einige Cover vom Artist „Loli in early 20s“

Kennt ihr das, wenn ihr bei einem entspannten Abend mit Freunden oder auf einer Hausparty seid? Die Stimmung ist gut und die Musik passend zur Atmosphäre. Doch manchmal gibt es diese Person, die sich auf einmal das Aux-Kabel schnappt und einfach nur die komischste Musik anmacht, die sich nicht mal wie von Menschenhand erschaffen anhört. Alle unterbrechen kurz die Gespräche und schauen etwas verwirrt zum besagten Hobby-DJ. Wenn die fiktiven Partygäste sich nun in eurer Vorstellung zu euch umschauen, dann seid ihr wie ich. Ja, ich bin dieser eine Typ. Der Typ, der seinen Musikgeschmack zwischen dem abartigsten Death Metal/Core, poppig, süßer Animemusik und hartem Techno verorten lässt. Also so ziemlich überall und nirgendwo. Dieser Musikgeschmack hat mich nun auf ein neues Genre gebracht, das mich fasziniert und manchmal auch verwirrt. Damit meine ich Breakcore. Hier mal ein kleiner Auszug aus dieser Wundertüte aus Musik.

Der Videotitel “Cure for ADHD” kommt nicht von irgendwoher. Online sind sich viele einig, dass Breakcore aufgrund seiner hohen BPM (beats per minute) Anzahl und den manchmal sehr hektischen Umbrüchen in der Songstruktur für von ADHS oder ähnlichen, betroffenen Personen eher eine Art Wohlfühloase statt Chaos ist. Obwohl ich meines Wissens nach nicht unbedingt so hyperaktiv bin, dass ich mit irgendetwas in dieser Richtung diagnostiziert wurde, würde ich dem Breakcore Songtitel:

You don’t have to be autistic to listen to Goreshit, but it does help.

auf jeden Fall zustimmen. Wenn ihr aber auf der Suche nach einer klaren Erklärung von Breakcore seid, muss ich euch leider enttäuschen. Nicht mal der Heiland der Internetquellen, nämlich Wikipedia, weiß so recht, wie man diesen wilden Mix einzuordnen hat. Dazu findet man dort beispielsweise: “Melodically, there is nothing that defines breakcore.” Aber das finde ich auch mit das Schöne daran, jeder Song ist somit erstmal eine komplette Überraschung.

Wie ich auf Breakcore gekommen bin, ist ähnlich bizarr wie die Musikrichtung an sich. In meiner Freizeit schaue ich des Öfteren gerne Livestreams und habe mich eines Tages dazu entschieden, einen älteren Stream von Jerma nachzuschauen. In besagtem Video hat er zum ersten Mal das Rhythm GameHatsune Miku Project DIVA Mega Mix gespielt, das zu der Zeit neu für Steam erschien. Neben dem grandiosen Unterhaltungswert, den Jerma als Mensch gewordenes Meme sowieso schon mitbringt, gestaltet sein Unwissen über das Hatsune-Miku-Universum den Stream als noch spaßiger zum Zuschauen. Demnach wählt er jeden Song, den er spielt, sehr spontan aus und wird irgendwann beim Song “Rin-chan now!” neugierig. Ich kenne zwar ein bisschen was von Hatsune Miku und Vocaloids, aber dieses Lied steht für alles was Stress und Sensory Overload in einem Musikvideo (schaut ab 1:18:40) sein kann. Jerma war ebenfalls sehr “beeindruckt” von dem musikalischen Werk. Im Twitch-Chat las ich während des Songs des Öfteren die Erwähnung, dass es ein typischer Breakcore Song ist und somit ging es los.

Nach dem gerade vorgestellten Youtube-Video habe ich mir Spotify-Playlists vorgenommen, die jetzt seit Monaten meinen täglichen Musikkonsum diktieren. Falls ihr interessiert seid, hätte ich hier einige Empfehlungen von KünstlerInnen, die mir bisher am besten gefallen haben:

  • Golden Boy
  • Machine Girl
  • Loli in early 20s
  • DJ Kuroneko
  • Sewerslvt
  • Goreshit

Machine Girl haben wir übrigens auch den genialen Soundtrack zum im Sommer erschienenen Neon White zu verdanken. Das ist nebenbei bemerkt ein echt gutes Indie-Game, zu dem Breakcore und elektronische Musik einfach wie die Faust aufs Auge passt. Aber ich schweife ab.

Auch wenn es natürlich ein Faktor ist, mag ich Breakcore nicht ausschließlich, nur weil es andersartig und etwas abgedrehter ist als andere Musik. Durch diese neue Erfahrung ist mir mehr oder weniger etwas über meinen eigenen Medienkonsum klar geworden. So wie in Breakcore Musik lasse ich mich in meiner Freizeit von mindestens einem Medium berieseln, meist mehreren. Beim Zocken läuft ein Stream oder Youtube Video, beim Video schauen werden Mobile Games gezockt, beim Kochen oder Wohnung aufräumen laufen Podcasts und wenn ich aus dem Haus geh, sind immer die Kopfhörer drinnen. Auch bei der Auswahl meiner Interessen suche ich immer gerne die nischigen, skurrilen Themen. Damit meine ich weirde japano Games, den wildesten Deathcore imaginable oder der mindfuckigste Anime. Natürlich übertreib ich hier auch ein bisschen und geh es auch mal entschleunigter an und wer mich kennt, weiß, dass ich im sozialen Umgang meist eher ruhig und zurückhaltend bin. Aber vielleicht gibt mir dieser krasse Stimulus an ausgefallenen Medien genau den Ausgleich, den ich im Kopf brauche. Irgendwo im Chaos gibt es eben auch eine Ordnung und Ruhe, in die man sich mental einfach fallen lassen kann. Ein Breakcore-Song gibt mir beispielsweise genau dieses Gefühl: Doku – Hakushi Hasegawa.

Breakcore erfüllt demnach auch alle Checkmarks und hat auch viel Anime-Aesthetics in seinen Liedern. Bevor ich diese neue Musikrichtung jedoch für mich entdeckt habe, war ich schon von ähnlichen Kompositionen mit silly Chaos-Energy eingenommen. Auf Youtube finden sich unzählige Remixes, die mehrere Songs mischen oder aus eigentlich unschuldigen Themes nice Trap-Versionen machen. Persönliche Favoriten von mir sind da die Kirby Remixes, vor allem die von “Green Greens” haben es mir angetan. Hier findet auch viel von der Meme-Kultur Einzug.

Ein auch sehr beliebtes Song-File für diese Crossovers ist der “Reese’s Puffs” Rap. Ein lustiger Song als Werbung für Frühstücksflocken in den U.S.A. führte Jahre später zu unheimlich unterhaltsamen Remixes. Irgendwann wurde mir dann eine interessant aussehende Fananimation von Team Rocket aus Pokémon von Youtube empfohlen, die gleich drei(!) Songs übereinander legt. Es sah lustig aus und ich habe damit einen meiner absoluten Lieblingsremixes gefunden. Die Songs, die hierbei irgendwie eine komplett komische Synergie erzeugen, könnten nicht unterschiedlicher sein:

Misery – Maroon 5 x CPR – CupkaKKE x Reese’s Puffs

Ein Popsong plus ein sehr expliziter Rapsong und Reese’s Puffs ergeben vor allem im Refrain ein so komisches Gefühl von “viel zu viel”, aber gleichzeitig auch des Fallenlassens in ein wohlig warmes Riesenkissen. Der Remix wurde online schnell beliebt und ist vielleicht nicht ganz so verrückt wie Breakcore, aber hat für mich genau die gleiche Art von Faszination.

Als wäre dem nicht genug habe ich letztens durch den Vtuber und Streamer Lord Aethelstan von der Website rave.dj gehört. Mithilfe dieser Seite kann man einer KI (künstlichen Intelligenz) einfach ein paar Songs geben und diese werden dann zusammengemixt. Lord Aethelstan oder kurz Aethel, griff dabei auf einen seiner eigenen Songs “Boof Pack” und einen Song seiner Vtuber-Kollegin Akuma Nihmune namens “CPR” zurück. Letzteren erkennt ihr vielleicht wieder, weil Nihmune ihn von CupkaKKe gecovered hat.

Kleiner Einschub: Auch ihr Cover zu “WAP” von Cardi B, umbenannt in “Nihmussy”, dass das “-Ussy”-Meme aufgreift, kann ich sehr empfehlen. Und auch ihre ernstgemeinten Songs sollte man nicht vernachlässigen! Vor allem die Alben “Carry me Home” und “Hate it Here” haben es mir angetan.

Zurück zu rave.dj. Aethel hat mit “Boof Pack x CPR” zufälligerweise einen Instant-Hit für seine Community geschaffen und auch Nihmune war begeistert. Sie überlegen sogar, ihn nur etwas anzupassen und dann als richtigen Crossover-Song herauszubringen. Das Remixen von rave.dj ist demnach zwar nicht perfekt, aber hat die BPM der beiden Songs angepasst und die Strophen und Beats so gut übereinander gelegt, dass man nur wenig ändern müsste, um einen nicen Remix zu haben.

Selbst habe ich noch nicht so viel mit rave.dj herum experimentiert, aber das Internet hat natürlich schon viel Arbeit geleistet. Erkundet gern die Seite und probiert es mal selbst aus und vielleicht bringt ihr ja einen neuen Sleeper-Hit zum Vorschein. Für mich tut sich mit all diesen komischen und neuartigen Liedern jedenfalls eine ganz neue Welt auf und man weiß bis man auf Play drückt nie, was einen erwarten wird. Auch wenn ich mir nicht immer so extrem viele Eindrücke wie Breakcore rund um die Uhr geben kann, freue ich mich jedes Mal darauf einen neuen Artist zu entdecken und gehe etwas bewusster mit meinem Medienkonsum um. Ob sich dieser ändern wird, wage ich zu bezweifeln, aber bisher fahre ich damit ganz gut und vielleicht konnte ich euch ja etwas von diesen wilden Entdeckungen mitgeben und ein bisschen eure Playlist erweitern.