Rezension „Renn, wenn du kannst“
Ein Krüppel, ein Zivi, eine Studentin und ein Rollstuhl. Mehr braucht Dietrich Brüggemann nicht, um bei seinem Regiedebüt einerseits die emotionale Seite der Zuschauer anzusprechen, auf der anderen Seite aber eine Komik zu erzeugen, die deutschlandweit die Kinosäle vor Lachen zum beben bringen wird. Eine reife Leistung!
Benjamin (Robert Gwisdek, „13 Semester“) sitzt im Rollstuhl und braucht einen neuen Zivi, den er in Christian (Jakob Matschenz) findet. Klischeehaft, aber storytechnisch so ausgearbeitet, dass es eben so nicht wirkt, verlieben sich beide in dasselbe Mädchen: die Musikstudentin Annika (Anna Brüggemann), die aber selbst nicht so recht weiß, wie sie ihre Sympathien verteilen soll. Eine tragisch-lustige Dreiecksgeschichte entwickelt sich und versetzt den Zuschauer ständig von einer Gefühlslage in die andere und wieder zurück. Aber eben die Szenen, in denen die Drei als Trio unterwegs sind und die Verhältnisse unklar bis verwirrend scheinen, sind es, die den Zuschauer nicht in Langeweile verfallen lassen, obwohl manche Sequenzen in denen nur Zwei aus Drei spielen, zum Teil etwas in die Länge gezogen wurden. Viele klassische kleine Seed-and-Payoff-Geschichten (z.B. die rote Kiste, der Satz „Wenn du nichts machen sollst, machste was und wenn du was machen sollst, machste nichts!“, Schwester Christiane, die Goldfische, die Unterwasserwelt, dirigieren vom Fernsehturm u.v.m.) sorgen zudem dafür, dass im Laufe des Films immer mehr Aha-Erlebnisse entstehen, die wieder neue Reize zum weiterschauen setzen.
Obwohl die Geschichte durchwegs flüssig erzählt wird und durch die vielen Seed-and-Payoffs ein großes Ganzes wird, fällt meiner Meinung nach eine Szene komplett aus dem Rahmen: man kann den Himmel nicht darstellen, ohne sich lächerlich zu machen, deshalb sollte man es einfach sein lassen. Mehr will ich an dieser Stelle aber nicht sagen, denn den Inhalt oder gar das Ende zu verraten liegt mir fern.
Ein knallroter Faden, der durch die komplette Handlung führt ist das Wortspiel „Wenn du nichts machen sollst, machste was und wenn du was machen sollst, machste nichts!“, frei nach dem Motto „How it’s done you do it wrong“. Brüggemann selbst aber bricht total mit dem Sprichwort und macht alles richtig, insbesondere den Cast besetzen. Gwisdek spielt seine Rolle vom gelangweilten, vom Leben im Stich gelassenen Krüppel, über den liebenden Rollstuhlfahrer, der einen Traum hat, bis hin zum ultra-sarkastischen Arschloch, für das jeder Mensch auf der Welt einer zu viel ist oscarreif und überzeugt in wirklich jeder einzelnen Szene. Matschenz spielt seinen Part mehr als solide und auch Brüggemanns Schwester Anna rechtfertig ihre „Vitamin-B“-Besetzung mit einer sehr starken Leistung!
Um abzuschließen bleibt noch zu sagen, dass bereits Karl Kraus gesagt hat, dass man sich in Zweifelsfällen immer für das Richtige entscheidet. Und so machen Ben, Christian und Annika auf Filmebene zwar viel verkehrt, Robert, Jakob, Anna und vor allem Brüggemann in der Umsetzung dafür aber umso mehr richtig und schlussendlich ist bei dieser Mischung ein wirklich sehenswerter Streifen herausgekommen – nichts also mit done wrong.
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