„Diese Serie ist so gut, das glaubst du gar nicht!“ -„Jaja…“
Viele von uns dürften so einen Gesprächsverlauf auf die ein oder andere Weise schon einmal erlebt haben. Wir kennen es von Freunden, aus Zeitschriften oder aus dem Internet: sobald etwas Neues am Horizont der Unterhaltungsindustrie erscheint, wird mit Superlativen um sich geschmissen, als gäbe es kein Morgen mehr. Jene Serie sei doch besser als Alles, was man zuvor gesehen habe, Film XY würde doch auf jeden Fall die Art des Fernsehens revolutionieren, und wie könne man es denn eigentlich wagen, die neuste Staffel von [Hier bitte Game of Thrones, Breaking Bad, The Walking Dead, etc. einfügen] noch nicht gesehen zu haben?
Dabei führen diese, fast schon fanatischen, Lobeshymnen oft zum Gegenteil des eigentlich Gewünschten. Anstatt interessiert einzuschalten, wird die Serie mit einem „Jaja, bestimmt ist das so gut…“ abgeschrieben und als überbewertet oder (die anscheinend schlimmste Bezeichnung unserer Zeit) mainstream abgehakt. Durch diese Form der Abwehrreaktion verpassen wir jedoch auch viele Serien und Filme, die diese Lobeshymnen wirklich verdient haben. Um ein Haar wäre es mir bei Rick & Morty genau so ergangen, als ich die ersten überschwänglichen Stimmen hörte, die diese Serie nahezu in den Himmel lobten. Das in diesen Kritiken immer wieder Zurück in die Zukunft erwähnt wurde, verschlimmerte die Sache noch. Diese Serie wagte es Doc Brown und Marty McFly in eine Zeichentrick Kalauer Serie im Stile von Family Guy zu packen? Wie kann das bitte gut sein? Es kann. Und wie.
Show me what you got!
Was in den ca. zwanzig Minuten einer Folge Rick & Morty über den Bildschirm flimmert, lässt sich nur schwer in Worte fassen. Grundsätzlich sind Dreh- und Angelpunkt in jeder Episode die Abenteuer der beiden titelgebenden Hauptfiguren Rick Sanchez und Morty Smith. Diese sind tatsächlich an die Protagonisten der Zurück in die Zukunft Reihe angelehnt, haben bis auf ihr Aussehen und den Namen (Marty wird zu… Morty) ansonsten jedoch wenig mit ihnen gemeinsam.
Bei den Abenteuern der beiden wird nämlich nicht durch die Zeit gereist, dafür andere Dimensionen besucht, gegen Aliens gekämpft, fremde Planeten erkundet, die Apokalypse abgewendet etc. So weit, so Sci-Fi Standard.
Was die von Dan Harmon (Community) und Justin Roiland (Adventure Time, Gravity Falls) produzierte Serie dabei jedoch auszeichnet, ist die schier unendliche Kreativität, die hinter jeder Folge zu stecken scheint und die originellen Charaktere. Rick zum Beispiel ist ein alkoholabhängiger, egoistischer, dauerfluch – und rülpsenden Wissenschaftler, der mal eben das Überleben der Menschheit riskiert, um sich ein paar Snacks aus der Nachbardimension zu holen. Einfach weil er es kann. Für die meisten seiner Experimente und Expeditionen, darf ihm dann (oft unfreiwillig) sein Neffe Morty als Assistent dienen. Fährt die Serie in den Parts, die den Alltag der Familie Smith darstellen, auf Humor-Ebene noch mit leicht angezogener Handbremse, tritt sie richtig aufs Gas, sobald die Experimente und Expeditionen beginnen. Rick and Morty strotzt nur so vor frischen Ideen und obskuren Einfällen um das Sci-Fi Genre zu zelebrieren und zu parodieren. Dabei werden Genre-Klischees ad absurdum geführt, wie etwa das Szenario der Alien Bedrohung, die sich hier als intergalaktische Castingshow herausstellt, Popkultur von Ghostbusters über Garfield bis The Purge referiert und in einer Tour visuelle Gags abgefeuert, dass es einem unmöglich macht, jeden Witz und jede Anspielung bei der ersten Sichtung zu entdecken. Dabei wirkt der Humor nie aufgesetzt, nie gezwungen und verkommt nie zu bloßen Kalauern.
I wanna see what you got!
Doch Rick and Morty hat mehr zu bieten, als schlicht lustig zu sein. Die Charaktere sind schön ausgearbeitet und wachsen einem im Verlauf der zwei Staffeln richtig ans Herz. Das liegt vor allem an der guten Vertonung. Egal ob Justin Roiland als vom Nihilismus zerfressener Rick und (!!!) als naiver, leicht dümmlicher Morty, Spencer Grammer als dessen Schwester Summers oder Sarah Chalke (Elliot aus Scrubs), als an ihrer Ehe mit Vollversager Vater Jerry (Chris Parnell) zweifelnde Beth. Alle Sprecher verleihen ihren Charakteren Glaubwürdigkeit und Tiefe, wodurch die Familie Smith selbst in den absurdesten Situationen der 21 Folgen sympathisch und zutiefst menschlich rüberkommt.
Überhaupt ist es die Charaktertiefe, die Rick and Morty angenehm von anderen Cartoons a la Futurama oder die Simpson abhebt. Rick etwa ist mit Abstand der intelligenteste Mensch des Planeten, doch trotz seines Genies, ist er zynisch und leidet unschwer erkennbar an Depressionen, die er im Alkohol zu ertränken versucht. Es werden Themen wie Selbsthass, Egoismus aber auch Aufopferung für die Familie aufgegriffen, wobei einem schon einmal das Lachen im Halse stecken bleiben kann. Die Charaktertiefe reicht dabei zwar nicht ganz an die Klasse eines Bojack Horseman heran, aber das will sie auch gar nicht. Kennzeichnend für den Humor und die Glaubhaftigkeit der Charaktere ist nämlich, dass viele der Dialoge zu einem großen Teil improvisiert werden.
„Yeah, it’s got an almost improvisational tone…“- Rick Sanchez
Normalerweise werden bei Zeichentrick Serien die Dialoge als letztes aufgenommen, nicht aber bei Rick and Morty. Hier dürfen als erstes die Sprecher ran, bevor auch nur ein einziges Bild gezeichnet wurde. Dadurch haben die sie die Möglichkeit, sich kreativ auszutoben und zu improvisieren. Gefällt das Gesagte den Produzenten, wird der Gag in die Serie übernommen. Das verleiht dem Ganzen eine gewisse Authentizität, wenn zum Beispiel Morty auf einen Schwall von komplett erfundenem Sci-Fi Gebrabbel nur mit einem verwirrten Stottern antwortet. So entstehen aber auch viele der anarchischen Gags der Serie, wie etwa „Alien Invasion Mexican Armada Brothers who are just regular Brothers Running in a Van from an asteroid and all sorts of things – the Movie“. Das ist nicht nur einer der kreativsten und längsten Filmtitel überhaupt, sondern wird gleich als Steilvorlage genutzt, Rick die vierte Wand brechen zu lassen, indem er kommentiert, dass das ganze schon sehr improvisiert und an den Haaren herbeigezogen wirke.
You gotta get…philosophical?
Dem gewillten Zuschauer offenbart sich zwischen all den Witzen und Popkultur Anspielungen aber noch eine weitere Ebene. Roiland und Harmon scheuen sich nicht, des Öfteren auch wirklich tiefsinnige Themen anzusprechen bzw. zu -deuten. Ganz im Sinne klassischer Sci-Fi Filme behandeln sie existenzielle Fragen des menschlichen Seins. Fragen, wie nach dem Sinn des Lebens, der Bedeutung unserer Existenz oder unserer Stellung im Universum. Was zum Beispiel ist ein Menschenleben wert, wenn es diesen Menschen unendlich oft, in unendlich vielen Dimensionen gibt? Würde man es fertig bringen sich selbst zu begraben, falls einer dieser Versionen stirbt? Oder gäbe es andere, die sogar versuchen würden diese Versionen umzubringen, um die einzige, definitive Form seiner selbst zu werden? Was, wenn unser ganzes Sein darauf reduziert werden könnte jemandes Autobatterie zu betreiben?
Die philosophischen Elemente sind in die Handlungsstränge miteingearbeitet und gleichen daher eher einer Philosophie-Stunde auf Space-LSD als einem trockenen Diskurs.
Fazit
Rick and Morty ist eine außergewöhnliche Serie. Mit, für eine Cartoon Serie, ungewöhnlich tiefsinnigen Charakteren, wird hier eine kreative Bombe zum Platzen gebracht, die in Sachen Humor und Intelligenz ihresgleichen sucht und sowohl zum Lachen, als auch zum Nachdenken anregt. Großartig in jeder Dimension. Lobeshymnen verdient. Schwifty!
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