Viele Websites haben heute, am 18.01.12, ihre Seiten abgedunkelt, um ihren weltweiten Protest gegen SOPA und PIPA zu verkünden. (Den „Stop Online Privacy Act“ und der „Protect IP Act“…moment…da habe ich jetzt etwas durcheinander gebracht…achja…“Stop Online PIRACY Act“ muss das heißen. Bitte das zu entschuldigen, kann man ja mal verwechseln.)

Während in den USA die Staatsmänner zusammen kommen, um abzustimmen, versinken große Teile des Webs in Dunkelheit. Obwohl „das ja eigentlich nur Amerika angeht“, sind, neben amerikanischen und internationalen Riesen wie Google,  Wikipedia,Wordpress, Yahoo, Facebook, AOL, uvw., auch einige deutsche Vertreter am Start. Ganz vorne die Grünen, sowie die Piratenpartei. Parallel laufen auf Twitter, G+ und Facebook die Diskussionen zwischen Supportern und Gegnern der Gesetzesentwürfe heiß. Einheitlich ist man dabei der Meinung, dass SOPA und PIPA der erste Schritt zu einem ganz anderen Internet sein könnte. Wie dieses Neue aussehen soll, die Sichtweisen, Rechtfertigungen und Argumente beider Seiten sind dabei jedoch äußerst vielfältig. Mit eines der schlagendsten Argumente wirft dabei die MPAA (Motion Picture Association of America) als maßgeblicher Gestalter der Entwürfe in den Ring, die ihre gesamte Vorlage damit verteidigte, dass es ja in China auch gut geklappt hätte. Ähm….ja….

Im Allgemeinen sehen SOPA und PIPA vor, deutlich mehr Macht in die Hand von Copyright-Inhabern zu legen, als das momentan der Fall ist. Während das keine schlechte Idee und geistiges Eigentum besonders in der Medienbranche ein kompliziertes Thema ist, geht es vor allem um die Maßnahmen und die fragliche Wirkung des Vorhabens, die die Gegner sturmlaufen lassen.

Was möchten SOPA und PIPA eigentlich tun?

Die Beschlüsse sollen regeln, dass Copyright-Verletzungen wesentlich „weiter“ definiert und stärker geahnded werden können. Damit gibt in (möglicher) Zukunft etwa ein Youtube-Video mit Radiomusik im Hintergrund einen Grund, ganz Youtube vom Netz zu nehmen, weil die Site dieses Video nicht direkt erkannt und gelöscht hat. Nicht nur sollen Websites sperrbar sein, sondern es soll auch möglich sein, die Tilgung jeglicher Links aus Suchmaschinen zu der Website in Frage zu erwirken. Sollte Youtube solchermaßen also „überführt“ werden, würde die Website mit allem Drum und Dran von Google, Yahoo und Konsorten „unlinked“ werden müssen (und das Alles innerhalb von 5 Tagen). Durch PIPA soll es außerdem möglich sein, Websites im Ausland (Amerikas), besonders Russland (.ru) und Tonga (.to), durch eine DNS (Domain-Name-System) Löschung über ihren Domain-Namen unzugänglich zu machen.

Was bedeutet das genau?

Im Grunde bedeutet es vor allem eine weitgreifende Umstrukturierung in Amerika. Websites, die vorher lediglich den ein oder anderen User-Content sperren mussten, sind nun direkt für ihren Inhalt verantwortlich. Besonders das Beispiel von Youtube dürfte klar machen, dass es sehr schwerlich möglich sein dürfte, den gesamten Content zu kontrollieren und kleine Verstöße schnell unternehmens-intern zu regeln, bevor jemand darauf aufmerksam wird. Auch geht es Suchmaschinen an den Kragen, die Links zu solchen Seiten nicht rasch löschen. Da viele der großen Internet-Unternehmen ihren Hauptsitz in Amerika haben, betrifft diese Problematik bereits eine Menge Adressen. Was das Vorgehen gegen copyright-problematische Angebote anderer Länder angeht, so ist kaum eine Wirkung feststellbar. Löscht man nämlich den DNS Eintrag einer Website, bedeutet dies, dass sie lediglich nicht mehr über ihren Namen erreichbar ist. Somit wäre etwa das Dispositiv nicht mehr über dispositiv.uni-bayreuth.de erreichbar. Jeder Server kann jedoch weiterhin über seine direkte IP angesprochen werden. So ist der Server der Medienwissenschaft etwa über http://132.180.108.67/ zu erreichen. Nachdem die Server selbst nach der Aktion weiterhin erreichbar sind, stoppt das die ernstzunehmenden Online-Piraten, jene die die großen Kostenprobleme der Medienindustrie verursachen, nicht im Geringsten. Vom gerissenen Privatanwender ganz abgesehen, der nach kurzer Recherche auch auf diesen Clou kommt und seine Filme weiter, dann eben über IP schaut.

Wo ist denn dann jetzt das Problem? Prinzipiell passiert doch nur in Amerika etwas!

Neben der Tatsache, dass Websites nun für user-generated Content verantwortlich gemacht werden können und ernsthafte Konsequenzen fürchten müssen, ist vor allem der Beispielcharakter erschreckend. Die Nation USA, „größter Friedens- und Demokratie-Lieferant der Welt“, vergibt Mittel, die der Industrie erlauben, Online-Inhalte zu zensieren. Wenn das auch in gewisser Weise „mit Recht“ geschieht, ist es dennoch eine Zensur. Besonders heftig kann das auch Formen der Meinungsäußerung treffen. Ergeht sich etwa ein Blogger über einen Film und verlinkt dazu beispielhaft einen Ausschnitt des Filmes, so kann dafür sein Blog gesperrt werden. Während das immernoch nicht „so wild“ scheint, ist dies jedoch Vorbild für andere, weit strengere Regime. So legt das Vorgehen aus „Copyright-Gründen“ nahe, etwa einen regime-kritischen Blog in einem diktatorischen Land zu schließen, weil dieser sich gerade über einen ebenso regime-kritischen Film Gedanken machte. Interessant sind auch die Nebenfolgen in zweiter und dritter Generation: Die meisten Server, die wirklich „copyright-bedenkliche“ Materialien über das Internet verbreiten, sind offene Proxy-Server, die eine Zwischenstation im Datenverkehr darstellen. Diese Server würden durch SOPA und PIPA unzugänglich gemacht werden. Genau diese Server sind es jedoch auch, die auf der gesamten Welt, erst kürzlich in Lybien und Syrien, genutzt werden, um Widerstandsbewegungen zu organisieren und die Rebellen im Web unkenntlich zu machen. Von anderen Staaten als den USA adaptiert, wären diese Server dann unter dem Deckmantel einer Copyright Verletzung von Regimen einfach angreifbar. Und das auch noch „mit Recht“.

Und die Moral von der Geschicht?

Ist wie immer schwierig. Letztendlich geht es bei den besagten Acts hauptsächlich um direkte Wirksamkeit in den USA. Während konkrete Auswirkungen davon in Europa tatsächlich kaum spürbar sein dürften, geht es vor allem um die implizierten Möglichkeiten, die ein solcher Vorreiter, gerade in den USA, schaffen könnte. Da die Kritik aus allen Rohren mittlerweile auch von ehemaligen SOPA/PIPA Supportern wie Sony und Nintendo geschossen wird, ist es tatsächlich momentan recht wahrscheinlich, dass die Gesetze so gar nicht durchkommen werden. Auch hat die Obama-Regierung mittlerweile verlauten lassen, dass der Präsident sein Veto gegen dieses Gesetz in der momentanen Form nutzen wird. Dennoch war das nicht das erste Mal, wenn auch ungleich größer als vergangene Versuche, sowie auch nicht das letzte Mal, dass eine solch drastische Forderung nach mehr Macht gegen Copyright Verletzungen hochkocht. SOPA/PIPA war erst der Anfang und es wird die Aufgabe der Menschen sein, zukünftige Bestrebungen in diesem Bereich weiterhin genau unter die Lupe zu nehmen.

Vielen Dank fürs Lesen. Weil das so lange war, gibts noch ein paar kleine Gimmicks, sowie Sources und „Zum weiterlesen…“ unten!

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