicht Ironie, wenn ein Hipster vergangene Modestile aufgreift und sie möglichst unpassend mit anderen Kleidungsstücken kombiniert. Eher ist es wohl die Ironie des Lebens, dass der Urgedanke der Hipster-Bewegung, sich vom grauenhaften, von allen so gehassten Mainstream zu unterscheiden, in den Hintergrund getreten ist. Heutzutage ist es hip, Hipster zu sein und der Mainstream möchte immer hip sein. Dem Hipstertum anzugehören ist inzwischen weniger eine Demonstration gegen den Mainstream als viel mehr ein verzweifelter Schrei nach Unangreifbarkeit.

Quelle: 9GAG

Zukunftsmusik

Von mächtigen Hipstern, einem neuen Zeitalter und der Apokalypse

Wie wird wohl die Zukunft aussehen, wenn sich die Ironie in der gleichen Art entwickelt wie bisher? Naja, die Flut an (fälschlicherweise als solche verstandene) Ironie wird zunehmen, was dazu führen wird, dass es irgendwann normal sein wird, als erstes an Äußerungen des Gegenübers zu zweifeln. Das daraus resultierende Chaos wird dann das zum Hipstertum geneigte, vermeintliche Individuum dazu nutzen, ganz unironisch Macht zu horten. Natürlich ohne, dass das jemand bemerkt, denn in unserer ironischen Gesellschaft nimmt niemand den modernen Hipster ernst. Die Hipster werden also die Weltherrschaft an sich reißen und die gesamte Gesellschaft dazu zwingen, skurrile Kleidungs- und Haartrends zu übernehmen. iRony, so wird das neue Zeitalter heißen. Die ganze Menschheit wird in den hipster-typischen ironischen Lebensstil verfallen. Auch sämtliche technische Gerätschaften werden ironisiert werden. Was passiert, wenn Fußgängerampeln ironische Signale ausstoßen und Bordradare die Koordinaten anderer Flugobjekte ironisch darstellen, wenn niemand mehr die Martinshörner von Krankenwagen ernst nimmt und Ärzte ironische Diagnosen stellen, kann sich wohl jeder selbst ausmalen. Ach ja, und The Big Bang Theorie wird auch mit den Einschaltquoten zu kämpfen haben, da vor lauter Ironie- und Sarkasmus-Schildern kein Platz mehr für eine Story bleibt.

Quelle: www.the-big-bang-theory.com

Wozu nützt Kommunikation, wenn man sich durch sie nicht mehr verständlich machen kann? Richtig, zu nichts, deshalb wird sie abgeschafft werden. Die Menschheit wird also verlernen, sich zu verständigen. Sämtliche Regierungs- und Verwaltungssysteme sowie jegliche Formen der Zivilisation werden zugrunde gehen, alltägliche Dinge wie Handel oder Straßensysteme nicht mehr möglich sein. Und die ersten Außerirdischen, die auf der Erde landen, werden nichts vorfinden: keine Zivilisation, keine Hipster, keinen Sheldon Cooper. Nur eine ironische Leere. Denn mit der Kommunikation geht auch die Menschheit unter, ohne Kommunikation zerstören sich Menschen gegenseitig. Und die Welt, in der sie leben. Die Zukunft in einem Wort: Apokalypse. Ich fürchte fast, dass die Phantastik meiner Erzählung nicht allzu weit von der Realität entfernt ist.

Postironie – Die Rettung

Wie in jedem wunderschönem Kitschfilm, gibt es auch für diese traurige Geschichte einen Plottwists, der dann doch noch alles zum Guten wendet. Dieser Bote des Happy Ends, der Superman der modernen Gesellschaft ist *Trommelwirbel*: die Postironie! Zugegeben, ein heroischer Name ist das nicht gerade. Und doch verbirgt sich hinter dem Begriff viel mehr, als man zunächst annehmen könnte. Entgegen der Vermutung, die jetzt vielleicht der ein oder andere anstellen könnte, dass es sich dabei um Anti-Ironie, humorlose Ernsthaftigkeit und Verzicht auf die wundervollen Widersprüche der Ironie handeln könnte, folgt die postironische Bewegung einem ganz anderem Ziel: der Rückkehr zu der ursprünglichen Ironie, dem Stilmittel mit Aussagekraft. Die Rückkehr zur Ironie, die keine Scheu davor zeigt, eine feste, eindeutige Aussage zu treffen. Postironie steht für den Mut, aus dem gemütlichen Versteck der Ironie hervorzutreten, sich nicht mehr selbst verlachen zu müssen und zu seiner eigenen Aussage zu stehen. Die Postironie überwindet die Ironie nicht – sie gibt ihr wieder Sinn, eine Bedeutung. Der Alltag wird durch sie also entironisiert, nicht alles Zweideutige ist gleich ironisch, es gibt auch wieder ernstgemeinte Aussagen.

Doch das schönste an der Postironie ist: Im Gegensatz zu meiner kleinen apokalyptischen Geschichte gibt es die Postironie wirklich – ohne Ironie.