Mit dem Start der Dreharbeiten zu Star Wars Episode VII und der Veröffentlichung des Casts wurden auch die Diskussionen rund um die Übernahme von Lucas Film und Lucas Arts durch Disney erneut losgetreten. Wir erinnern uns – umgerechnet 3,1 Milliarden Euro hatte Disney dem Alleineigentümer George Lucas vor anderthalb Jahren für seine Marken gezahlt. Somit wanderten unter anderem die Rechte an Star Wars und Indiana Jones an das Unternehmen – wie in den letzten Jahren auch schon bereits Marvel und Pixar. Wird die Marke Star Wars von den neuen Eigentümern respektvoll behandelt werden? Um das einmal genauer aufzudröseln, haben Jan Niklas und Diana sich zusammengesetzt und aus verschiedenen Hintergründen diskutiert, wie es mit einer der bekanntesten Franchises weitergehen könnte. Und da Jan Niklas sein Wissen zu diesem Universum größtenteils aus den Filmen und der Rollenspiel-Reihe Knights of the Old Republic bezieht, während Diana (teilweise viel zu tief) in das Expanded Universe eingetaucht ist, haben sich allein schon zwischen den beiden zahlreiche Diskussionspunkte ergeben.

In der Community sehr positiv angekommen ist die Nachricht, dass es in Star Wars Episode VII ein Wiedersehen mit der alten Garde von Star Wars IV-VI geben wird, inklusive Mark Hamill und Harrison Ford. Ein Anzeichen dafür, dass man die Ursprünge von Star Wars auch im Hause Disney nicht außer Acht lassen wird. In Jubelstürme brechen die langjährigen Star-Wars-Fans aber trotzdem nicht aus. Gerade das im Januar veröffentlichte Statement, dass man in den folgenden Filme das bisher detailliert ausgearbeitete, expandierte Universum rebooten möchte, sorgte für viele Kontroversen und Befürchtungen. Doch gibt der Reboot nicht vielleicht auch einen Anlass zur Hoffnung?

„Nooo!“ dachten sich vermutlich auch die meistens Fans als sie das erste mal vom geplanten Reboot des Star-Wars-Universums gehört haben. Das basiert vermutlich vor allem auf der Erfahrung zahlreicher Reboots der DC oder Marvel-Comic-Universen, in denen dies zumeist eine völlig neue, eigenständige Comic-/ Film-/ oder Spielreihe bedeutete, in der die Geschichte des Helden, seine Herkunft und Genese noch einmal von vorne erzählt wurden, ohne Rücksicht auf bereits bestehende Adaptionen. Diese vollkommen neue Erzählung „von vorne“ ist mit dem Star Wars Reboot allerdings (hoffentlich?!) nicht gemeint! Vielmehr geht es darum, sich in den Folgefilmen Episode VII – IX zwar an den bisherigen Filmen auszurichten, nicht aber am Expanded Universe, das beispielsweise in zahlreichen Büchern und Graphic Novels die Geschichte um Luke, Leia und Han Solo nach dem Sieg über das Imperium weitererzählt haben. Jannik findet es besonders schade, dass die Handlung aus Knights of the Old Republic außer Acht gelassen wird, die in zwei grandiosen Computerspielen erzählt wurde und hunderte Charaktere zum Kanon hinzufügte. Aber auch das ist nur ein kleiner Teil des Expanded Universe – es umfasst hunderte Comics, Bücher, Serien, Hörspielen und Games, die nun außer Acht gelassen werden sollen. Wird eine der größten Franchises also nun von Mickey Mouse kastriert?

Nicht voreilig urteilen. An und für sich scheint die Entscheidung, die Franchise größtenteils zu rebooten, durchaus sinnvoll zu sein. In ihrer beinahe 30 Jahre währenden Existenz wurde die Star-Wars-Filmwelt transmedial um beinahe zahllose weiterführende Produkte und Geschichten erweitert. Durch eine inhaltliche Abstimmung sämtlicher Geschichten und intermediale Verknüpfungen ist ein komplexes Erzählnetzwerk entstanden, das Fans mehr und mehr dazu anregt, sich auch außerhalb der Filme weiter mit dem Universum zu beschäftigen. Dass dies teilweise schon Voraussetzung zum Verständnis ist ließ sich zu Beginn von Episode III feststellen, in der ohne Exposition ein neuer Charakter, General Grievous, Anführer der Droidenarmee, erscheint, wodurch sich Fragen stellten wie „Wer ist das denn jetzt? Und wieso kennt den jeder außer mir?“ Nach Sichtung der TV-Serie The Clone Wars sowie einer intensiven Forschungsnacht in der Star Wars Wiki entpuppt sich Grievous dann jedoch als interessanter und hoch tragischer Charakter. Diese detaillierte Ausarbeitung des gesamten Universums über mehrere tausend Jahre Handlungsraum hinweg ist zwar einerseits für die Fans ein großer Anreiz, sich so tief es geht hineinzustürzen und sich so viel Wissen wie möglich anzueignen, bereitet aber andererseits den Produzenten große Probleme: Wie kann in einem bereits derart großen, feststehenden Universum überhaupt noch etwas Neues entstehen, wer hat wirklich noch den Überblick über alle Produkte des Expanded Universe? Wo kann man ansetzen, um die Fans noch zu überraschen? Das Expanded Universe kann zu einer Fessel werden, die kaum noch Kreativität zulässt.

Dieses Problem zeigte sich teilweise bereits schon in den Episoden I – III, die an gewissen Stellen Spannungsbögen nicht aufbauen konnten. So wusste jeder Kenner des Universums, dass aus dem kleinen blonden Anakin Darth Vader wird und dass Obi-Wan nicht sterben kann, während fast jeder andere Jedi irgendwann ein vorzeitiges Ende finden muss. Dies führte zu einer äußerst zielgerichteten Form der Erzählung, die durchaus gängige Film-Tricks nicht erlaubte. Mit einem Reboot des Universums nach Episode VI, das auf die Filme aufbaut, während es das Expanded Universe ignoriert, ist dieses Problem durchaus gekonnt umschifft und bietet Drehbuch, Regie und Produktion neue Möglichkeiten der Gestaltung und Erzählung. Und dadurch, dass dieser Eingriff in die Erzählung nicht im „zeitlichen Zentrum“ erfolgt, sondern eher in der Peripherie, könnten sogar Fans, die mit Star Wars aufgewachsen sind, zumindest rein inhaltlich mit der Handlung durchaus überrascht werden.

Jedoch stehen nach wie vor Befürchtungen im Raum, deren Eintreten Star Wars zumindest für die letzten Generationen Fans gefühlt ruinieren könnte. Durch die Übernahme von Lucas Film durch Disney steht zu befürchten, dass das Universum in gewisser Weise „aufpoliert“ wird. Mit seiner Premiere 1977 hat Star Wars neue Standards für den Science-Fiction-Film gesetzt – nicht nur auf der Ebene von Special Effects, Sounddesign und Filmmusik, sondern auch im Gestalten von Welten. Bis zu diesem Zeitpunkt war Sci-Fi immer äußerst „sauber“, nicht nur was Charaktere und Story anging, sondern auch im wörtlichen Sinne. Selbst auf Wüstenplaneten in Star Trek blieb die Uniform sauber, alle Amaturen waren blitzblank und die Frisur saß perfekt.

Ganz anders in Star Wars: Diese Welt war auf einmal dreckig, staubig, kalt und teilweise auch wirklich nicht schön. Dies hat sich vor allem auch in den neueren Filmen fortgesetzt, in denen viele Charaktere psychologische Tiefe erhielten und nicht nur Stereotypen waren und damit gleichzeitig auch durchaus schreckliche Taten begehen konnten (beispielsweise die Ermordung der Jünglinge durch Anakin in Episode III). Die Befürchtung, dass dieses Potential für Tiefgang durch Disney aufpoliert und bestenfalls FSK 6-tauglich gemacht wird, ist wohl ebenso berechtigt wie eine Befürchtung den Verlustes von Detail-Verliebtheit im visuellen und klanglichen Design zugunsten von Action-Konventionen und vielleicht einem neuen Jar Jar Bings?! Hoffnung macht aber die ebenfalls von Disney produzierte Filmreihe Fluch der Karibik, die sich nicht gerade durch eingeschränkten Alkoholkonsum, Etikette und Kindchenschema auszeichnet, sondern durch visuelle und klangliche Brillanz.

Grundsätzlich gilt also, dass die Abweichung der nächsten Star-Wars-Filme von den Erzählungen des Expanded Universe durchaus Vorteile und Chancen bietet für eine neue Trilogie, die es schafft, eine junge Generation von Fans zu begeistern. Es wird aber viel Fingerspitzengefühl nötig sein, um auch die langjährigen Jedis mit den zwangsläufigen Veränderungen zufriedenzustellen. Mit Kreativität und Geschick wäre der Reboot dann durchaus auch für Hardcore-Fans zu verkraften, aber bitte BITTE lasst das Universum zumindest in seiner visuellen, auditiven und strukturellen Basis unangetastet! Wir sind jedenfalls schon sehr auf Episode VII gespannt – hoffentlich ohne den Enkel von Jar Jar Binks.