Der Sommernachtstraum – ein all time favorite, sei es im Englischunterricht, beim Schul-, Laien- oder Profitheater. Kaum ein Werk von Shakespeare ist so bekannt und so oft gespielt worden, und doch wird es nie langweilig ihn zu sehen, da er so vielfältig interpretierbar ist und jeder Regisseur andere Schwerpunkte setzen kann.
In der Studiobühne Bayreuth proben seit Ende März 18 Darsteller mit Regisseurin Marieluise Müller an einer solchen Interpretation. Vor 33 Jahren hatte sie schon einmal den Sommernachtstraum in der Studiobühne inszeniert, ebenfalls für das Freilichttheater in der Eremitage. Gerade deshalb findet sie es sehr spannend, nach so langer Zeit erneut an das gleiche Stück heranzutreten:
Wenn ich mich mit einem Stück beschäftige, dann ist meine erste Frage: Wo ergreift mich was, wo fasst mich was an. […] Es ist so viel passiert in drei Jahrzehnten, dass ich selber auch neugierig war: Wenn ich ihn jetzt lese, weil ich ihn inszenieren möchte, was ist es jetzt, was mich da berührt? Und es sind tatsächlich andere Schwerpunkte als vor über dreißig Jahren. (Marieluise Müller, persönliches Gespräch, 19.05.2016)
Müller findet diesmal ihren Schwerpunkt gleich zu Beginn, im Text des Fürsten Theseus:
Hippolyta! Ich habe mit dem Schwert um dich geworben, Leid dir angetan. (William Shakespeare, Ein Sommernachtstraum, Textfassung: Marieluise Müller)
Die Amazonenkönigin Hippolyta wird so als Kriegsgefangene gedeutet, die nun gezwungen ist, den Fürsten zu heiraten – das Stück geht also aus einem Krieg hervor. Doch niemand scheint aus diesem gelernt zu haben, sowohl Menschen als auch Geister zanken sich weiterhin und sind nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Daraus folgt auch, dass Pucks Motivation keinesfalls nur Spaß ist, viel mehr möchte er den Menschen boshaft eine Lehre erteilen. Er ist zwar Oberons Diener, handelt hier jedoch trotzdem eigenmächtig.
Der berühmte Esel
Eine weitere Besonderheit ist die Verwandlung von Klaus Zettel in einen Eselskopf, in den sich dann die verzauberte Elfenkönigin Titania verliebt. Diese Verwandlung wird von Müller durch einen Geschlechtertausch gezeigt:
Ich habe mir überlegt, wie man für Titania mal was anderes bringen könnte als immer den berühmten Esel, […] dadurch kam ich dann auf eine andere Schiene, nämlich dass alle Geister Männer sind, dass auch Titania ein Mann ist und dass Oberon und Titania eben ein männliches Paar sind, und dass Puck sich dann ausdenkt, wenn ich dem statt Männer Frauen ins Bett zaubere, das muss dann ein ganz schlimmes Erwachen für ihn geben. Dadurch wurden dann folgerichtig die Handwerker zu Handwerkerinnen und ich dachte, dem Titania nur eine Person ins Bett zu legen ist mir zu wenig, deswegen werden dann alle Handwerkerinnen in Männer verwandelt. (Marieluise Müller, persönliches Gespräch, 19.05.2016)
Auch das Ende soll sich von der üblichen, verträumt-kitschigen Variante unterscheiden. Es gibt, so viel sei verraten, kein Happy End am Hofe des Fürsten.
Betten, Barock und eine Rockerbande
Das alte Ruinentheater der Markgräfin Wilhelmine, welches die Bühne für den Sommernachtstraum bietet, wollten die Regisseurin und ihre Bühnenbildnerin Ruth Krottenthaler nicht nur als Mittel zum Zweck nutzen, sondern auch in das Stück mit einbeziehen. Der Hof des Fürsten sowie auch die Handwerkerinnen sind daher im 18. Jahrhundert angesiedelt, die Kostüme pompös mit gepuderten Perücken, “Athen“ wurde im Text kurzerhand zu “Bayreuth“ umgewandelt. Die Trennung zur Geisterebene ist somit auch eine zeitliche, denn Puck und seine Elfenkollegen entspringen der Jetztzeit und wirken wie die Hells Angels ohne Motorrad – sie sind eher furchteinflößende, maskuline Kobolde als süße, geflügelte Elfchen. Fürs Bühnenbild war man sich einig, nichts illustrativ zu gestalten:
Wir wollten auf der Bühne Dinge haben, die normalerweise nicht in der Natur rumstehen. Dann haben wir uns gefragt, worum geht es denn eigentlich? […] Also im Grunde genommen geht es um lauter Liebesgeschichten, um Hochzeiten, eigentlich um Bettgeschichten und daraufhin haben wir uns entschlossen, die ganze Bühne mit Betten vollzustellen. Auf der anderen Seite ist der Sommernachtstraum aber auch ein Märchen für Erwachsene, und Betten sind schließlich auch der Ort, wo Kinder abends vorm Schlafen gehen noch ein Märchen erzählt bekommen. (Marieluise Müller, persönliches Gespräch, 19.05.2016)
Die heiße Phase
Aktuell befindet sich Müllers Ensemble in der Endprobenzeit, die Premiere am Samstag ist bereits zum Greifen nah. 18 Spieler investieren viel Zeit und noch mehr Herzblut in dieses Projekt, das für fast alle nur ein Hobby neben ihrem eigentlichen Beruf ist.
Gerade bei einem so großen Stück mit 18 Spielern und 60 Kostümen ist es fast ein kleines Wunder, dass es tatsächlich funktioniert, professionell mit Menschen arbeiten zu können, die tagsüber ganz was anderes machen. Ich empfinde es als ein hohes Glück, dass in unserer Gesellschaft sowas möglich ist, dass so viel Engagement und so viel Liebe zum Theater da eine kleine Welt erschafft, die dann für ein paar Wochen besteht. Ich hoffe, dass sich das dem Zuschauer auch ein bisschen mitteilt. (Marieluise Müller, persönliches Gespräch, 19.05.2016)
Bleibt also nur zu hoffen, dass das Wetter seine Rolle genauso gut spielt wie alle anderen auch.
INFO: Ein Sommernachtstraum – von William Shakespeare
http://www.studiobuehne-bayreuth.de/sommernachtstraum.html
Premiere am 4. Juni 2016; weitere Aufführungen am 9., 11., 14., 17., 18., 22., 23., 25., 28. Juni und am 5., 12., 14., 16. und 17. Juli, jeweils um 20 Uhr. Karten gibts an der Theaterkasse Bayreuth.
Regie: Marieluise Müller
Assistenz: Jana Winterhalter
Bühne/Kostüme: Ruth Krottenthaler
Musik/Licht/Ton: Ronald Kropf
Maske: Andrea Ferri
Die Besetzung:
Theseus – Michael Pöhlmann
Hippolyta – Birgit Franz
Egeus – Hans-Jürgen Honikel
Lysander – Jonas Irmler
Demetrius – Florian Benelli
Hermia – Michaela Bachhuber
Helena – Alix Hofmann
Squenz / Petruschka – Birgit Franz
Schnock / Franziska – Nadine Jachmann
Zettel / Nicoletta – Gabriela Paule
Flaut / Theresa – Ute Schlüchtermann
Schnauz / Amalie – Michaela Schoberth
Schlucker / Margareta – Bibi Bialas-Müller
Oberon – Lukas Stühle
Titania – Tim Sokollek
Puck – Jürgen Fickentscher
Bohnenblüte – Michael Pöhlmann
Spinnweb – Toni Kreyßig
Motte – Robert Reihl
Senfsamen – Hans-Jürgen Honikel
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