Jeder der im letzten Vierteljahr eine Buchhandlung betreten, daran vorbeigegangen ist oder auf amazon geshopt hat, wird dieses Buchcover kennen. Seit dem 21. September 2012 ist es bereits auf dem Markt und befindet sich bei Spiegel-Online und Amazon immer noch in den Top 10 der Bücher-Bestsellerliste. Besondere Aufmerksamkeit erregt es natürlich schon mal durch den Einband.

Ein Buch mit Hitler auf dem Cover? Ein Buch über Hitler? Darf man denn sowas? Selbstverständlich hat gerade diese Frage dem Buch zu seiner großen Popularität verholfen. Im Grunde ist natürlich die Frage „Darf man das?“ essenziell für jede Art von Satire, aber Hitler war und wird immer ein schwieriger Fall in dieser Stilrichtung sein. Filme wie „Der Wixxer“ zeigen zum Beispiel eine Figur, die Hitler nur sehr ähnlich ist, die Serie „Switch“ parodiert den richtigen Hilter, setzt ihn allerdings in einen Büro-Alltags-Kontext. In Timur Vermes‘ Roman „Er ist wieder da“ geht es aber um den richtigen Hitler; jener welcher, der im Mai 1945 Selbstmord beging, dessen Leiche man nie gefunden hat und der nun in Soldatenrock und Schirmmütze gekleidet im Jahr 2011 in Berlin aufwacht.

Man stelle sich vor jemand mache in diesem Outfit die Stadt Berlin unsicher und es handle sich leider dabei nicht nur um irgendeinen Spinner sondern um Hitler persönlich. Ich muss zugeben, dass sich mir allein bei der Bildersuche für diesen Beitrag sämtliche Nackenhaare aufgestellt haben, weshalb ich im Folgenden auch auf solche Zeitdokumente verzichten will. Die Idee an sich „Was würde passieren wenn“ ist allerdings interessant und war für mich Anreiz genug um mir „Er ist wieder da“ als Ebook zu holen.

Zu Anfangs ist das Buch auch wirklich witzig, allein wegen Hitlers Orientierungslosigkeit in der neuen Welt. Man schmunzelt hier und da schon mal über Dialoge wie diesen zwischen ihm und ein paar Fußballjungen:

„Wo ist Bohrmann?“
„Wer is’n ditte?“
Es war nicht zu fassen.
„Bohrmann! Martin!“
„Kenn ick nich.“ – „Nie gehört“ – „Wie siehta’n aus?“
„Wie ein Reichsleiter zum Donnerwetter!“

Aber Hitler wäre nicht er selbst, wenn er diese Orientierungslosigkeit nicht nach spätestens drei Kapiteln überwunden hätte und dann merkt man auch, dass das Buch ein anderes Ziel verfolgt als „Der Wixxer“ oder „Switch“. In „Er ist wieder da“ geht es nicht darum über Hitler zu lachen, sondern, wenn man schon lachen will, dann mit ihm und zwar über die zeitgenössische Gesellschaft! Das erzeugt einen interessanten moralischen Konflikt beim Leser, denn einerseits ist man natürlich mit der Regierung und sämtlichem Mediengewäsch unserer Zeit unzufrieden – man protestiert ja auch gelegentlich, ab und zu, wenns gerade passt, ein bisschen dagegen – aber auf der anderen Seite kann man natürlich auch nicht die gleiche Meinung vertreten wie Hitler!

Und hier komme ich auf einen wichtigen Punkt zu sprechen: Es ist natürlich nicht Hitler, es ist Timur Vermes der wie Hitler schreibt – aber, das muss man ihm lassen, in nahe zu perfektem Hitler-Stil. Jeder von uns kennt noch aus den Schulgeschichtsbüchern bestimmte Ausschnitte aus „Mein Kampf“ und hat sich seinerzeit diese Reden anhören müssen. Und eben dieser Stil ist in „Er ist wieder da“ so perfekt nachgeahmt, dass man zeitweise tatsächlich vergisst, dass es nicht der echte Hitler ist, der aus diesen Zeilen zu einem spricht.

Zum Glück hält der moralische Konflikt zwischen Hitler und unserer politischen Unzufriedenheit aber nicht allzu lange an, denn schon bald folgen mehrere seitenlange Monologe des Roman-Hitlers, die die Zukunft des „deutschen Volks“ betreffen, und irgendwo in diesen braunen Textflächen findet sicher jeder Leser einen Punkt, an dem er seine Sympahtien zur Figur verliert. Einerseits natürlich die Ausländerfeindlichkeit oder die entwürdigende Frauenpolitik, die Homophobie, die Pro-Life-Einstellung… Ich will hier nicht zu viele Beispiele vorweggreifen, denn gerade das ist der Aspekt unter dem jeder das Buch selber lesen sollte: Es verrät einem, wo man selbst in Bezug auf die Person Hitler steht. Es ist immer leicht zu sagen: „Bei sowas hätte ich nie mitgemacht“ aber hier hat man die Gelegenheit, einen neuen Aufstieg dieses Mannes zu erleben und sich tatsächlich an einem bestimmten Punkt im Buch dagegen (oder auch dafür?) zu bekennen.

Ein Beispiel: An einer Stelle im Buch entschuldigt sich ein Arzt bei Hitler für die langen Wartezeiten, die wegen personellen Engpässen im Krankenhaus bei zu vielen gleichzeitig zu behandelnden Patienten entstünden. Daraufhin schlägt Hitler vor, doch einfach keine Ausländer mehr zu behandeln. Wie reagiert man darauf? Man kann lachen, man kann es sich kurz bildlich vorstellen oder man kann empört fragen „Wie wäre es, wenn man keine Nazis mehr in Krankenhäusern behandeln würde, du Depp?“
Genau diese Situationen sind Timur Vermes sehr wichtig. Er erklärt:

[…]Ich nutze diese Arglosigkeit des Lesers, ich serviere diese Situationen immer mit einer Beilage, die unverdaulich ist.

Die Gestalten im Roman leben einem die mögliche Fehlentscheidung dabei fast moralapostel-mäßig vor: Sie lachen. Und am Ende, wenn Hitler die Gaskammern in Auschwitz wieder eröffnet, würden sie nur staunend dastehen ála „Hätte doch keiner gedacht, dass…“ – kennen wir das nicht irgendwo her?

Was sind also Ziele des Buchs? Einmal kann man es als Sozialsstudie sehen, die überlegt wie sich Menschen verhalten, die in einem demokratischen Rahmen mit Nationalsozialismus konfrontiert werden (vergleichbar etwa mit „Die Welle“ von Morton Rue) und andererseits ist es natürlich auch eine Kritik an unserer Gesellschaft. Die Sichtweise von Hitler ist böse und bissig, aber im Prinzip auch nichts Neues: Wir leben in einer kapitalistischen Gesellschaft und haben eine Kanzlerin, an derem Äußeren die Leute noch mehr auszusetzen haben als an ihrer Politik – aber eine Alternative gibt es auch nicht. Und sollte das einzige Gegenmodell zu dem unseren tatsächlich der Nationalsozialismus sein, ziehe ich den Kapitalismus vor – oder verfalle in Anarchie!

Manche Stimmen im Internet sehen das Buch als große Stümperei und ich denke, dass ihnen eben die „unverdaulichen Note“ von Timur Vermes schwer im Magen liegt, die sie nicht als Absicht sondern als Geschmacklosigkeit interpretieren. Es ist auch keines dieser Bücher, das man mehrere Male lesen will, aber sich einmal dem „Wie stehen Sie zu Hitler“-Test zu unterziehen, schadet sicher nicht.

Ich persönlich bleibe, wenn es um Hitler geht, aber lieber bei Satire, die leichter verdaulich ist