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Ich bin ein echter Bücherwurm und gleichzeitig eine leidenschaftliche TikTok-Userin – und irgendwann hatte sich mein Algorithmus so perfekt angepasst, dass ich ständig auf „Booktok“ landete. Falls jemand mit dem Begriff nichts anfangen kann: Booktok ist ein Trend auf TikTok, bei dem Creator unter dem Hashtag #Booktok ihre Literaturempfehlungen teilen und sich mit anderen Literaturfreunden austauschen. Eine Art Buchclub – nur eben digital.

Zugegeben, es ist wirklich praktisch, wenn man sich nach neuen Büchern umschauen möchte. Doch in letzter Zeit war ich immer wieder überrascht, welche Vorschläge der Algorithmus für mich bereithielt. Immer öfter tauchten Bücher aus dem Genre „Dark Romance“ auf – ein Genre, mit dem ich bisher wenig Berührung hatte.

Neulich war ich bei Thalia, um meinen Bücherbestand aufzufrischen, als ich auf einen Stapel stieß, bei dem mir das ein oder andere Cover sofort bekannt vorkam – Titel, die auf Booktok regelmäßig die Runde machen. Das dazugehörige Schild trug die Aufschrift „Leidenschaftlich“. Nach dem Durchlesen mehrerer Klappentexte entschied ich mich, eines der Bücher zu kaufen, um den Hype um Dark Romance besser zu verstehen, und griff schließlich zu „Darkside“ von Katelyn Erikson. Im Vergleich zu den anderen Werken schien es mir noch am wenigsten extrem – und ich wollte mich nicht gleich in die „Hardcore“-Ecke begeben.

Als ich das Buch dann aufschlug, war ich ehrlich überrascht. Direkt zu Beginn stieß ich auf eine Content-Warnung, die mich skeptisch machte. Nachdem ich die Warnung gelesen habe, war mein erster Gedanke: „Cringe! Wer liest so etwas?“ Die Warnung klang wie eine Stimme aus dem Off, die den Leser direkt mit „Kleines“ oder „Babygirl“ anspricht und eine Mischung aus Erotik und Gewalt verspricht. Besonders irritiert war ich von dem Hinweis, dass Darkside nicht für „brave Feministinnen“ geeignet ist und im Buch auf Verhütungsmittel verzichtet wird – natürlich für die Storyline, um das Ganze „sexier“ zu machen. Ein kleiner Trost war der Hinweis, dass man im echten Leben natürlich Kondome benutzen sollte.

Nach dieser Einführung war ich schon bedient. Statt Spannung oder verführerischer Erotik fühlte ich mich eher peinlich berührt und irritiert. Trotzdem wollte ich mein Experiment nicht vorzeitig abbrechen und las weiter.

Zur Story: Darkside erzählt die Geschichte der komplexen und häufig schwierigen Beziehung zwischen der Protagonistin Sloane – einer ehrgeizigen, intelligenten und zielstrebigen Studentin, die das Klischee der „braven, unschuldigen, hübschen jungen Frau“ verkörpert – und einem dominanten männlichen Charakter. Im Zentrum stehen Macht, Kontrolle sowie intensive emotionale und körperliche Dynamiken, bei denen die Grenze zwischen Leidenschaft und Missbrauch oft verschwimmt. Sloane wird von einem „Bad Boy“ in eine Welt gezogen, in der Stalking, Belästigung und Gewalt – sowohl psychisch als auch physisch – nicht nur vorkommen, sondern auch romantisiert werden.

Die Geschichte ist durchzogen von Manipulation und sexuellen Übergriffen, die als integrale Bestandteile einer intensiven Verbindung dargestellt werden. Sloane erkennt die problematischen Aspekte dieser Dynamik – ihre innere Zerrissenheit wird fast greifbar – doch sie kann sich dem Sog dieser Beziehung nicht entziehen und wird sowohl emotional als auch körperlich von dem gefährlichen Spiel angezogen. Es wird ein schmaler Grat zwischen Romantik und Missbrauch ausgeleuchtet, der die Protagonistin in einen inneren Konflikt stürzt, der letztlich die gesamte Erzählung prägt.

Der Reiz solcher Romane, insbesondere für Fans von verbotener Liebe und dominanten „Bad Boys“, ist verständlich. Schließlich ist Sloanes Liebhaber aufmerksam, romantisch, hat einen ausgeprägten Beschützerinstinkt und ist wortwörtlich verrückt nach ihr. Doch die Art und Weise, wie Darkside diese Thematik aufgreift, wirft zahlreiche Fragen auf. Die Darstellung von erzwungenen sexuellen Handlungen, trotz eines klaren „Nein“ der Protagonistin, wird als Ausdruck von Leidenschaft verkauft, während Stalking und Belästigung in das Bild einer passionierten, wenn auch toxischen Beziehung eingefügt werden. Sloane erkennt die kritischen Aspekte, lässt sich aber dennoch von ihnen faszinieren. Hier verschwimmen die moralischen Grenzen, und die romantische Darstellung von Missbrauch und Gewalt wird beinahe entschuldigt.

Ein weiteres Stilmittel der Autorin besteht darin, immer wieder auf andere Dark-Romance-Bücher wie „Hunting Adeline“ zu verweisen oder das Genre selbst zum Thema zu machen. Dabei entsteht der Eindruck, dass sich Darkside von vergleichbaren Werken abgrenzt und eine Art „echte“ Realität vermittelt. Indem der Leser mit Formulierungen wie „Wir sind nicht in einem dieser Bücher“ direkt angesprochen wird, entsteht der Eindruck, dass die Ereignisse des Romans authentisch und real sind. Gleichzeitig wird der Leser von Anfang an mit einer nahezu übergriffigen Ansprache wie „Kleine“ in die Perspektive der Protagonistin katapultiert, was die Subjektivität dieser Erzählung weiter verstärkt.

Am meisten hat mich jedoch die Art und Weise gestört, wie die Autorin versucht, die Gedanken der Protagonistin mit denen der lesenden Person zu verschmelzen. Das wird besonders deutlich in den übergriffigen Szenen des Buches, in denen der Leser förmlich dazu angeregt wird, das Verhalten auf mehreren Ebenen zu hinterfragen und als problematisch zu erkennen – genau wie Sloane, deren Gedanken sich mit denen des Lesers decken. Doch statt diesen inneren Konflikt weiterzuverfolgen, geht die Protagonistin einen Schritt weiter und beginnt, das Erlebte zu romantisieren. Diese Wendung ist nicht nur problematisch, sondern auch manipulativ, da der Lesende gezielt in diese Denkweise hineingezogen wird und ihm indirekt nahegelegt wird, die Romantisierung zu akzeptieren und nachzuvollziehen.

Mein Fazit fällt zwiegespalten aus: Zwar kann ich den Hype um das Genre nachvollziehen, doch für mich überwiegen die kontroversen Aspekte. Zwar respektiere ich, dass solche Geschichten für manche eine gewisse Faszination ausüben, doch es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass das, was hier als leidenschaftliche Romanze verkauft wird, in der Realität schlichtweg sexueller Missbrauch ist.