Die ersten Minuten von The Night Manager erinnern an James Bond: ein luxuriöses Hotel, ein gutaussehender Mann im Anzug, eine schöne Frau, Anzeichen für dubiose Machenschaften. Die ganze Ästhetik verspricht Unterhaltung. Aber in der vertrauten, wenn auch aufregenden Verpackung steckt mehr.
Jonathan Pine (Tom Hiddleston), der Nachtmanager eines Hotels in Kairo wird in ein Gewirr aus dunklen Geschäften hineingezogen, nachdem er vergeblich versucht, seine Geliebte vor ihrem gewalttätigen Partner zu schützen. Dieser ist jedoch nicht irgendwer, sondern der schwerreiche und mächtige Waffenhändler Richard Roper (Hugh Laurie), den der britische Geheimdienst schon seit Jahren im Visier hat. Stets konnte ihm nichts nachgewiesen werden, sehr zur Frustration der Geheimdienstmitarbeiterin Angela Burr (Olivia Coleman), die es sich zur Aufgabe gemacht hat, ihn zu Fall zu bringen. Sie wird auf Pine aufmerksam und rekrutiert ihn als Spion, der sich durch eine in Szene gesetzte Rettungsaktion das Vertrauen Ropers erschleichen und seine Machenschaften auffliegen lassen soll. Pine lebt ab diesem Zeitpunkt im engsten Kreis Ropers in dessen Haus, beginnt allerdings eine Affäre mit Ropers Freundin Jed Marshall (Elizabeth Debicki), was die ohnehin gefährliche Situation noch komplizierter macht.
Was sich als potenziell actionreicher, spannender Plot liest, der dem bekannten Schema Gut gegen Böse folgt, ist in erster Linie zwar auch genau das. The Night Manager geht jedoch sehr viel mehr unter die Haut, denn Richard Roper ist ein realistischer Bösewicht, hassenswert, skrupellos, aber erschreckenderweise menschlich, keine reine modern-märchenhafte Fiktion. Wir erfahren, woher sein Geld kommt und wessen Blut daran klebt, und es sind die Ärmsten der Armen. Sein Imperium gründet sich auf dem Leid der Wehrlosen, und die Stärke von The Night Manager liegt darin, dass die Serie es uns nicht bloß erzählt, sondern zeigt. Sei es ganz direkt, wenn vor den Augen Jonathan Pines ein Dorf zerstört wird, oder auch indirekt, wenn Angela Burr nicht einfach nur berichtet, welchen Verbrechens sie Zeugin wurde: Sie lebt dieses Trauma, es bestimmt jede ihrer Handlungen. Es ist das Schauspiel Hiddlestons and Colemans, das uns fühlen lässt, welches Leid und welchen Hass Roper in die Welt trägt, um sich persönlich zu bereichern. Die Charaktere fungieren als Übersetzer zwischen den Menschen, die aufgrund ihrer Armut und der Armut ihrer Länder zu Opfern werden, und deren Schmerz und Wut unermesslich größer ist als der Pines oder Burrs. Deren Schmerz so groß ist, dass wir ihn anders nicht begreifen könnten.
All das spielt sich ab vor atemberaubenden Kulissen, die filmisch sehr gekonnt in Szene gesetzt werden: Ein Luxushotel in Kairo, eines hoch in den Alpen, die sonnige Privatinsel Ropers inklusive Villa… Es fühlt sich an, wie ein Hochglanzmagazin zu durchblättern. Und wann immer wir uns dabei ertappen, all den Prunk und die Schönheit zu bewundern, uns auf diese Insel zu sehnen, wird uns in Erinnerung gerufen, wer den Preis für die Idylle zahlt. Die Mischung ist gerade richtig: Genug Augenschmaus, um die Serie genießen zu können, genug Schuldgefühle, um ihre Botschaft zu verstehen. Und niemals, nicht für einen Moment, die Sorglosigkeit, die wir mit Reichtum bisweilen assoziieren. Glück kann man nämlich nicht kaufen.
Aber keine Sorge, bei aller Ernsthaftigkeit ist The Night Manager doch eben auch ein bisschen James Bond: Spannend, sexy, schnell. Und dadurch, dass unser Held nicht zu den Wehrlosen und Schwachen gehört, hat er zumindest eine Chance, gegen Roper anzukommen. Bis zuletzt dürfen wir hoffen, dass ihm das Unmögliche gelingt. Diese Hoffnung wird als Kontrast gegen das Unrecht so gekonnt ausgespielt, dass The Night Manager nicht nur nachdenklich, sondern auch richtig Spaß macht.
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