Gamescom Tag 2
An zweiten Tag haben wir uns auf das Herz der Messe konzentriert: Die Videospiele. Dabei haben wir nicht nur die großen Titel betrachtet, sondern auch kleineren Spielen eine Chance gegeben. Hier findet ihr nun eine Auswahl der von uns gespielten Titel. Bei den Texten handelt es sich um unsere subjektiven Erlebnisse.
Robins Erlebnis
Star Wars: Battlefront
Morgens halb zehn auf der Gamescom: Vor mir befinden sich rund 60 Besucher. Lange werde ich nicht mehr warten müssen.
„Rebellen, bitte antworten!“ Auf dem Bildschirm neben mir erblicke ich Admiral Ackbar. „Hört mich jemand?“ Während ich langsam in der Warteschlange für Star Wars: Battlefront vorrücke, fährt Ackbar fort und erklärt den Spielmodus. So nähern sich zwei AT-ATs mitsamt einer imperialen Eskorte. Die beiden Schlachtpanzer müssen von den Rebellen ausgeschaltet werden, doch mit einfachen Lasersalven komme man hier nicht weit. Um ihnen etwas entgegensetzen zu können, müssen Knotenpunkte, Uplinks genannt, geöffnet und gehalten werden. Nur dann kann sich die rebellische Luftflotte, die unter anderem aus T-47 Luftgleitern besteht, um die ungebetenen Gäste kümmern. Sobald die AT-ATs fallen, haben die Rebellen die Schlacht gewonnen. Der Modus heißt Walker Assault; gespielt wird 32 gegen 32.
Doch als die Partie startet, finde ich mich nicht bei den Rebellen, sondern auf Seiten der imperialen Truppen wieder. Auf dem Eisplaneten Hoth ist es nun unsere Aufgabe, die AT-ATs vor den Rebellen zu beschützen. Das machen wir in erster Linie durch das Beschützen der Uplinks, die unsere Gegner mehrfach aktivieren. Oder besser: Sollten wir so machen. Ich renne stattdessen planlos durch die Gegend, schieße mit Mörsergranaten um mich, überhitze mein Lasergewehr und springe dank meines Jetpack-Powerups stoßartig durch die Gegend. Doch schon kurz darauf sammle ich erste Erfolge, schneide den ebenfalls planlosen Rebellen den Weg ab und mache meinen ersten Kill. Und werde abgeschossen.
Neueinstieg, wildes Geballer, Gegner fallen, ich auch. Respawn. Ich lerne meine Powerups richtig einzusetzen, die ich als Dreierpack vor jedem Neueinstieg auswählen kann. Ich renne zu den gehackten Knoten und behaupte mich in Deckung gegen eine Reihe von Rebellen. Währenddessen klingt eine altbekannte Star-Wars-Melodie im Hintergrund. Mit meinem zweiten Set Powerups schaffe ich es dank Zielsuchraketenwerfer sogar, die feindlichen T-47 Gleiter abzuwehren, die ein EMP-Drahtseil um unsere AT-ATs wickeln wollen. Und so schalten unsere beiden Giganten, die während der Schlacht eigenständig vorrücken, am Ende der Eskorte die Hauptziele aus. Sieg!
Die Parallelen zu Entwickler Dice hauseigenem Titel Battlefield 4 lassen sich kaum von der Hand weisen. Auch der gespielte Modus erinnert anfangs an Rush, mit dem Unterschied, dass hier eigentlich die Angreifer ihre Uplinks und AT-ATs verteidigen und die Verteidiger ebenjene kontrollieren beziehungsweise zerstören müssen. Dank umgekehrter Spielweise, neuem Settings, neuartiger Fahrzeuge und diverser Power-Ups hat sich das Match sehr erfrischend gespielt.
Dark Souls 3
Eine Wurzel, dünn und fein, ragt langsam in die Höhe, wird zu einem Stumpf, einem Zweig, dann zum Knochen und endet als Skelett. Vor den obskuren Objekten knien Untote nieder und beten. Ich selbst befinde mich dahinter, umgeben von einer gigantischen Burg, während ein gelb-grauer Nebel den Himmel verdeckt. Und sogleich fühle ich mich ins Königreich Boletaria zurückversetzt, einer der Schauplätze aus Demon’s Souls. Auch mein Wanderritter erinnert mich optisch an den ersten Teil der Souls-Reihe, mittlerweile natürlich grafisch hübscher. Staunend betrachte ich die düstere Welt von Dark Souls 3, während ich langsam die Stufen hinabsteige und ein Leuchtfeuer entfache.
Danach begegne ich meinen ersten Gegnern, ebenjene Untote, die sich um die seltsamen Bäume gescharrt haben. In gewohnter Manier kombiniere ich leichte und schwere Schläge, rolle meinen Ritter zur Seite und blocke Angriffe mit meinem Schild ab. Nach dem Kampf ein Estus Flakon ─ geheilt. Wer bereits einen Souls-Teil gespielt hat, findet sich mit der Steuerung und dem Gameplay sofort zurecht. Auch wenn sich das Tempo seinem geistigen Vorgänger Bloodborne angenähert zu haben scheint, denn die Kämpfe laufen etwas flotter ab.
Nach ein paar vergleichsweise einfach zu bezwingenden Untoten kommt mir nun auch ein größerer Axträger entgegen. Ich rolle mich zur Seite, doch er hat seinen Angriff verzögert. Wuchtig schlägt sein kaltes Eisen zu und raubt mir einen Batzen Lebensenergie. Wieder aufrappeln, Schild gezückt, Schläge kombinieren, heilen ─ Es braucht keine fünf Minuten und ich spüre wieder das altbekannte Souls-Feeling. Harte Kämpfe und vorsichtiges Erkunden zählen dabei zu den Hauptmerkmalen der Serie. Die hübsche Optik und das gelungene, düstere Design lassen mich in der Welt versinken. Dann plötzlich: Bass. Viel Bass. Ein penetranter Lärm in Form eines japanischen Songs zwängt sich in meine Ohren. Auf der Bandai-Namco-Bühne vor mir läuft ein Eröffnungsvideo. Au revoir Atmosphäre.
Vom Spielspaß hat mir der Zwischenfall natürlich nichts genommen. Schließlich habe ich meine volle Aufmerksamkeit dem Verhalten der Gegner widmen müssen, denn selbstverständlich ist Dark Souls 3 bereits in der Demo bockschwer. Viel Neues habe ich hingegen nicht entdeckt, es könnte sich auf den ersten Blick genauso gut um eine aufpolierte Erweiterung der früheren Teile handeln. Trotzdem funktioniert die Mechanik nach wie vor hervorragend. Ich hätte wohl auch noch auf das zehnte Souls-Spiel Lust, solange es mir eine neue und spannende Spielwelt bietet, die sich zu erforschen lohnt.
Mighty No. 9
Roboter drehen durch, der US-Präsident spricht eine landesweite Warnung für alle Staaten aus und Chaos regiert die Städte. Beck, ebenfalls Roboter, soll’s richten und schießt sich nach Anweisungen eines gewissen Professor White durch die Roboterhorden. Soweit zum Plot von Mighty No. 9, der in meiner Spieldemo von den freundlich-flapsigen Charakteren im Comic-Look erzählt wird. Kurz noch das Tutorial: Mit dem linken Stick von links nach rechts laufen, feuern mit B und springen mit A. Dann wirft das Spiel mir den ersten Gegner vor die Füße, den ich mit einer Schusssalve kampfunfähig mache. Doch ich eliminiere ihn erst, als ich durch Drücken eines Triggers durch ihn hindurch spurte und Beck ihn so absorbiert. Klingt alles banal? Wohl kaum. Denn hinter dem Spiel steckt kein geringerer als Keiji Inafune, der maßgeblich an der Entwicklung der Mega-Man-Serie beteiligt war. Und die Mega-Man-Parallelen merkt man Mighty No. 9 sofort an.
Nachdem ich den ersten Gegner besiegt habe, kommen fliegende Gegner dazu. Jetzt muss ich Sprung und Schuss kombinieren. Anschließend schleudert ein Roboter Granaten auf Beck. Ich lerne auszuweichen. Ein Gegner mit Schild lehrt mich, dass Angriff nicht immer die beste Verteidigung ist. Nach und nach lerne ich so die vermeintlich einfache Mechanik des Spiels kennen und versuche bald darauf Combos aufzubauen. Das gelingt mir beispielsweise durch das Betäuben zweier Gegner, die ich anschließend mit einem einzigen Dash ausschalte. Meinen Spurt kann ich auch in der Luft einsetzen und weiche so gegnerischen Angriffen aus und überwinde große Abgründe.
Im Laufe des Levels kommen immer komplexere Mechaniken dazu, wie das Klettern an Wänden. Verschiedene Kombinationen von fliegenden und rennenden Gegnern machen mir das Leben schwer. Doch gleichzeitig möchte ich in Bewegung bleiben, den Flow beibehalten. Nach einer Kombination aus Geschicklichkeits- und Kampfpassagen steht mir schließlich ein besonders großer Roboter gegenüber. Ein kurzer Zoom mit Hintergrundwechsel und Namenseinblendung verrät mir: Das ist der Boss für diesen Level. Ich gebe Dauerfeuer, versuche dabei, den Angriffen auszuweichen und nutze meinen Spurt, um den von oben herabfallenden Felsen zu entfliehen. Dann der finale Angriff ─ eine kurze Zwischensequenz, in der Beck seine Energie sammelt ─ und der Sieg. Nach rund 10 Minuten hat mich das Jump’n’Run bereits vollends angefixt. Die einfache Steuerung und die immer komplexer werdende Spielmechanik machen schnell Lust auf mehr. Der fertige Titel soll jedoch erst 2016 erscheinen.
Pauls Erlebnis
Heute begebe ich mich in die Halle 10. Hier ist nämlich die „Indie Megabooth“ aufgebaut. Diese bietet allerlei unbekanntere Titel von kleineren Teams. Hier ist für jeden Geschmack etwas dabei. Als ich ankomme scheint mir, dass der Stand deutlich mehr Zuspruch bekommt, als die letzten Jahre. Ich flaniere durch die Stände und habe euch vier sehr unterschiedliche, aber gleichermaßen vielversprechende Spiele aus dem Indie-Wald gesucht.
Future Unfolding
Future Unfolding ist bisher mein persönliches Highlight der Messe. Als ich am Stand von Spaces of Play vorbei komme erregt das Spiel sofort meine Aufmerksamkeit. Mit einer Ästhetik, die ein wenig an Proteus (2013) erinnert zieht mich Future Unfolding sofort in seinen Bann. Hierbei wollen die Entwickler aus Berlin die Magie der alten Zelda-Spiele wieder zum Leben erwecken, da sie von der Linearität der neueren Titel der Reihe etwas enttäuscht waren. Deshalb steht in Future Unfolding das Erkunden seiner Möglichkeiten im Vordergrund des Gameplays. Hierbei soll das Spiel aber kein klassisches Adventure-RPG, sondern eine künstlerische Hommage an ebenjene Reihe werden.
Leider muss ich sagen, dass Future Unfolding kein Messetitel ist. Das Dispositiv muss für dieses Spiel meiner Meinung nach ein ruhiges sein. Wie auch schon in den Spielen von thatgamecompany ist Future Unfolding ehr als Erlebnis als als Spiel zu verstehen, weswegen es zusätzlich zur Gamescom auch auf dem Not Games Fest (ebenfalls in Köln) ausgestellt wird. Übrigens hat Future Unfolding das Potential vom Niveau her mit Journey und Co. gleichzuziehen oder diese Spiele gar zu übertreffen, auch wenn das eine schwierige Aufgabe ist.
Earth Core
Earth Core ist ein digitales CCG, welches neben gigantischen Konkurrenten wie Hearthstone und Hex ein wenig untergegangen ist. Dabei punktet dieses Spiel dort, wo es meiner Meinung nach für CCGs am wichtigsten ist: In der Spielmechanik. Diese ist auf den ersten Blick sehr simpel: Es gibt drei Elemente, die sich gegenseitig kontern, ganz nach dem Schere-Stein-Papier-Prinzip. Einfach gesagt: Eine Wind-Karte wird immer gegen eine Wasser-Karte gewinnen, egal wie stark die Wasser-Karte ist. Karten haben also keine Kampfstärke, wie es in CCGs üblich ist. Interessant wird das System dadurch, dass jede Karte einen sog. Risikowert hat. Diesen Wert bekommt der eigene Held als Schaden zugefügt, wenn die Karte besiegt wird. Dadurch wird die klassische CCG-Mechanik umgekehrt. Man versucht weniger die gegnerischen Kreaturen zu zerstören, als ehr seine eigenen Kreaturen zu beschützen und den Gegner in Fallen zu locken.
Zudem geben die Designer mit ihrem Crafting System ein gutes Stück Macht an die Spieler ab. Denn jeder kann seine eigenen Karten erstellen, was aufgrund des Risiko-Systems auch funktionieren soll. Hierbei gibt es laut Entwickler über 500 000 Kombinationsmöglichkeiten. Hat man das erste Mal eine Kombination gefunden, wird diese quasi auf den eigenen Namen patentiert, sodass die Innovation jedem anderen Spielern angezeigt wird. Jedoch handelt es sich bei Earth Core immer noch um ein CCG, was mit dem berüchtigten Pay to Progress-Geschäftsmodell einhergeht. Sprich: Wer schnell Karten möchte, muss zahlen. Ich persönlich habe als alter Magic: The Gathering Veteran, aber kein Problem damit.
The Curious Expedition
The Curious Expedition ist eine Expeditions Simulation. Hier spielt man die Persönlichkeiten, die für die ursprüngliche Erkundung der Erdkugel verantwortlich sind, in einem fiktiven Setting. Das Spiel ist dabei wie ein Rouguelike aufgebaut, wobei auf viele explizite Werte verzichtet wird. Der klassische Lebensbalken wird durch das sog. „Sanity-Metre“ also eine Anzeige für die geistige Gesundheit des Charakters ersetzt. Je länger und beschwerlicher die Reise des eigenen Charakters, desto schneller verfällt man dem Wahnsinn. Darüber hinaus geht es in The Curious Expedition um das Erkunden neuer Umgebungen.
Hierbei trifft man auf alle Beschwerlichkeiten, die eine Reise ins Unbekannte mit sich bringt. Diese reichen von der wilden Bestie, über die Eingebohrenen bis hin zu Streit im eigenen Team. Die Entwickler benutzen hierbei v.A. letzteren Aspekt, um ein interessantes und schwieriges Spielerlebnis zu schaffen. Sie ziehen unter anderem den Vergleich zu dem populären Titel Faster Than Light. Noch befindet sich The Curious Expedition in der Early-Access Phase, weswegen ein abschließendes Urteil an dieser Stelle nicht möglich ist. Allerdings ist The Curious Expedition ein Titel, den man im Auge behalten sollte.
Nova Nukers
Nova Nukers, der letzte Titel in meinem bunt gemischten Indie-Quartett, ist das polare Gegenteil von Future Unfolding. Ein lokales Multiplayer-Spiel, das auf den klassischen Splitscreen-Modus setzt und leicht zu verstehen ist. Ein absoluter Messe-Renner. Die Space Orange haben dabei Super Mario Galaxy und Splatoon in einen Topf geworfen und daraus ein LAN-Spiel par excellence gekocht.
Man wird als kleiner Kauz (der ein bisschen wie das Pokémon Botogel aussieht) zusammen mit seinen Freunden auf einen Planeten á la Super Mario Galaxy gestellt und muss sich gegenseitig ausschalten. Dies tut man, indem man seine Widersacher zunächst mittels Granate betäubt und dann mit einem Strahlenwerfer fängt. Der Twist: Der Planet, auf dem man spielt, ist bis auf den Kern zerstörbar. So verändert sich das Schlachtfeld ständig und sorgt für sehr dynamische Partien. Das Ergebnis ist eine Art echtzeit Worms in 3D. Wenn man den Erfolg von Rocket League betrachtet, darf man für Nova Nukers durchaus Hoffnung haben. Der große Wermutstropfen: Es ist momentan aufgrund technischer Herausforderungen noch kein Online-Multiplayer geplant. Dennoch haben die sehr jungen Space Orange Studios mit ihrem zentralen Gameplay alles richtig gemacht und laut eigener Aussage bereits die ein oder andere große technische Herausforderung gemeistert. Wenn nun ein Online-Multiplayer in Aussicht gestellt wird, hat Nova Nukers meiner Meinung nach viel Potential, der nächste LAN-Renner zu werden, denn Spaß macht der Titel alle mal.
Es ist 18.30 und ich sitze im Pressezentrum. Gerade schreibe ich die letzten Zeilen dieses Artikels und ich habe das Gefühl, dass 2016 ein gutes Jahr für die (deutsche) Indie-Szene werden wird. Verbände wie die Indie Megabooth ermöglichen immer mehr kleineren Teilnehmern von dem riesigen PR-Event Gamescom zu profitieren. Das lässt hoffen, dass die Messe in Zukunft noch mehr für groß UND klein da sein kann. Ich bin optimistisch.
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