Schon als kleiner Junge konnte ich mich für Geschichte und Archäologie begeistern. Trotz einer Menge schlechter Geschichtslehrer in der Schule hat mein Interesse an unserer Vergangenheit nicht nachgelassen, weshalb Geschichte später zu meinen Studienfächern gehörte. Für die verschiedenen Module Hausarbeiten zu schreiben war immer ein Erlebnis, bei dem man Unmengen an neuem Wissen aus vielen zeitlichen Abschnitten anhäufen konnte. Die aktuelle Adventszeit ist in der Medienwelt vollgepackt mit Jahresrückblicken, ob im Fernsehen oder bei Spotify. Also warum nicht beides kombinieren? Hier kommen meine persönlichen Highlights an Neuheiten aus der Geschichte und Archäologie.
Ostsee auf die Eins!
Dass unsere Vorfahren als Jäger und Sammler lebten, ist keine Neuigkeit. Dennoch errichteten sie monumentale Bauwerke zum Zweck der Wildtierjagd. Die bekanntesten Beispiele dürften die etwa 10.000 Jahre alten Steinkreise und Mauern von Göbekli Tepe (Türkei) oder die Wüstendrachen (arabische Wüste) sein. Auch in Grönland und den Großen Seen (USA) wurden ähnliche Formationen entdeckt. Der Meeresgeologe Dr. Jacob Geersen vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde entdeckte mit seinen Kollegen bei einer hydroakustischen Vermessung des Meeresgrunds in der Mecklenburger Bucht eine ungewöhnliche Erhebung. Die Steinmauer liegt in 21 Metern Tiefe, wird durch 1.673 kleinere sowie größere Felsbrocken gebildet und ist 971 Meter lang. Das Besondere ist die Verteilung der Steine, denn die zehn schwersten liegen alle an Bereichen, in denen die Mauer die Richtung ändert. Dadurch kann eine natürliche Entstehung in dieser Region ausgeschlossen werden. Die sogenannte Blinkermauer wäre folglich die erste morphologische Struktur dieser Art in der Ostsee und vermutlich mehr als 10.000 Jahre alt. Damit wäre sie das älteste Monumentalbauwerk Europas und eine der ältesten menschengemachten Megastrukturen. Was heute tief unter Wasser liegt, war damals über Land. Der Meeresspiegel zum Ende letzten Eiszeit lag an der Nord- und Ostsee bis zu 40 tiefer als heute. Das Alter der Steinmauern kann unter anderem daran ermittelt werden. Denn der Meeresspiegel stieg erst vor rund 8.000 Jahren so weit an, dass die Blinkermauer überschwemmt wurde. Die Forschenden sind sich in ihrer Vermutung zum Zweck des Bauwerks sicher. Da sich die Mauer in leicht geschwungener Linie am Rand eines Sees oder Sumpf befand, diente sie wohl als Jagdhilfe. Die Formation lenkte etwa Rentierherden um zu natürlichen Barrieren wie einen Hügelrat oder Tümpel, wodurch sie einfacher zu erlegen waren.
Ziemlich lange Reise…für einen Stein
Von Stonehenge sollte jeder schon mal gehört haben. Diesem Haufen Steine in Südwestengland. Bis heute ist unklar, wie und wofür dieser Steinkreis vor etwa 5.000 Jahren errichtet wurde. Was bisher Gewissheit war, ist die Herkunft der Steine. Die großen Sarsensteine der torähnlichen Trilithen sind lokalen Ursprungs und die ca. 80 Blausteine stammen aus dem 250 km entfernten Wales. Das dachte man zumindest. Der Altarstein wurde aufgrund fehlenden Wissens mit in die walisische Herkunft eingeordnet. Wie die Untersuchungen der Geologen um Anthony Clarke, Prof. Christopher Kirkland (Curtin University Australia), Prof. Richard Bevins und Prof. Nick Pearce (Aberystwyth University Wales) zeigten, ist die Zusammensetzung des Steins anders als die aller anderen. Nach einer eingehenden mineralogischen und isotopischen Analyse des Sechstonners fanden die Archäologen heraus, dass der bis zu zwei Milliarden Jahre alte Stein wohl im Präkambrium auf dem Gebiet des Urkontinents Laurentia entstand. Wem das nichts sagt, das entspricht dem heutigen Schottland. Die Mineralkombination passt nicht wie seit 100 Jahren angenommen in die Geologie um Stonehenge, auch nicht zu der in Wales, sondern nur zum orkadischen Becken im Nordosten Schottlands. Damit hat der Altarstein die längste dokumentierte Reise eines in einem Monument dieser Zeit verbauten Steins hinter sich gebracht, ganze 750 km. Doch wie wurde er transportiert? Das ist unklar. Den Landweg gilt es aufgrund der Begebenheiten in Großbritannien als auszuschließen. Folglich muss er über den Seeweg dorthin geschafft worden sein. Dieser Vermutung kommt zugute, dass nach neueren Studien die Megalithkultur der Erbauer auf steinzeitliche Seefahrer zurückgeht, die sich entlang der europäischen Küsten ausbreiteten. Weiterhin liegt nahe, dass es damals einen etablierten Fernhandel sowie ein höheres Niveau der gesellschaftlichen Ordnung gab, als es für diese Zeit bisher angenommen wurde.
Skythen machten Menschenhaut zu Leder?
Die Skythen bevölkerten als nomadisches Reitervolk die eurasische Steppe vom Schwarzen Meer bis zur Mongolei. Trotz ihrer recht langen Dominanz in diesem Gebiet von 800 vor bis 300 nach unserer Zeitrechnung ist sehr wenig von ihnen bekannt. Das meiste Wissen stammt aus den Kurganen, den Grabhügeln der Skythen. Da die Gräber wohl ihren Fürsten gewidmet wurden, ist über das alltägliche Leben kaum etwas bekannt. Doch auch der griechische Geschichtsschreiber Herodot berichtete über die Nomaden. Seine wohl sehr subjektive Darstellung enthält Schilderungen von Skythen, die das Blut ihrer Feinde tranken, menschliche Skalpe als Trophäen sammelten und deren toten Feinde häuteten, um deren Haut zu Köcherhüllen zu verarbeiten. Während diese Beschreibungen lange als Denunzierung verstanden wurden, scheint sich diese Deutung nun zu ändern. Die Associate Professorin Luise Ørsted Brandt und ihr Team von der Universität Kopenhagen untersuchten 45 Lederproben von Köchern aus 18 ca. 2.400 Jahre alten Gräbern in der Südukraine. Die während der Untersuchung durchgeführten Analysen weisen, neben den Nutztieren Schaf und Ziege, bei zwei Proben auf menschliche Haut hin. Die Geobiologin und ihr Team sieht damit Herodots Erzählungen für teilweise bestätigt. Der Hintergrund der Herstellung von menschlicher Haut zu Köchern ist allerdings unklar. Möglich wäre die Verwendung als Trophäe für über im Kampf getötete Feinde. Auch ein spiritueller Hintergrund ist nicht ausgeschlossen. Die Köcher stellten einen elementaren Bestandteil eines Skythenkriegers dar, weshalb wohl Kraft und Mut der getöteten Feinde auf den Träger des Köchers übergehen und ihn beschützen sollten.
Das hat wirklich niemand erwartet
Wer bereits die Grabeskirche in Jerusalem besucht hat, ist möglicherweise direkt an dieser Sensation vorbeigelaufen. Vielleicht hat man sogar eine Nachricht auf einer der Steinplatten hinterlassen. Ist ja nichts dabei, denkt man sich. Aber was ist, wenn man nicht irgendeine alte Steinplatte beschmiert, sondern einen jahrhundertealten Hochaltar? Millionen von Touristen wird dieser Gedanke nicht gekommen sein, denn niemand wusste, dass das keine normale Steinplatte ist, die da an der Wand lehnte. In Wahrheit ist sie ein Teil eines zerstört geglaubten Hochaltars aus der Zeit der Kreuzritter. Die Platte lehnte unbeachtet in einem Korridor im hinteren Teil der Kirche seit unbestimmter Zeit an der Wand. Aufgrund von Bauarbeiten musste die Platte zur Seite geräumt werden und wurde dabei umgedreht. Zum Vorschein kamen aufwendige Marmor-Ornamente mittelalterlicher Machart. Vermutlich zierte die Steinplatte einst die Vorderseite des mittelalterlichen Hochaltars der Grabeskirche. Dieser wurde 1149 im Gedenken an die Eroberung Jerusalems durch den ersten Kreuzzug eingeweiht und bildete über Jahrhunderte den Mittelpunkt des bedeutendsten christlichen Heiligtums. Mit 3,5 Metern Breite ist der Altar der größte bisher bekannte mittelalterliche Altar, so der Historiker Dr. Ilya Berkovich von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Aufgrund von Pilgerberichten ist er bis ins 18. Jahrhundert belegt. Nachdem 1808 ein großes Feuer im romanischen Teil der Grabeskirche ausbrach, galt es als verschwunden. Die besondere Technik der kunstvollen Gestaltung des Steins weist zudem eine bisher unbekannte Verbindung zwischen Rom und dem christlichen Königreich Jerusalem hin. Denn nur speziell geschulte Zunftmeister des Vatikans waren zu einer solchen handwerklichen Leistung in der Lage. Die bisherigen Arbeiten dieser Meister waren bis auf eine Ausnahme (die Westminster Abbey in England) alle den klerikalen Bauten in Rom vorbehalten. Mit der Entsendung eines Zunftmeisters würdigte der Papst die heiligste Kirche des Christentums und untermauerte den Anspruch auf Jerusalem und das „Heilige Land“.
Eier…äh…Ruinensuche in Mexiko
Auch auf dem amerikanischen Kontinent ist viel passiert (bevor Kolumbus dort war). Eines der wenigen Völker, die es tatsächlich heute noch gibt, sind die Maya. Die im heutigen Mexiko beheimatete Hochkultur lebte zumeist in kleineren ländlichen Siedlungen. Dachte man zumindest. Bis vor kurzem waren nur vier größere Städte bekannt: Chichen Itza, Tikal, Palenque und Calakmul, welche die größte davon war. Ursprünglich fertigte eine mexikanische Umweltorganisation LIDAR-Daten eines 122 Quadratkilometer großen Gebiets an, um den Zustand des Regenwalds zu ermitteln. Ein Team aus Archäologen um Luke Auld-Thomas und Prof. Marcello Canuto von der Tulane University New Orleans nutzen diese Laserscanning-Rohdaten dann, um nach archäologischen Spuren zu suchen. Sie fanden neben über 6.500 präkolumbianischen Relikten die zweitgrößte Maya-Stadt, direkt in einem aktiv genutzten Landwirtschaftsgebiet. Die neue Stadt nahe Campeche (Yucatán), Valeriana genannt, war über 16,6 Quadratkilometer groß und wurde vermutlich von bis zu 50.000 Menschen bewohnt. Die Daten zeigen, dass das Gebiet nahezu lückenlos bebaut war. Dieser Fund an der einzigen Fernstraße der Gegend lässt darauf schließen, dass die Maya mehrheitlich in urbanen Siedlungen lebten als auf dem Land. Die Stadt verfügte über große, gepflasterte Plätze, verbunden mit einer breiten Straße, Tempelpyramiden, einen Ballspielplatz sowie ein Wasserreservoir. Eben alles, was eine Maya-Hauptstadt der klassischen Ära aufwies. Der Fund macht deutlich, dass es noch große Lücken im Wissen über die Maya gibt und es noch viel im Regenwald zu entdecken gibt.
Weitere interessante Neuigkeiten:
So früh schon?
Knochenfunde aus der Ilsenhöhle in Thüringen belegen die ältesten Zeugnisse des Homo sapiens nördlich der Alpen. Vor 45.000 Jahren lebte er zeitgleich mit dem Neandertaler in Mitteleuropa. Zudem stammen Werkzeugformen aus Stein nicht vom Neandertaler wie gedacht, sondern vom Homo sapiens.
Menschenopfer in der Jungsteinzeit?
7.000 bis 5.500 Jahre alte Grabfunde deuten auf eine rituelle Ermordung von hauptsächlich Frauen hin. Sie wurden mithilfe von Fesseln langsam erdrosselt oder durch schwere Gewichte die Luft abgedrückt. Womöglich wurden sie noch vor ihrem Tod begraben. Warum unsere jungsteinzeitlichen Vorfahren so handelten und wie weit diese Praktik verbreitet war, ist nicht bekannt.
Neues aus dem Leben Platons
Archäologen konnten durch die Entzifferung der Herculaneum-Schriftrolle unter anderem herausfinden, wann und warum Platon als Sklave verkauft wurde sowie Vermutungen über seine Grabstätte bestätigen. Die verkohlten Fragmente der Schriftrolle, die in einer von einem Vulkan verschütteten Bibliothek lagerten, sind 2.000 Jahre alt.
Ein weiterer Zufallsfund
Als ein Österreicher in Krems seinen Weinkeller umbaute, fand er 30.000 bis 40.000 Jahre alte prähistorische Mammutknochen, Steinwerkzeuge und Feuerreste. Die Knochen werden derzeit noch untersucht, sind aber schon jetzt eine Sensation. Die zu drei verschiedenen Mammuts gehörenden Knochen sind in diesem Fachbereich der bedeutendste Fund seit 100 Jahren.
Krebs in Ägypten
An einem Schädel aus dem alten Ägypten fanden Archäologen Hinweise darauf, dass die Mediziner vor 4.300 Jahren versuchten, Krebstumore zu operieren. Am Schädel wurden Läsionen eines Gaumentumors und Metastasen gefunden. Schnittspuren und Kerben an den Metastasen lassen vermuten, dass versucht wurde die Tumore zu untersuchen oder zu entfernen.
Neue Kultur in Marokko entdeckt
In Oued Beht (Nordmarokko) wurden Überreste einer unbekannten Kultur aus der Jungsteinzeit entdeckt. Von 3.400 bis 2.900 vor unserer Zeitrechnung erbaute sie den frühesten und größten landwirtschaftlichen Komplex jenseits des Nils. Durch Relikte sind Vermutungen zu ihrer Gesellschaft als auch Verbindungen zur iberischen Halbinsel möglich.
Wikinger schon wieder früher als Kolumbus
Wie die Analyse von Elfenbein-Stoßzähnen bestätigt, reisten die skandinavischen Wikinger schon um 1120 in die Nordamerikanische Arktis und handelten mit den dort lebenden Tuniit und Thule Inuit. Auch Ein Vordringen in kanadische Gewässer ist nachweisbar. Die Jagd und der Handel mit Walross-Stoßzähnen könnten den Anfang der Globalisierung zeigen.
Apropos Kolumbus
Zu seinen Lebzeiten behauptete der Seefahrer stets, er habe den Seeweg nach Indien entdeckt. Dabei lag er ebenso falsch wie mit der Behauptung seiner Herkunft. Während er behauptete, er stamme aus dem italienischen Genua, konnten DNA-Analysen zeigen, dass er spanisch-jüdischer Abstammung aus Valencia war. Das könnte erklären, warum er seine Herkunft verschleierte.
Erster Beleg für Koexistenz früher Menschenarten
Fußabdrücke am Turkanasee in Kenia liefern erstmals den Beweis, dass Menschenarten gleichzeitig im gleichen Gebiet lebten. Die 1,5 Millionen alten Fußspuren stammen von den Arten des Homo erectus und dem Vormenschen Paranthropus boisei und zeigen, dass sie innerhalb weniger Stunden am Seeufer entlanggelaufen sein müssen. Eine Begegnung sei im Bereich des Möglichen.
Die Bronzezeit war…wild
Archäologen fanden in Südwestengland die Überreste eines Massakers aus der Bronzezeit. Die etwa 4.000 Jahre alten Knochen von 37 Männern, Frauen und Kindern weisen Schnitt- und Schlagspuren auf. Die Schlussfolgerung: Sie wurden abgeschlachtet und zum Teil verzehrt. Wer dafür verantwortlich ist und warum es passierte, ist unklar. Als Motiv wird Rache vermutet.
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