„Final Fantasy? Spielst du das auch? Ach nein, du hast ja nur dieses Call of Duty…“, spricht die Mutter zu ihrem offensichtlich minderjährigen Sohn, während sie mit ihm zusammen die heiligen Hallen Kölns durchschreitet. Ich werfe einen kurzen Blick auf das große Plakat des neuen Final Fantasy-Teils über unseren Köpfen, mein geschätzter Kollege neben mir bricht in Gelächter aus und ich frage nach, ob ich wirklich richtig verstanden habe und schüttle traurig den Kopf.
Ja, liebe Leser, die Besucherzahlen der Gamescom sind dieses Jahr wieder über 300.000 gestiegen und nicht nur Presse, Fachbesucher und „Gamer“ waren vor Ort – auch Familien scheinen Einzug gefunden zu haben, um sich mit den Hobbies ihrer Kinder zu beschäftigen (was einigen scheinbar nicht gelingt). Ganz gleich jedoch, welche Art Besucher man ist, man kann einigen Tätigkeiten auf der Gamescom nicht entkommen: sich durch die Menge schieben lassen, für Spiele anstehen und von ohrenbetäubender Musik in den Hallen vollgedröhnt werden. Menschen, die auf den Bühnen durch die Hallen brüllen, um die größtmögliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, gehören ebenso zum Alltag auf der Gamescom – was meine Wenigkeit als stark nervend empfindet – aber seien wir ehrlich, das Wummern der Musik und das Geschrei der Leute gehören irgendwo zur Atmosphäre dazu (nur vielleicht nicht ganz so laut, bitte). Auch, wenn ich mir bis heute nicht erklären kann, was Lieder diverser Popsänger aus den 00er Jahren auf einer Spielemesse zu suchen haben. Als netter Ausgleich dafür diente allerdings am Samstagabend ein Konzert von Video Games Live mit dem Fokus auf Soundtracks der Blizzardspiele, das nicht nur Fans der Entwickler verzaubern konnte.
Hat man es erst einmal geschafft, sich in dem Getümmel nicht von einer überdimensional großen Bethesda-Tüte erstechen zu lassen, gibt es allerlei Spieletrailer, Gameplay, interessante Cosplays und merch-überladene Besucher zu sehen. Auch die Stände waren dieses Jahr teilweise sehr aufwändig gestaltet und einen genaueren Blick wert. Mafia III beispielsweise präsentierte sich im Look eines alten Kinos, The Exiled schmückte sich mit Pflanzen, Holzwaffen und Stoffen, um das sandige Setting widerzuspiegeln und bei Overwatch konnte man unter anderem Tracer und Reaper als lebensgroße Figuren betrachten, die perfekt in das ein oder andere Wohnzimmer passen würden.
Mafia III, Civilization 6, Tekken 7 und Lost Ember
Doch nicht nur die Stände in den Hallen hatten einiges zu bieten – auch die Spiele an sich und die Räumlichkeiten der Business Area waren beeindruckend. Bei 2K beispielsweise wurden wir für die Mafia III Präsentation in einen Raum geführt, der einem Wohnzimmer der Sechzigerjahre nachempfunden war. Bequeme Sofas, beleuchtete Bilder, die eine Großstadt zeigen und Fenster imitieren sollten, ein Kamin, ein alter Kastenfernseher neben einem Drehtelefon auf einer alten Kommode – unterstrichen von dunklem Holz an den Wänden. Und genau vor uns ein großer Bildschirm, der uns auf eine Reise in die von Kriminalität geprägte Großstadt New Bordeaux mitnahm. Atmosphärisch und lebendig: so erleben wir ebenjene, hinterlegt mit Musik von Black Strobe, die uns in das Szenario eintauchen ließ.
Der Protagonist, ein ehemaliger Vietnamsoldat namens Lincoln Clay, verliert enge Vertraute an eine italienische Gang und es dürstet ihn nach Rache. Dabei kann der Spieler entscheiden, ob er wild um sich schießend eine Mission abschließen will, oder lieber leise und heimlich. Vom Gewaltgrad her ändert sich jedoch nicht viel – auch im Stealthmodus wird ein Blutbad angerichtet. Ob die Brutalität einfach durch die Vergangenheit des rachsüchtigen Vietnamveteranen gerechtfertigt werden kann, bleibt abzuwarten. Ominöse Gangster, rasante Autofahrten und jede Menge Action und Schießereien – was fast schon an GTA erinnert, erwartet uns in Mafia III.
Neben Mafia III bekamen wir auch Civilization 6 zu Gesicht. Der neue Teil der Spieleserie hält einige Veränderungen bereit. Städte beispielsweise wachsen nun sichtbar auf der Karte in Form von Distrikten. Ebenso ist es ist möglich, durch das bloße Verbreiten der eigenen Religion das Spiel zu gewinnen und technologische Forschung kann nur fortschreiten, wenn man mit den passenden Ressourcen in Kontakt kommt. Außerdem ist die Art und Weise, wie ein Staat regiert wird, veränderbar: so kann man sich wortwörtlich die Karten so legen, dass der Schwerpunkt in den Bereichen des Militär, der Wirtschaft und der Diplomatie beispielsweise auf Charisma, Defensive oder Disziplin sitzt. Mit 18 angekündigten Zivilisationen (unter denen Spanien neu angekündigt durch Philipp II vertreten wird) präsentiert sich uns das Strategiespiel darüber hinaus im Vergleich zu den alten Teilen eher im Comicstil mit bunten Farben und lädt zu einer langen, historischen Spielzeit ein.
Auch Tekken 7 haben wir uns genauer angesehen – als wir Freitagmorgen ursprünglich zum Stand der Indie Arena gehen wollten, um vor dem großen Sturm einen Blick auf die Indietitel werfen zu können, haben wir uns kurzerhand dazu entschlossen, bei Bandai Namcos Stand vorbei zu schauen. Aus den zehn Minuten Tekken antesten wurde schnell ein halbstündiger Ausflug in eine Arena der spektakulären Fausthiebe, Kombos und Special Effects, die auch in Teil 7 der Reihe für abwechslungreiche und wirklich spaßige Kämpfe führen. Wir treffen bekannte Figuren wie Asuka Kazama, Yoshimitsu oder Heihachi Mishima wieder, aber auch neue Charaktere wie der überaus elegante Claudio Serafino und die in japanische Tracht gehüllte Kazumi Mishima wachsen uns schnell ans Herz. Wer eine Vorliebe für Beat ‘em ups hegt, wird auch dieses Mal von Tekken nicht enttäuscht werden.
Als wir uns loseisen konnten, machten wir uns sofort auf zu unserem ursprünglichen Ziel: die Indie-Arena. Der Zusammenschluss unabhängiger Spieleentwickler, die gemeinsam ihre Spiele auf den Messen vorstellen, hatte dieses Jahr wieder einiges zu bieten. Plattformer im asiatischen Setting, wunderschöne Pixelart, Missionen im Weltall, Ausflüge in den Verstand eines Demenzerkrankten, Strategie- und Partyspielen – es für so gut wie jeden Geschmack etwas dabei.
Eines der Spiele war Lost Ember, in dem man in die Rolle eines Tieres schlüpft. Aber halt, nicht nur EINES Tieres. In der anspielbaren Demo war es uns möglich, mehrere Verwandlungen durchzumachen. Während wir zunächst als Wolf durch das hohe Gras hasteten und unserem Begleiter, einem roten Lichtschein, folgten, transformierten wir uns schon bald in einen Maulwurf, um uns unter größeren Hindernissen durch zu graben. Auch als Vogel durften wir in einer Schar bunter Artgenossen durch die Lüfte rudern – in einer atmosphärisch wunderbaren, naturbelassenen Umgebung, auf der Suche nach den Überbleibseln einer alten Zivilisation.
Alles in allem war die Gamescom 2016 ein tolles Erlebnis für uns, wir haben viele neue Spiele kennen gelernt, unglaublich nette Menschen getroffen und interessante Gespräche geführt. Wir hegen auch immer noch die Hoffnung, dass Spiele irgendwann im Mittelpunkt der Gesellschaft angekommen sind – und mit so vielen Besuchern, unter denen auch Eltern dabei waren, die auf der Messe neue Eindrücke von der Spielekultur bekommen haben, sollte unser geschätztes digitales Unterhaltungsmedium auf dem richtigen Weg sein. Auch, um von der Killerspieldebatte weg zu kommen, stimmt’s, werter Innenminister?
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