Diesen Augenblick zu erreichen hat einige Zeit gekostet. Vor zwei Wochen war ich bei Oma und Opa zu Besuch. Auf dem Heimweg war mein Rucksack (und auch ich) schwerer als vorher und das nicht nur wegen dem ganzen Essen, das ich nicht ablehnen konnte. Im Rucksack befinden sich alte, analoge Kameras. Sie sind nur im Keller verstaubt und ich verspüre Lust, neue, beziehungsweise alte Wege in der Fotografie zu beschreiben. Neben Viktor fanden sich im Laufe der nächsten Zeit noch drei weitere Kommilitonen, die sich bereit erklärten, einen Kurs zur analogen Fotoentwicklung mit Herrn Geister zu besuchen.
Eine Woche vorher treffe ich mich mit Viktor und gemeinsam kauft jeder einen analogen Film. Für ungefähr acht Euro gar nicht mal so günstig, aber man macht das ja auch nicht alle Tage. Wir laufen durch Bayreuth und knipsen, was uns würdig erscheint. Dabei ist es sehr ungewohnt, nicht sofort das Bild auf dem nicht vorhandenen Bildschirm betrachten zu können. Wir sind ohne Belichtungsmesser unterwegs, haben nur am Anfang zwei Testbilder mit der Digitalkamera gemacht und nutzen diese Einstellungen. Die Hoffnung, dass das ausreicht ist alles, was wir haben. Bei gerade mal 36 Bildern überlege ich mehr als sonst, ob ich ein Motiv ablichte, nicht doch noch einmal die Position ändere, oder lieber einen anderen Ort aufsuche. Am Ende haben wir die beiden Filme voll und sind erst einmal zufrieden.
Am folgenden Wochenende wird es dann spannend. Treffen am Geschwister-Scholl-Platz in der Dunkelkammer, die zu Beginn gar nicht dunkel ist. Herr Geister begrüßt uns und nach einer kurzen Zusammenfassung über die Geschichte der Fotografie und die aufblühende Retrobewegung gehen wir gemeinsam den Prozess der Filmentwicklung durch. Ich muss den Film also bei völliger Dunkelheit aus seiner Hülle holen, abrollen, abreißen und dann auf eine Spule wickeln. Die Entwicklung selbst in einem Behälter hört sich für mich relativ einfach an. Doch alles andere ohne zu sehen auszuführen, das ist interessant und vielleicht auch ein wenig beängstigend. Zunächst üben wir bei Licht mit altem Filmmaterial. Doch schon bald erklären wir uns bereit, in die heiße Phase überzugehen. Noch ein kurzer Check, ob alles, was ich brauche am richtigen Ort liegt, dann geht das Licht aus und es gibt kein zurück mehr.
Und da sitze ich jetzt. Beim nächsten Versuch klappt es. Ich bin drin. Langsam und vorsichtig fange ich an, den Film auf die Spule zu wickeln. Zum Glück habe ich den Anfang richtig abgeschnitten, weshalb er kaum hängt, sondern sich relativ gleichmäßig transportieren lässt. Bald bin ich fertig. Jetzt noch in den Behälter, warten bis Viktors Spule auch drin ist, Behälter zu und nachdem die anderen fertig sind, wird das Licht wieder eingeschalten. Zu Beginn war diese Phase spannend, gegen Ende wurde es eher meditativ und angenehm, einfach im Dunkeln zu sitzen, den Geräuschen der anderen zu lauschen und ab und zu eine Statusmeldung (mündlich) mitzubekommen.
Während der Film durch Drehung im Behälter langsam entwickelt, unterhalten wir uns über die bisherigen Ereignisse und hoffen, dass nicht alles umsonst war.
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Es ist soweit. Ich gieße den Entwickler aus, wässere kurz und öffne den Deckel. Die obere Spule gebe ich Viktor, die andere nehme ich. Der Film sieht schwarz aus. Habe ich irgendwas nicht richtig gemacht? Nein, beim Abwickeln sehe ich schon einige bekannte Orte und weiß: Es hat geklappt. Der erste Tag ist nun vorbei. Während wir – natürlich nach ausgiebiger Begutachtung der Negative auf dem Lichttisch (siehe rechts) – nach Hause gehen, trocknen die Filmstreifen und warten auf die Entwicklung.
Am nächsten Tag treffen wir uns vormittags erneut. Ich wähle das erste Bild aus und nach einer kurzen Einweisung geht es auch schon los. Nun schalten wir das bekannte rote Licht an, das anders als normales Licht das Fotopapier nicht belichtet. Ich würde zwar gerne gleich das erste Bild komplett entwickeln, allerdings weiß ich ja gar nicht, wie lange ich das Fotopapier entwickeln muss. Deshalb nutze ich zuerst nur einen Streifen, der in verschiedenen Abschnitten unterschiedlich lange belichtet wird und wähle die Zeit, die meiner Meinung nach das beste Ergebnis liefert.
Jetzt kommt das ganze Bild dran. Bildgröße an das Papier anpassen, Zeit einstellen und nach einem kurzen Check mit Viktor, der hinter mir sitzt, drücke ich auf den Startknopf. Doch ich habe die rote Folie des Vergrößerungsgeräts nicht weggeklappt, also gleich nochmal.
Obwohl ich nichts erkennen kann, schlummert nun eine Projektion des Negativs in der chemischen Schicht des Fotopapiers.Ich begebe mich in den Nebenraum und lasse das Stück Papier in die dafür vorgesehene Wanne gleiten. Es tut sich nichts. Ich warte. Und warte. War da nicht was? Im roten Licht lässt sich das nicht so gut erkennen. Doch. Da. Ein wenig Schwarz, das sich ausbreitet und Schemen bildet. Nun kann ich das Bild erkennen. Es wird schwärzer. Tief über die Wanne gebeugt, versuche ich im schummrigen Licht zu erkennen, wann das Schwarz wirklich schwarz ist und das Weiß noch nicht grau wird. Jetzt sollte es genug sein. Mit der bereitliegenden Zange hebe ich das Bild, das nun endlich auch als solches zu erkennen ist, zuerst ins Stoppbad und danach ins Wasserbad. Mein erstes analoges, mühevoll erarbeitetes Bild ist fertig.
Ungefähr zwanzig Bilder und acht Stunden später verlassen wir die Dunkelkammer. Ein wenig erschöpft aber glücklich, diese „Reise“ unternommen zu haben und mit Bildern, die nicht einfach mit tausenden anderen in einem Ordner landen, sondern mit Bildern, die ich meinen Freunden zeigen kann und auf die ich stolz bin. Auch wenn die digitale Fotografie sehr viele Vorteile bietet, hat die analoge ihren ganz eigenen Charm und durch die längere Zeit, die von der Aufnahme bis zur Entwicklung verstreicht, und die reingesteckte Arbeit haben die Bilder auch einen sehr hohen emotionalen Wert.
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